Staatshilfen in der Krise Viele Milliarden für die Großkonzerne
Der Warenhauskonzern Galeria ist nur eines von vielen Unternehmen, das in der Pandemie Staatshilfen erhält. Ob diese Unterstützung noch zu rechtfertigen ist, bezweifeln manche Ökonomen.
Galeria ist der jüngste Fall eines Großunternehmens, das in der Pandemie vom Staat gestützt wird. Der angeschlagene Warenhauskonzern bekommt weitere Hilfen. Wie es in einem Brief des Galeria-Chefs Miguel Müllenbach an die Mitarbeiter heißt, soll die Warenhauskette mit 250 Millionen Euro an stillen Einlagen vom Staat unterstützt werden. 30 Millionen Euro davon werden nach Angaben der Deutschen Finanzagentur aus dem vergangenen Jahr überführt, 220 Millionen Euro netto wurden am Dienstag an neuen Hilfen bewilligt.
Bei einer stillen Einlage beziehungsweise stillen Beteiligung stellt der Geldgeber liquide Mittel zur Verfügung und wird dafür an Gewinnen der Firma beteiligt. Allerdings muss der Unternehmer den stillen Investor nicht an den Entscheidungen der Unternehmensführung beteiligen. Auch tritt der Geldgeber nach außen nicht als Investor in Erscheinung.
Bereits im vergangenen Jahr war der Konzern mit 460 Millionen Euro an Wirtschaftshilfen unterstützt worden. Sie sind, wie auch die jüngst beschlossenen Gelder, Hilfszahlungen der Bundesregierung, um die wirtschaftlichen Corona-Folgen abzufedern. Während kleine und mittelständische Unternehmen dafür die Überbrückungshilfen beantragen können, erhalten Großunternehmen wie Galeria Geld aus dem Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF).
Dieser Fonds wurde zu Beginn der Pandemie im März 2020 von der Bundesregierung ins Leben gerufen und richtet sich an Unternehmen, die eine Bilanzsumme von mehr als 43 Millionen Euro haben, einen Umsatz von mehr als 50 Millionen Euro oder mehr als 249 Mitarbeiter. Um Staatshilfen aus dem WSF zu erhalten, müssen Großunternehmen zwei dieser drei Bedingungen erfüllen.
Nur kleiner Teil der Kredite abgerufen
Insgesamt stehen im Rahmen des WSF 250 Milliarden Euro an Staatshilfen für deutsche Großunternehmen zur Verfügung, um die Pandemiefolgen abzufedern. Davon liegen 50 Milliarden Euro an Kreditermächtigungen bereit - wovon bisher gerade einmal rund 8,8 Milliarden abgerufen worden sind.
Den mit Abstand größten Betrag erhielt die Lufthansa im Juni 2020. Der Konzern wurde zu Beginn der Pandemie besonders hart getroffen, die Luftfahrtbranche brach praktisch zusammen. In der Folge wurde Europas größte Fluggesellschaft mit rund sechs Milliarden Euro aus dem WSF unterstützt. Im November letzten Jahres zahlte der Konzern die Mittel bereits vollständig zurück, nicht abgerufene Gelder wurden zudem gekündigt. Die Anteile des WSF an der Lufthansa sollen außerdem bis spätestens Oktober 2023 verkauft werden. Derzeit ist der Fonds mit 14 Prozent größter Einzelaktionär der Fluggesellschaft.
Touristik-Branche schwer getroffen
Auch die Reisekonzerne TUI und FTI wurden von der Pandemie und den darauf folgenden Reisebeschränkungen hart getroffen und erhielten umfangreiche Staatshilfen aus dem WSF. TUI wurde in zwei Finanzierungsrunden bis Januar 2021 bislang mit insgesamt 1,2 Milliarden Euro gestützt, FTI Touristik erhielt in drei Finanzierungsrunden bis Oktober 2021 603 Millionen Euro an Staatshilfen. Kleinere Unternehmen wie Berge & Meer Touristik und die Trendtours Holding erhielten zweistellige Millionenbeträge.
Auch zahlreiche weitere Einzelhändler wie der Schuhhändler Ludwig Görtz, der Modeladen Orsay oder die Adler Modemärkte wurden vom Staat mit Millionenbeträgen gestützt. Sie waren besonders von den Lockdown-Maßnahmen in den Hochphasen der Pandemie getroffen. Derzeit machen die 2G-Regeln dem stationären Handel zu schaffen.
"Klare Fortführungsperspektive nach der Pandemie"
Ob ein Unternehmen diese staatliche Unterstützung in Form von Garantien oder direkten Hilfen tatsächlich erhält, wird unter Berücksichtigung von vier Kriterien entschieden. Dabei geht es um die "Bedeutung des Unternehmens für die Wirtschaft Deutschlands", um "die Dringlichkeit", um die "Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt" und um den "Wettbewerb und den Grundsatz des möglichst sparsamen und wirtschaftlichen Einsatzes der Mittel des WFS".
Konkret bedeutet das, dass mit dem Geld aus dem WSF keine Unternehmen finanziert werden sollen, die sich nur noch dank dieser Staatshilfen vor der Insolvenz retten können. Zudem verlangt der Gesetzgeber zur Bewilligung der Mittel eine "klare eigenständige Fortführungsperspektive nach Überwindung der Pandemie". Es muss also gute Aussichten geben, dass ein Unternehmen auch nach der Pandemie noch erfolgreich sein kann.
Bei dem Warenhauskonzern Galeria zweifeln manche Experten daran, dass der Konzern auch ohne staatliche Unterstützung weiterhin überleben könnte. "Im Fall von Galeria Kaufhof ist zu fragen, ob das bisherige Geschäftskonzept, das schon vor der Pandemie in Frage gestellt war, nach der Pandemie noch zukunftsfähig ist", erklärt Monika Schnitzer auf Anfrage von tagesschau.de. Die Münchner Ökonomin ist Mitglied der "Wirtschaftsweisen". Die Perspektive des Unternehmens hänge auch davon ab, wie lange die Pandemie noch andauere.
Beantragung noch bis Ende April möglich
Monika Schnitzer sieht vor allem ein Problem darin, dass Menschen ihr Konsumverhalten dauerhaft verändern könnten. "So ist zum Beispiel davon auszugehen, dass viele Einkäufe, die aktuell online getätigt werden, auch nach Beendigung der Krise online bleiben", so die Wirtschaftswissenschaftlerin. "Auch in der Reisebranche ist vorstellbar, dass sich die Gewohnheiten durch die Krise verändern, insbesondere im Bereich der Geschäftsreisen und der Fernreisen."
Deshalb seien "Unternehmenshilfen, die sich allein an den ausgefallenen Umsätzen orientieren, ohne die künftige Tragfähigkeit des Geschäftsmodells zu überprüfen, um so problematischer, je länger die Krise andauert". Die Ökonomin befürchtet, dass mit einer dauerhaften Unterstützung der notwendige Strukturwandel in einer Branche verzögert werden könnte.
Derzeit können die Anträge auf Garantien und Rekapitalisierungen beim Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz noch bis Ende April diesen Jahres gestellt werden. Ob diese Möglichkeit noch einmal verlängert wird, ist derzeit ungewiss. "Durch die Lieferengpässe im letzten Jahr, die zum Teil noch fortdauern, verzögert sich der weitere Aufschwung, was längere Hilfen, auch über Ende Juni hinaus, erforderlich machen kann", urteilt Schnitzer.