Beteiligung in St. Petersburg Fraport wegen Russland-Geschäft unter Druck
Dem deutschen Flughafenkonzern Fraport gehört ein Viertel der Betreiberfirma des Airports St. Petersburg, der auch militärisch genutzt werden kann. Doch aufgeben will er die Beteiligung erstmal nicht.
Während die Bombardierung von Zivilisten in der Ukraine mit unverminderter Härte weitergeht und täglich neue Bilder von Trümmern, Toten und Verletzten um die Welt gehen, ziehen sich reihenweise Großkonzerne aus Russland zurück: Wer es nicht wegen der westlichen Sanktionen ohnehin tun muss, macht es aus Reputationsgründen. Denn: Geschäfte mit oder sogar in Russland machen im Moment keinen guten Eindruck in der Öffentlichkeit oder bei den Aktionären. Jeden Tag wird die Liste der Länder und Konzerne länger, die Russland maximal isolieren wollen.
Sorgen auch schon vor dem Krieg
Anders sieht man das anscheinend in Hessen. Das Land ist zu mehr als 30 Prozent Eigentümer des größten deutschen Flughafenkonzerns Fraport, der wiederum 25 Prozent an der Betreibergesellschaft des Flughafens in St. Petersburg in Russland besitzt. Erst vor einigen Tagen geriet deshalb Hessens Finanzminister Boddenberg im Haushaltsausschuss des Landtages unter Druck: "Wir verlangen den Menschen und Unternehmen in Deutschland einiges ab, die Sanktionen, die gegen Russland verhängt wurden, sind auch bei uns spürbar. Da muss der Staat, was Beteiligungen in Russland angeht, mit gutem Beispiel vorangehen und sich davon trennen", sagt Marion Schardt-Sauer von der hessischen FDP-Fraktion. "Es ist schwer vorstellbar, dass die Flughafenbeteiligung in St. Petersburg die einzige ist, die man nicht abgeben kann."
Das hessische Finanzministerium, zuständig für Fraport, teilte mit, es sei selbstverständlich, dass alle Sanktionen vollständig umgesetzt würden. Begleitet werde die Umsetzung mit rechtlichen Prüfungen, die unter anderem auch aktienrechtliche Belange einschließen. Diese Haltung habe der Minister auch im Haushaltsausschuss bekräftigt.
Die Beteiligung in St. Petersburg macht nicht erst seit dem Ukraine-Krieg Sorgen: Erst vor Kurzem offenbarten die "Pandora Papers", ein Leak, das von WDR, NDR und SZ mit hunderten Medien weltweit ausgewertet wurde, dass Fraport nicht nur ein Anteilseigner ist, sondern weitreichende Verpflichtungen in Russland eingegangen war, die von Know-How Transfer bis hin zur Nominierung des Betriebschefs und des Finanzchefs des Flughafens reichten - zwei Schlüsselpositionen am zweitgrößten Flughafen in Russland.
Klassifizierung als "Top Secret"
Zwar ist für den eigentlichen Betrieb eine russische Gesellschaft zuständig, die Northern Capital Gateway (NCG) heißt, doch genau an dieser Gesellschaft ist Fraport mit 25 Prozent beteiligt. Und diese Gesellschaft hat es in sich: In ihrer Satzung, die auch von Fraport-Vertretern unterschrieben und verabschiedet wurde, verpflichtet sich Northern Capital Gateway zum Schutz von russischen Staatsgeheimnissen der Klassifizierung "Top Secret", also der höchsten Geheimhaltungsstufe. Die dafür nötigen Lizenzen hatte die Gesellschaft vom russischen Staat bekommen, auch das zeigen die geheimen Dokumente. Der Flughafen in St. Petersburg kann militärisch genutzt werden, auch das zeigen die Pandora Papers.
