"Greenwashing" im Supermarkt Wenn "grüne" Werbung in die Irre führt
Laut einer EU-Studie ist Werbung mit Nachhaltigkeit oft vage, irreführend oder nicht fundiert. Verbraucherschützer fordern mehr Klarheit: durch Regeln, Kontrollen - und im Zweifel auch Klagen.
Auf zahllosen Produkten finden sich heutzutage grüne Reklamesprüche, Ökosiegel und Links auf Webseiten mit Nachhaltigkeitsversprechen. Wie eine aktuelle Studie der EU-Kommission ergeben hat, ist die Mehrheit zumindest fragwürdig. Doch gerade bei Waren, die ein umweltschädliches Image haben, wirkt Ökoreklame im Sinne der Hersteller.
Denn: Kundinnen und Kunden glauben dann an mehr Nachhaltigkeit - anders als bei Produkten ohne grünen Anstrich. Das ist bei einer Untersuchung mit mehr als 2000 Befragten eines Göttinger Instituts im Auftrag der deutschen Verbraucherzentralen herausgekommen. "Verbraucherinnen und Verbraucher schätzen die Verlässlichkeit von Werbeaussagen und Siegeln auf Lebensmitteln oft falsch ein", sagt Jochen Geilenkirchen vom Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv).
Es gibt zu viele Plaketten
Labels, Siegeln und Prüfplaketten ist häufig nicht zu trauen. Es gebe viel zu viele davon, als dass man sie kontrollieren könnte, schreibt das Umweltbundesamt auf Anfrage. Glaubhaft seien Siegel nur, wenn nachgewiesen werde, was eigentlich besser als ohnehin vorgeschrieben sei. Auch müssten unabhängige Prüfer das Siegel kontrollieren. Doch wer sich im Supermarkt umsieht, stellt fest: Fehlanzeige.
Immer wieder wird ein staatliches Kontrollsystem gefordert. Ähnlich dem Stromverbrauch auf Elektrogeräten solle die Nachhaltigkeit von Produkten farblich dargestellt werden, so der Vorschlag: mit einer "Öko-Ampel". Doch anders als der Stromverbrauch sind ökologische Prozesse schwer zu messen. Messungen sind meistens auch nicht normiert; Ergebnisse sind nicht eindeutig. Keine Behörde in Deutschland könne und wolle es darauf anlegen, sich in zahllose Verwaltungsrechtsverfahren mit schlecht eingestuften Produzenten zu verstricken, sagen Rechtspolitiker hinter vorgehaltener Hand. Außerdem sei es nicht Aufgabe des Staates, normales Marktgeschehen zu kontrollieren.
Wettbewerbsrecht verbietet irreführende Werbung
Der Eindruck, dass in der Werbung jeder alles versprechen darf, ist jedoch falsch. Kundinnen und Kunden dürfen nicht in die Irre geführt, ihnen darf nichts Wesentliches verschwiegen und es darf nicht mit Selbstverständlichkeiten geworben werden.
Dabei geht es im Kern jedoch nicht um Kundinnen und Kunden, sondern um Unternehmen: Das deutsche Wettbewerbsrecht schützt seriöse Unternehmen vor Konkurrenten, die sich durch falsche Werbeversprechen Vorteile verschaffen. Es können nicht Kundinnen oder Kunden klagen, sondern nur Konkurrenten, deren Vereine, etwa die Wettbewerbszentrale in Bad Homburg oder Verbraucherschützer.
Gerichte haben stets durchschnittlich informierte, verständige Kunden im Auge - und eine je nach Kaufsituation angemessene Aufmerksamkeit. "Verbraucher stehen vor dem Regal. Sie wollen eine Kaufentscheidung treffen und stellen keine tiefgehenden, weiterführenden Überlegungen an", beschreibt Tudor Vlah von der Wettbewerbszentrale die typische Situation.
Niederlage vor Gericht
Vor vier Wochen hat Vlah ein Verfahren vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf verloren. Ein Süßigkeitenhersteller hatte normale Ware als "klimaneutral" beworben. Nur versteckt wurde darauf hingewiesen, dass das CO2 der Produktion andernorts ausgeglichen werde. Das sei keine Irreführung, urteilte das Gericht. Denn Verbraucher wüssten etwa von Flugreisen, dass viele Leistungen klimaschädlich seien und CO2 nur durch eine Beteiligung an Klimaschutz-Aktionen kompensiert werde.
Die Göttinger Studie der Verbraucherzentralen zeigt das Gegenteil: 40 Prozent der Befragten gehen bei "klimaneutral" davon aus, dass CO2-Emissionen in der Produktion verringert wurden und nicht nur Klimaschäden ausgeglichen. "Jedes beliebige Produkt kann kompensiert werden, ohne dass es umweltfreundlich ist", bemängelt Wettbewerbsschützer Vlah.
Nachhaltiger Sprudel?
Kerstin Scheidecker, Geschäftsführerin von Öko-Test in Frankfurt am Main, nennt weitere Beispiele. "Wir haben Sonnenschutzmittel, die rifffreundlich sind". Ein Sonnenschutzfilter, der angeblich Riffe in Hawaii hätte angreifen können, sei herausgenommen worden, und nun wird damit an der deutschen Ostsee geworben. "Biologisch abbaubar" heiße nicht, dass Babyfeuchttücher kompostierbar seien - im Gegenteil enthielten sie schädliche Chemikalien. Und: "Was um Himmels Willen soll Bio-Mineralwasser sein?", fragt Scheidecker.
Die EU-Kommission plant, gegen falsche Umweltaussagen in der Werbung vorzugehen. Geht es nach den Kommissionsentwürfen zweier Richtlinien, müssten Unternehmen "grüne" Verbesserungen nachweisen, wenn sie mit Umweltslogans werben wollen. Die ökologischen Fortschritte müssten unabhängig bestätigt werden, Nachweise veröffentlicht werden. Bei Verstößen plant die EU- Kommission hohe Bußgelder. Der Bundesverband der Verbraucherzentralen ist erfreut. Beim Deutschen Anwaltstag wurden die Entwürfe dagegen schon im Juni kritisch diskutiert. Befürchtet wurde teure Bürokratie, die sich vor allen Großunternehmen leisten können.