Deutsche Gaming-Szene vergibt Preis Eine ernsthafte Spielnische
Die deutsche Computerspielbranche ehrt die besten Entwicklungen des vergangenen Jahres. Die Gaming-Szene wächst, spielt aber auf dem Weltmarkt bislang kaum eine Rolle. Besuch bei einer erfolgreichen Nischen-Firma.
Frank Schwarz ist ein schwer beschäftigter Mann. Tagsüber im Ministerium muss er sich die Karriereleiter empor intrigieren, abends seine Nachbarn bespitzeln. Auf den ersten Blick also kein sonderlich sympathischer Charakter - dennoch ist er die Hauptfigur des Computerspiels "Beholder 3". Frank lebt in einem totalitären Staat. Entscheidungen zwischen Richtig und Falsch, Gut und Böse trifft er im Minutentakt - und mit ihm die Spieler, die ihn steuern.
Ungewöhnliche Spiele mit ernstem Hintergrund
"Beholder 3" stammt aus Deutschland. Das erst rund fünf Jahre alte Unternehmen Paintbucket Games hat es im Eiltempo entwickelt. Die Geschäftsführer Jörg Friedrich und Sebastian Schulz haben einen recht rasanten Aufstieg hingelegt. Das einstige Zwei-Mann-Start-up beschäftigt mittlerweile zwölf Leute. Ungewöhnliche Spiele mit politischem Hintergrund sind ihr Markenkern.
In einem Co-Working-Loft in Berlin-Mitte erklären die Chefs die Idee hinter "Beholder 3". Friedrich sagt: "Wir wollten das Dilemma in einem totalitären System zeigen. Dass es dort eben kein einfaches 'Richtiges Leben im Falschen' gibt." Schulz erklärt, warum sie den Spielern zumuten, in eine Figur wie Frank zu schlüpfen: "Uns geht es nicht darum, zu sagen: 'Du bist jetzt der Gute'. Unsere Frage ist immer: 'Wie würdest du dich verhalten?'" Mit einem Lachen fügt er hinzu: "Bei 'Beholder' ist das Perfide, dass man zunächst Punkte kriegt, wenn man Böses tut."
Sebastian Schulz (Mitte) und Jörg Friedrich (rechts) entwickeln am liebsten Spiele, die sie selber auch spannend finden. Für "Beholder 3" haben sie den Deutschen Computerspielpreis in der Kategorie "Serious Game" erhalten.
Erfolg in der Nische
Paintbucket schreibt eine Erfolgsgeschichte. Und die Spieleentwickler bedienen eine Nische: "Beholder 3" ist das, was in der Branche "Serious Game" genannt wird, also in etwa "ernsthaftes Spiel". In dieser Kategorie erhalten die Entwickler auch den Deutschen Computerspielpreis. Felix Falk, der Chef des Branchenverbands "Game", hält von dem Begriff allerdings nicht allzu viel: "Serious Game oder nicht Serious Game - die Schublade ist oft gar nicht sinnvoll. Das beste Serious Game ist eines, dem man das Bildungsziel gar nicht anmerkt, sondern das einfach Spaß macht."
"Beholder 3" verkauft sich gut, auch im Ausland, besonders in Osteuropa. Dennoch rangieren Titel aus Deutschland international betrachtet unter "ferner liefen". Weniger als ein Prozent des weltweiten Umsatzes mit Computerspielen machen deutsche Produktionen aus, und selbst im Inland dominieren ausländische Spiel den Markt. "Unter fünf Prozent des Umsatzes in Deutschland gehen an Entwickelnde aus Deutschland", sagt Falk.
Deutschland als Leitmarkt?
Das soll sich ändern. Die Bundesregierung hat sich das Ziel gesetzt, Deutschland zum "Leitmarkt" auszubauen. Bis dahin ist es ein sehr weiter Weg. USA, China, Großbritannien und Kanada sind Giganten im Vergleich. Der Computerspielpreis, insgesamt mit 800.000 Euro dotiert und komplett von der Bundesregierung bezahlt, soll Anreize für heimische Studios schaffen. Außerdem gibt es Anschubfinanzierungen für Entwicklungen.
Und die Branche wächst. "26 Prozent mehr Studios, zwölf Prozent mehr Mitarbeiter in den vergangenen zwei Jahren. Mehr Spiele werden entwickelt, und auch die Entwicklungs-Budgets werden größer", rechnet Falk vor. Gerade erst ist die Boom-Branche Opfer ihres eigenen Erfolgs geworden: Die Fördertöpfe für 2023 und 2024 sind bereits ausgeschöpft. Und die Rahmenbedingungen sind weniger gut als in anderen Ländern.
Falk hofft daher auf ein politisches Signal: "Auf dem Weltmarkt wettbewerbsfähig wird Deutschland erst, wenn Steuererleichterungen da sind. Denn erst mit denen haben wir vergleichbare Wettbewerbsbedingungen." Bis zu 30 Prozent teurer sei die Entwicklung in Deutschland als in Großbritannien oder Kanada.
Marktanteile durch Massenware
Im Moment sind Preisgelder in fünfstelliger Höhe, wie die Entwickler von Paintbucket Games erhalten, sogar noch ein echter Wirtschaftsfaktor im Jahresbudget. Wenn Deutschlands Entwickler mittel- oder langfristig aber mit den Großen mitspielen wollen, dürfte das nur über deutlich höhere Investitionen gehen - und über Mainstream-Spiele.
Die beiden Gründer des Berliner Unternehmens reizt das aber nicht sonderlich. Natürlich sei Erfolg gut, aber das nachzumachen, was andere bereits erfolgreich herausgebracht haben, sei nicht ihr Ding. Friedrich und Schulz haben vor ihrer Firmengründung auch an massentauglichen, konventionellen Spielen gearbeitet - bis es ihnen reichte. Friedrich fasst die Erfahrung so zusammen: "Irgendwann habe ich gedacht: 'bitte nicht schon wieder Space und Aliens und Orks und Zombies'." Daraufhin gründeten die beiden ihr eigenes Unternehmen - und entwickeln Spiele, die sie auch selbst spannend finden.