Krise bei Windanlagentochter Siemens Energy spricht mit Bund über Staatshilfen
Der kriselnde Energiekonzern Siemens Energy verhandelt mit der Bundesregierung über staatliche Garantien. Mit den Garantien sollen Großprojekte abgesichert werden. Die Aktie des Konzerns stürzte ab.
Siemens Energy ruft nach Staatshilfe. Das mit Milliardenverlusten kämpfende Unternehmen bestätigte heute Gespräche mit dem Bund über staatliche Garantien. Der Konzern führe Vorgespräche mit unterschiedlichen Parteien, darunter Partnerbanken sowie der Bundesregierung, um den Zugang zu Garantien für Großaufträge sicherzustellen, teilte Siemens Energy mit.
"Das enorme Tempo der Energiewende sorgt für eine hohe Nachfrage nach unseren Technologien, unser Auftragsbestand liegt bei 110 Milliarden Euro", betonte ein Sprecher. "Diese an sich positive Entwicklung, führt dazu, dass wir in größerem Ausmaß Garantien an unsere Kunden vergeben müssen. Das ist eine Herausforderung für alle Unternehmen. Wir bringen daher Maßnahmen zur Stärkung unserer Bilanz auf den Weg und führen auch Gespräche mit der Bundesregierung, wie wir Garantiestrukturen im schnell wachsenden Energiemarkt sicherstellen können."
"Entscheidung noch nicht gefallen"
Siemens Energy verkauft konventionelle Kraftwerke, Übertragungstechnik und Windkraftanlagen. In der Industrie ist es üblich, dass Unternehmen ihre Leistungen bei solchen, über Jahre andauernden Projekten mit Kreditlinien von Banken absichern müssen. Damit wird sichergestellt, dass das Unternehmen über die erforderlichen finanziellen Mittel für die Ausführung von langjährigen und kostspieligen Projekten verfügt.
Eine Entscheidung der Regierung sei bislang nicht gefallen, heißt es. "Die Bundesregierung ist in engen und vertrauensvollen Gesprächen mit dem Unternehmen", sagte ein Sprecher des Bundeswirtschaftsministeriums, nannte aber keine Details.
Zuerst hatten die "WirtschaftsWoche" (WiWo) und der "Spiegel" über Gespräche von Siemens Energy mit der Bundesregierung berichtet. Siemens Energy werbe um Bürgschaften von bis zu 15 Milliarden Euro, hieß es in der "WiWo". Wegen der Krise der Windturbinen-Tochter Siemens Gamesa befürchte der Konzern Schwierigkeiten in den Gesprächen mit Banken über Garantien für Großprojekte.
Milliardenverluste bei Siemens Gamesa
Bei der Windanlagentochter Siemens Gamesa, einem der größten Windanlagenbauer weltweit, kämpft Siemens Energy schon seit Jahren mit erheblichen Schwierigkeiten, die die Bilanz belasten. Siemens Energy übernahm die Tochter nach mehreren Jahren als Mehrheitseigentümer 2022 ganz, um besser durchgreifen zu können.
Für das Quartal von April bis Juni bezifferte Siemens Energy die Kosten für die Behebung von Qualitätsproblemen bei der Windanlagentochter auf 1,6 Milliarden Euro. Die Nachrichtenagentur Reuters zitiert einen Insider, wonach die Belastungen im Windkraft-Geschäft auch höher ausfallen könnten als die veranschlagten 1,6 Milliarden Euro.
Zu den spezifischen Problemen, mit denen Gamesa zu kämpfen hat, kommt ein schwieriges Marktumfeld für die europäische Windkraftbranche im Allgemeinen hinzu: Trotz der wachsenden Nachfrage nach sauberer Energie leidet der Sektor unter höheren Materialpreisen, anhaltenden Unterbrechungen der Lieferketten - und nicht zuletzt starkem Preisdruck durch die Konkurrenz aus China.
Siemens Energy betonte heute, die Finanzergebnisse des Konzerns lägen 2023 im Rahmen der Prognose. Für das Gesamtjahr rechnet der Konzern mit einem Verlust von 4,5 Milliarden Euro. Während die ehemaligen Gas- und Power-Geschäfte rund liefen, würden Auftragseingang und Umsatz im Windgeschäft 2024 voraussichtlich unter den Markterwartungen liegen. "Für bestimmte Onshore-Plattformen schließt Siemens Gamesa vorerst keine neuen Verträge ab und nimmt im Offshore-Geschäft nur selektiv Aufträge an."
Was tut Siemens?
Die ehemalige Mutter Siemens AG hält nach dem Börsengang von Siemens Energy noch 25,1 Prozent der Anteile. Während Berlin offenbar grundsätzlich gewillt sei, den für die Energiewende wichtigen Konzern zu unterstützen, wolle sich Siemens nicht wieder in die Pflicht nehmen lassen, hieß es dazu im "Spiegel". In der Bundesregierung sei man über diese Haltung verstimmt.
Die Siemens AG hatte mit Verweis auf die milliardenschweren Garantien und Finanzierungen für Energie-Großprojekte einen Anteil an Siemens Energy behalten. Diese Verpflichtungen seien aber schneller abgebaut worden als gedacht, hatte Finanzvorstand Ralf Thomas gesagt. Auch deshalb habe die AG ihren Aktienanteil von zunächst 35,1 Prozent reduzieren können - und wolle ihn weiter abbauen. Einen Kommentar zu den Gesprächen von Siemens Energy lehnte der Konzern ab.
An der Börse verlor Siemens Energy nach der Mitteilung des Unternehmens deutlich an Wert. Der Aktienkurs brach um rund ein Drittel ein - für ein DAX-Unternehmen sind Kursverluste in dieser Größenordnung äußerst selten. Auch die Siemens-Aktie verliert kräftig. "Bei den Themen Neuverschuldung und Finanzierungsprobleme reagieren die Börsianer derzeit sehr allergisch und nehmen sofort Abstand von dem Unternehmen", sagte Marktexperte Andreas Lipkow.