Neues soziales Netzwerk Bluesky - eine echte Alternative zu X?
Die Plattform Bluesky könnte eine Alternative sein zum Kurznachrichten-Dienst X, der seit der Übernahme durch Elon Musk Nutzer verliert. Welche Erfolgschancen hat das neue Netzwerk?
"Twitter hat es mir erlaubt, den Atlantik zu überwinden und mich in deutsche Debatten einzubringen", sagt Rudi Bachmann. Der Volkswirt ist Professor im US-Bundesstaat Indiana, dennoch diskutiert er über das Internet regelmäßig auch im deutschsprachigen Raum mit. Besonders aktiv war er während der Gaskrise im vergangenen Jahr, als die Expertise von Ökonomen wie ihm sehr gefragt war.
Inzwischen aber seien viele seiner Kolleginnen und Kollegen weniger auf Twitter aktiv als früher, hat er beobachtet. Dadurch sei die Plattform für ihn immer langweiliger geworden. Schließlich trat Bachmann einem neuen Netzwerk bei - Bluesky.
Bluesky ("blauer Himmel") funktioniert ähnlich wie Twitter, das Multimilliardär Elon Musk vor einem Jahr übernahm und kürzlich in "X" umbenannte. Nutzerinnen und Nutzer können dort kurze Nachrichten in Form von Posts absetzen, diese werden von anderen Nutzern kommentiert und geteilt. Anders als andere neue soziale Netzwerke lockt Bluesky die Nutzerinnen und Nutzer also nicht mit innovativen Funktionen. Vielmehr verspricht es den Schritt zurück in die "gute alte Zeit" von Twitter.
Frust über Musk, Hassrede und weniger Reichweite
Dass dieser Ansatz gerade in Deutschland auf fruchtbaren Boden fällt, liegt wohl auch daran, dass der Frust über Elon Musk hierzulande besonders ausgeprägt scheint: "In meiner Wahrnehmung hat er seine Rolle als leicht verrückter Zukunftsvisionär hier verloren", sagt Maren Urner, Professorin für Medienpsychologie an der HMKW Köln.
Derya Gür-Seker, Professorin für Kommunikation an der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg, ergänzt: "Ein weiterer Grund für die Suche nach Alternativen ist, dass viele Profile seit der Musk-Übernahme eine Drosselung ihrer Reichweite ausmachen." Das Netzwerk X belohnt also offenbar andere Inhalte als in der Vergangenheit.
Nutzerinnen und Nutzer beklagen, das Netzwerk sei nach rechts gerückt. Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes deaktivierte kürzlich ihr X-Konto unter Verweis auf Hassrede und Desinformation auf der Plattform.
Musk teilte einen Pro-AfD-Post
Einen Beitrag zum Frust im deutschsprachigen Raum hat Musk offenbar auch persönlich geleistet. Ende September teilte er den Beitrag eines rechten X-Kanals mit Sitz in Italien, der die Seenotrettung durch deutsche Nichtregierungsorganisationen kritisierte. Der von Musk geteilte Tweet enthielt unter anderem den Satz "Hoffentlich gewinnt die AfD die Wahlen".
Damit sei für sie persönlich der "Kipppunkt" erreicht gewesen, sagt Medienpsychologin Urner. Sie hat sich bei Bluesky angemeldet, ihren X-Account betreibt sie allerdings weiterhin.
Bluesky funktioniert nur über Einladung
Inzwischen hat auch Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) einen Account bei Bluesky, ebenso wie einige andere prominente Politikerinnen und Politiker. Allerdings wird an ihrem Beispiel deutlich, wie weit der Weg noch ist, den das neue Netzwerk zurücklegen müsste, um X wirklich gefährlich zu werden. Auf X hat die Bundesaußenministerin 628.000 Follower, auf Bluesky sind es gerade mal 24.000.
Die große Öffentlichkeit, die sich über die Plattform erreichen lässt, macht X weiterhin attraktiv. Hinzu kommt, dass auf Bluesky einige Funktionen des Konkurrenten fehlen. Beispielsweise haben Nutzer dort keine Möglichkeit, private Direktnachrichten an andere Personen zu verschicken.
Eine Besonderheit ist, dass Bluesky nur auf Einladung bereits registrierter Nutzer zugänglich ist. Dadurch ist das Wachstum langsamer als es sein könnte. Allerdings könnte diese Exklusivität den Hype um die Plattform vergrößern, glaubt Medienpsychologin Urner: "Eine Verknappung sorgt - genau wie zeitlich begrenzte Angebote - für eine höhere Attraktivität."
Mastodon bisher kein ernsthafter Konkurrent
Für Bluesky spricht, dass es X in seiner Aufmachung und Funktionsweise stärker ähnelt als etwa die Plattform Mastodon, der es bisher nicht gelungen ist, zur ernsthaften Konkurrenz zu werden. Die Ähnlichkeit ist wenig überraschend, schließlich steckt mit Jack Dorsey ein Mitgründer und ehemaliger Geschäftsführer von Twitter hinter Bluesky.
"Die Chancen scheinen hoch", sagt Social-Media-Expertin Gür-Seker über die Erfolgsaussichten der Plattform. Denn Bluesky gelinge es, Vertrauen bei den Nutzerinnen und Nutzern zu schaffen. Volkswirtschaftsprofessor Bachmann ist derzeit auf beiden Plattformen aktiv. "Bluesky ist noch nicht da, wo Twitter in seinen besten Zeiten war", findet er. "Aber die Hoffnung ist da."