Papier-Recycling Neue Verpackungsarten werden zum Problem
Wo es früher Plastikbeutel gab, werden heute überwiegend Papiertüten benutzt. Gut für den Umweltschutz durch die Möglichkeit des Recyclings. Doch eine neue Art von Papier ist dafür ungeeignet.
Beim Einkaufen erhalten Kunden heute fast überall Papier, wo es früher Plastiktüten gab. Allein in München landen pro Jahr mehr als 77.000 Tonnen Altpapier in den Blauen Tonnen der Stadt. Doch inzwischen sind auch Materialien dabei, die die Papierindustrie gar nicht recyceln kann.
Konkret geht es um sogenanntes nassfestes Papier, häufig benutzt etwa für Bäckertüten oder Supermarkt-Tragetaschen. Dafür werden bei der Herstellung den Papierfasern Stoffe beigemischt, die das Papier widerstandsfähiger machen gegen Flüssigkeiten oder Feuchtigkeit.
Welche Tüten nassfest sind - und wie man es erkennt
Die Autoren der ARD-Sendung Plusminus machen einen Test: Sie bringen diverse Papierverpackungen zur Technischen Universität Darmstadt, um sie dort untersuchen zu lassen. Am Institut für Papierfabrikation und Mechanische Verfahrenstechnik beschäftigen sich die Wissenschaftler seit mehr als 100 Jahren mit Papier.
"Das muss man im Labor prüfen", erklärt Samuel Schabel, Professor an der TU Darmstadt. Denn die Information stehe nicht auf dem Produkt, und selbst als "Papier-Fachmann" sei es rein optisch nicht zu erkennen. Um das Papier zu analysieren, wird es aufwändig zerschnitten und wie in den Papierfabriken auch für eine gewisse Zeit mit Wasser vermischt. Sogenannte nassfeste und andere, neuartige Papiere lösen sich dabei nicht vollständig auf.
Warum solche Papierarten zum Einsatz kommen
"Wir wollen ja wegkommen von Kunststoff im Verpackungsbereich - aus Gründen der Ressourcenschonung", erläutert Schabel. Um aber zum Beispiel Verpackungen auf Papierbasis herzustellen, brauche man eine gewisse Funktionalität - wie etwa, dass das Produkt wasserdicht sei oder eine Aroma-Barriere biete. "Und das kann Papier von sich aus nicht. Da kommt dann eine Beschichtung drauf oder eine Imprägnierung, oder es kommen Zusatzstoffe ins Papier rein", so Schabel. Es gebe eine Reihe von solchen additiven Funktionalisierungen, die dann jedoch beim Recycling Probleme machten.
Schon bei der zweiten Probe werden die Darmstädter Wissenschaftler fündig. Während sich das reine Papier im Wasser auflösen und ohne Probleme wieder zu neuem Papier verarbeiten lässt, schwimmen bei der Tüte einer Bäckerei größere weiße Flocken in der Flüssigkeit: nassfeste Materialien - ungeeignet, um daraus Papier herzustellen.
Nassfestes Papier wird nicht deklariert
Besonders irritierend für Verbraucher: Auf der untersuchten Tüte steht, sie gehöre ins Altpapier. Oft allerdings steht gar nichts drauf bezüglich der Entsorgung. Für Verbraucher ist daher nicht zu erkennen, ob Papiertüten ins Altpapier dürfen oder nicht.
Thomas Braun vom Bundesverband Sekundärrohstoffe und Entsorgung fordert eine eindeutige Kennzeichnungspflicht für schwer recyclingfähige nassfeste Papiere. "Eine Kennzeichnung dieser sogenannten neuen Verpackungen sehen wir als essenziell an. Der Endverbraucher hat ganz vieles in der Hand bei diesem Thema, denn wenn es einmal bei ihm landet, muss er ein Hilfsmittel haben, in welches Gefäß denn nun diese Verpackung je nach Recyclingfähigkeit hinein kann."
Bundesumweltministerium verweist auf EU
Plusminus fragt beim Bundesumweltministerium nach. Warum gibt es keine solche Kennzeichnung? Dort verweist man auf die Europäischen Union. In einer europaweiten Verpackungsverordnung soll das in Zukunft geregelt werden. Auch will man festlegen, dass bei der Entwicklung neuer Tüten und Verpackungen gleich die Recyclingfähigkeit berücksichtigt werden muss.