Auch die anderen Geschäftspartner am Flughafen in St. Petersburg haben es in sich: Ein weiterer großer Anteilseigner an Northern Capital Gateway ist die russische Bank VTB, die mehrheitlich dem russischen Staat gehört und die jetzt mit weiteren, schweren Sanktionen belegt wurde, etwa von den USA. Die Sanktionen sollen "eine wichtige Arterie von Russlands Finanzsystem abschneiden", so das US-Finanzministerium. Man wolle damit ein unmissverständliches Signal senden, dass die USA die ökonomischen Kosten des Angriffskrieges von Russland in der Ukraine in die Höhe schnellen lassen wollen. Trennen könne man sich aus vertragsrechtlichen Gründen dennoch nicht, heißt es von Fraport. Aber: "Fraport lässt die Geschäftsaktivitäten in St. Petersburg ruhen."
Ungläubigkeit und Frust
Ursula Fechter, ehemalige Stadträtin der Stadt Frankfurt und inzwischen Sprecherin der Bürgerinitiative in Sachsenhausen, hat einen Blick auf die Dokumente aus den "Pandora Papers" geworfen. Auch die Stadt Frankfurt ist zu mehr als 20 Prozent über eine Holding am Flughafenkonzern Fraport beteiligt. Mit einer Mischung aus Ungläubigkeit und Frust schaut sie auf ein Diagramm, auf dem alle direkten und indirekten Anteilseigner des Flughafens in St. Petersburg und seiner Betreibergesellschaft NCG eingezeichnet sind: Von den staatlichen Akteuren in dem Diagramm sind die größten Einträge das Land Hessen und die Stadt Frankfurt über die Beteiligung an Fraport, sowie der russische Staat über seine Bank VTB. "Ich kann nicht verstehen, wie man das jetzt einfach so hinnehmen kann", sagt sie: "Würde man die Beteiligung jetzt verkaufen oder verschenken, würde man sich voll und ganz solidarisch zeigen mit der Ukraine", so Fechter.
Obwohl Fraport vergangene Woche mitgeteilt hat, die Geschäftsaktivitäten in St. Petersburg ruhen zu lassen, sind vor Ort immer noch die von Fraport nominierten Manager bei der Betreibergesellschaft NCG beschäftigt, wie Fraport gegenüber WDR, NDR und SZ bestätigte. Auch einen Kredit hat der deutsche Flughafenkonzern noch ausstehen.
Würden Schadenersatz-Klagen drohen?
Das Unternehmen versucht sich seit Ausbruch des Krieges gegen die Ukraine, so weit wie möglich von NCG zu distanzieren: Fraport habe zu keinem Zeitpunkt Zugang zu russischen Staatsgeheimnissen gehabt, man sei auch nicht Partei von Vereinbarungen, welche die Wahrung solcher Geheimnisse zum Gegenstand haben, versichert der Konzern auf Anfrage. Auch habe man seit 2020 kein Personal mehr entsandt. Ob dort am Flughafen auch Militärmaschinen abheben oder landen, wisse man nicht. Mit dem Betrieb habe Fraport überhaupt nichts zu tun, der vom Frankfurter Konzern nominierte Finanzchef und der Betriebschef seien bei NCG angestellt.
Fraport verweist außerdem auf den Konzessionsvertrag. Dieser verpflichte den Konzern, bis 2025 mindestens 25 Prozent der Anteile an NCG zu halten. Ein Verstoß gegen diese Regelung sei ein Kündigungsgrund für den Konzessionsvertrag und könne zu Schadensersatzklagen der Mitgesellschafter gegen Fraport führen, argumentiert der Konzern.
St. Petersburg ist Wladimir Putins Heimat, und wie die "Pandora Papers" zeigen, nahm der Kreml-Herrscher gerne an feierlichen Eröffnungszeremonien und Spatenstichen auf dem Flughafen teil. Den Dokumenten zufolge bietet der Airport auch einen "President Service" an. Von dem, so versichert Fraport auf Anfrage, wisse man ebenfalls nichts.