"Pandora Papers" Umgeht Fraport Sanktionen?
Die Frankfurter Flughafengesellschaft Fraport spielt am Flughafen Pulkowo in Sankt Petersburg eine undurchsichtige Rolle. Ist sie an der Umgehung von Sanktionen gegen russische Unternehmen beteiligt?
Thalita Trading heißt die Holding, in der sich verschiedene Staaten, Banken und Fonds aus aller Herren Länder versammeln, weil sie Anteile am russischen Flughafen Pulkowo in Sankt Petersburg halten. Mittendrin: die Fraport AG, der größte deutsche Flughafenkonzern, der zu etwas mehr als der Hälfte dem Land Hessen und den Stadtwerken Frankfurt gehört.
Ebenfalls mittendrin: die Unternehmensgruppe der russischen Staatsbank VTB, die nach der Annexion der Krim von den USA sanktioniert wurde. Die Sanktionen sollten die VTB von den Finanzmärkten abschneiden. Finanzgeschäfte mit der Bank sollten schwieriger werden. Tatsächlich aber ist die VTB geschäftlich immer noch mit der deutschen Fraport eng verbunden - über jene Thalia Trading, an der die Fraport 25 Prozent Anteile hält. Die VTB hält etwa ebenso viele.
Ist ein deutscher Konzern, der auch noch zu mehr als der Hälfte dem Steuerzahler gehört, daran beteiligt, dass Sanktionen gegen eine russische Bank umgangen werden können? Die "Pandora Papers", die WDR, NDR und "Süddeutsche Zeitung" gemeinsam mit Hunderten Journalistinnen und Journalisten ausgewertet haben, erlauben jetzt zum ersten Mal einen tiefen Einblick hinter die Kulissen von Thalita und in die Rolle, die Fraport im verschachtelten Firmen-Konstrukt rund um den drittgrößten Flughafen Russlands spielt.
Juristen mit Prüfung von Sanktionsrisiken beauftragt
Die Dokumente zeigen, dass die Frage, ob hier gegen Sanktionen verstoßen wird, offenbar auch den Betreibern Kopfzerbrechen bereitete. Denn 2018 wurde eine der größten internationalen Anwaltskanzleien extra damit beauftragt, Sanktionsrisiken abzuklopfen. Auftraggeber des Gutachtens: die Northern Capital Gateway (NCG) - eine 100-prozentige Tochter der Thalita. Wörtlich heißt es in dem Auftrag an die hochbezahlten Anwälte, sie sollten "potentielle Risiken in Bezug auf Sanktionen" ermitteln - und zwar im "Tagesgeschäft" der Betriebsgesellschaft.
Pikant: Die "existierenden, herausfordernden Fälle in Bezug auf die Sanktionen" hatte man offenbar selbst gleich mitgeliefert und besonders problematische bereits identifiziert. Um welche "herausfordernden Fälle" es sich denn im "Tagesgeschäft" gehandelt habe, wollte Fraport auf Nachfrage nicht beantworten.
Für Marc Pieth, einem der anerkanntesten Strafrechtler und Kriminologen der Universität Basel, weckt jedoch die Art des Auftrags bereits Zweifel:
Wenn sie schon Geschäfte vorlegen, bei denen sie selbst wissen, dass sie stinken, ist das gewünschte Ergebnis klar.
Für Fraport alles im Einklang
Fraport betont auf Anfrage: Alles sei im Einklang mit den geltenden Sanktionsregelungen. Das hätten die Gutachten der internationalen Kanzlei ergeben. Im Übrigen habe man mit dem Flughafenbetrieb Pulkowo überhaupt nichts zu tun - man erbringe lediglich Beratungsleistungen. Dass Fraport seinen Aktionären noch 2016 mitteilte, man sei der "Hauptbetreiber" des Flughafens, will Fraport lediglich als einen technischen Begriff verstanden wissen.
Tatsächlich? Die "Pandora Papers" zeigen: Der Konzern hat ein sogenanntes "Operator Agreement" also eine Betriebsvereinbarung und eine "Vereinbarung zur technischen Unterstützung" mit NCG abgeschlossen. Vertraglich wurde auch vereinbart, dass Fraport den Finanzchef des Flughafens und den Leiter des operativen Geschäfts für die NCG jeweils nominiert. Fast alle haben vorher bei Fraport gearbeitet. Und obwohl diese Manager dann Angestellte der NCG sind, findet sich in den Dokumenten ein Vermerk darüber, dass ein Teil des Bonus weiterhin von Fraport bezahlt werden soll, was Fraport allerdings bestreitet. Gemäß eigener Unterlagen stimme das nicht.
Auch wenn keine direkten Regelverstöße gegen Sanktionen vorlägen, sieht Mark Pieth das Engagement von Fraport in St. Petersburg kritisch: "Ich denke, dass man gegen den Geist der Sanktionen verstößt." Das werfe die Frage auf, ob die Sanktionen zu weich seien, wenn man sie so leicht umgehen könne. Problematisch sei das vor allem für ein Unternehmen, das mehrheitlich der öffentlichen Hand gehört.
Opposition sieht Ruf des Landes gefährdet
Die Oppositionsführerin der SPD in Hessen, Nancy Faeser, kritisiert: "Wenn die Vorwürfe zutreffen, gefährden diese Praktiken den Ruf des Unternehmens und des Landes. Ich erwarte von Finanzminister Boddenberg, dass er die Vorwürfe umgehend und vor allem restlos ausräumt."
Aus Hessen heißt es lediglich, der hessische Finanzminister Michael Boddenberg werde als Aufsichtsratsvorsitzender der Fraport AG regelmäßig vom Vorstand der Fraport über wesentliche Entwicklungen in den internationalen Beteiligungen unterrichtet. "Die Befassung mit der von Ihnen angesprochenen Thematik hat keine besonderen Erkenntnisse ergeben."
Die Stadtwerke Frankfurt, der zweite öffentliche Anteilseigner der Fraport AG, verweist darauf, dass Aufsichtsratssitzungen grundsätzlich nichtöffentlich seien. Deshalb werde man sich nicht dazu äußern, "ob und in welchem Umfang bestimmte Themen in einzelnen Sitzungen Gegenstand von Tagesordnung oder Debatte waren".