Zeiss und ASML Wo Europa mit Hightech punkten kann
Zeiss aus Deutschland und und ASML aus den Niederlanden spielen eine wichtige Rolle in der globalen Chipherstellung. Die Spannungen zwischen der EU und China sind für beide Konzerne zweischneidig.
Am Zeiss-Stammsitz auf der Schwäbischen Alb klafft ein gewaltiges Loch. Oben heben Kräne Betonteile in die Luft, unten wird ein derart dickes Fundament gegossen, das sogar Schwingungen durch kleine Erdbeben neutralisieren soll. Hier werden demnächst die modernsten und präzisesten Optiken für die Chipproduktion hergestellt, bei denen Zeiss Weltmarktführer ist.
Neben der Baustelle steht ein gläsernes, würfelförmiges Gebäude: die Zentrale von Zeiss SMT - der Halbleitersparte des Konzerns aus Oberkochen. Sie trug maßgeblich dazu bei, dass der Gesamtkonzern seinen Umsatz zuletzt um 15 Prozent steigern konnte und erstmals in seiner Geschichte bei mehr als zehn Milliarden Euro liegt.
Mitarbeiterzahl in sieben Jahren verdreifacht
Dementsprechend gut gelaunt wirkt Peter Kürz, der Leiter des Bereichs "High-NA-EUV". Hinter dem Kürzel verbirgt sich die modernste Technologie von Optiken, ohne die kein Konzern der Erde Mikrochips der neuesten Generation herstellen könnte. "Wir haben die Anzahl unserer Mitarbeitenden den letzten sieben Jahren mehr als verdreifacht. Wir erleben ein starkes Wachstum."
Kürz ist anzumerken, wie stolz er auf Zeiss' neueste Errungenschaft ist: die High-NA-EUV-Technologie. Sie ist das Ergebnis von mehr als 25 Jahren Forschung, Investitionen in Milliardenhöhe und rund 2.000 Patentanmeldungen. Dahinter steckt ein höchst komplexes optisches System aus Glas, Metall und Spiegeln - 18 Tonnen schwer und bestehend aus 65.000 Einzelteilen. "Wir machen Hightech und Handwerkskunst", erklärt Kürz schmunzelnd.
Hochpräzise Fertigung
In den Produktionshallen drehen sich Glaskeramikblöcke. Sie werden von Robotern mit atomarer Präzision poliert - in einem extrem langwierigen Verfahren. Kern der Zeiss-Optik sind Spiegel, die "50.000 Mal präziser gefertigt sind als gewöhnliche". Diese lenken einen speziellen Laserstrahl mit extremer Genauigkeit auf eine Siliziumscheibe, worauf kleinste Schaltkreise entstehen - die Halbleiter-Mikrochips.
Das Besondere ist, dass durch einen Hochleistungs-CO2-Laser und ein spezielles Verfahren ein extrem präzises, ultraviolettes Licht erzeugt wird. Dadurch sind die wichtigen Halbleiter-Strukturen auf dem fertigen Mikrochip am Ende nur wenige Nanometer groß. Zum Vergleich: Ein menschliches Haar ist 50.000 Nanometer dick.
Gigantische Nachfrage in der Industrie
Die so hergestellten immer kleineren Halbleiter ermöglichen immer leistungsfähigere Computerchips. Während ein Chip im Jahr 1970 noch 1.000 Transistoren besaß, kommt der eines Smartphones heute bereits auf mehr als 57 Milliarden Transistoren. Peter Kürz hält dafür ein Handy hoch, bei dem der eingebaute Chip erkennbar ist. "Wir sorgen mit unserer Technik dafür, dass Chips von der Größe eines Fingernagels zukünftig viel leistungsfähiger werden."
Die Nachfrage danach in der Industrie ist gigantisch, denn für Trends wie künstliche Intelligenz, autonomes Fahren und das Internet der Dinge sind Hightech-Unternehmen weltweit angewiesen auf deutlich leistungsfähigere Mikro-Prozessoren. Die Maschinen dafür stellt der strategische Partner von Zeiss her: der niederländische Konzern ASML.
Die Firma aus Veldhoven stellt EUV-Lithographie-Maschinen her, in denen die Zeiss-Optiken verbaut sind. Diese Maschinen sind so groß wie ein Doppeldecker-Bus und kosten mehr als 350 Millionen Euro. Darin werden die Mikrochips gedruckt, die alle wichtigen Chipkonzerne der Welt - Intel, Nvidia oder TSMC - für ihre Produktion benötigen.
Exportstopp nach China
Die erste Maschine der neuesten Chip-Generation mit der High-NA-EUV-Technologie von Zeiss wurde Ende 2023 an Intel in die USA ausgeliefert. China dürfen die Europäer hingegen damit nicht mehr beliefern. Auf Druck der US-Regierung und der EU-Kommission wurde Anfang 2024 ein Exportstopp verhängt. Beobachter sprechen bereits von einem Chipkrieg.
Aus Sicht der Vorsitzenden der Wirtschaftsweisen, Innovationsökonomin Monika Schnitzer von der LMU München, geht es darum, "Europa weniger abhängig von China zu machen". Es sei keine rein wirtschaftliche, sondern viel mehr eine strategische Entscheidung: "Wir wollen uns nicht von einem Land abhängig machen, mit dem wir möglicherweise in ein paar Jahren in deutlichen politischen Konflikten stecken."
Im 19. Stock der Zentrale von ASML in Veldhoven steht Roger Dassen, der Finanzvorstand von ASML, vor einem riesigen Fenster, hinter dem - neben Produktionshallen - ebenfalls zahlreiche Kräne an neuen Hallen bauen. Der Exportstopp nach China sei wirtschaftlich zu verkraften, glaubt er.
Fachkräftemangel als größte Herausforderung
Dennoch sieht Dassen die Maßnahme auch kritisch: "Wenn wir wirklich ein Land in die Ecke stellen und es nicht mehr beliefern, gibt man diesem Land keine andere Wahl, als dafür zu sorgen, dass sie es selber erfinden." Auch wenn das mindestens zehn Jahre dauern dürfte.
Denn ASML und Zeiss hatten früh in die neue Technologie investiert und die Forschung vorangetrieben - seit 1997 als exklusive strategische Partner. Bei ASML nennt man es eine "Ehe, die man nicht scheiden kann" - so wichtig sei die Kooperation zwischen Veldhoven und Oberkochen.
Die derzeit größte Herausforderung ist für ASML wie für Zeiss eine andere: Beide Unternehmen finden nicht genügend Fachkräfte, um das Wachstum und die Nachfrage nach ihrer Technologie bewältigen zu können, klagt Peter Kürz. "Wir benötigen auch Arbeitskräfte aus dem Ausland: zum Beispiel Softwareentwickler, Ingenieure und Mechatroniker." Allein bei Zeiss in Oberkochen seien derzeit 400 Stellen offen.