Tierschutz Weniger Brütereien seit Kükentötungsverbot
50 Millionen Hennen legen in Deutschland Eier. Aber woher kommen die Tiere? Seit dem Verbot, männliche Küken zu töten, haben viele Brütereien schließen müssen. Die Branche fordert eine EU-weite Lösung.
Etwa 1,5 Millionen Küken - künftige Legehennen und ihre Brüder - schlüpfen jedes Jahr in der Brüterei von Werner Hockenberger in Eppingen in Baden-Württemberg. Es sind ausschließlich Tiere für Biobetriebe, die männlichen Küken werden als sogenannte Bruderhähne aufgezogen.
Im Unterschied zu anderen kleinen Brütereien war das Verbot des Kükentötens für ihn kein allzu großes Problem. Nur ein kleiner Teil der männlichen Küken in seinem Betrieb wurde früher getötet und ging als Tierfutter zum Beispiel an Greifvogelstationen. Der Rest der Hähne wurde immer schon bis zur Schlachtung aufgezogen.
Viele Brütereien mussten schließen
Für viele andere Brütereien kam mit dem Verbot des Kükentötens 2022 das Aus: Für sie kam das Bruderhahn-Modell nicht infrage. Und die Alternative - die Geschlechtsbestimmung im Ei - war zu teuer. Waren vorher noch rund 22 Brütereien Mitglied im Verband der Deutschen Geflügelwirtschaft, sind es jetzt nur noch acht, erklärt Geschäftsführer Wolfgang Schleicher.
Er kritisiert, dass durch das Gesetz Strukturen zerstört wurden. Die Politik hätte sich vorher mehr Gedanken machen müssen über die Auswirkungen auf kleinere und mittlere Unternehmen. "Es war Politik mit der Brechstange", so Schleicher. Da es das Verbot des Kükentötens in dieser Form nur in Deutschland gibt, entstehe auch ein Wettbewerbsnachteil.
Vermehrt Legehennen aus dem Ausland
Auch Brüterei-Besitzer Hockenberger findet das Gesetz handwerklich schlecht gemacht. Vor allem weil nach wie vor Legehennen, deren Brüder getötet wurden, auf den deutschen Markt kommen. Das ist im europäischen Binnenmarkt völlig legal, führt aber dazu, dass sich zum Beispiel kleinere Direktvermarkter günstigere Legehennen aus den Niederlanden, Frankreich oder Italien holen.
Was legal möglich und lukrativ sei, werde auch gemacht, so die Erfahrung Hockenbergers. Geflügel-Verbandschef Schleicher bestätigt, dass der Import von Junghennen zugenommen hat. Er geht von etwa zehn Millionen Legehennen aus, die nach Deutschland importiert werden, und bei denen unklar ist, ob ihre Brüder als Küken getötet wurden.
Europaweit einheitliche Regelung nicht in Sicht
Einig sind sich beide deshalb in der Forderung nach einer europaweit einheitlichen Regelung, doch die ist bisher nicht in Sicht. Auch die Verbraucherorganisation Foodwatch kritisiert das Gesetz zum Kükentöten: Es habe kaum Verbesserungen für den Tierschutz gebracht. Foodwatch fordert deshalb ein EU-weites Kükentötungsverbot, um einen "echten Systemumbau" zu erreichen: Weg von den spezialisierten Turbo-Rassen, die entweder viele und große Eier legen oder schnell Fleisch ansetzen, hin zu sogenannten Zweinutzungshühnern.
Tiere, die sowohl ausreichend Eier legen als auch Fleisch für die Mast ansetzen, seien darüber hinaus robuster und weniger anfällig für Knochenbrüche und Krankheiten. Ihr Marktanteil liegt nach Angaben des Verbands der Deutschen Geflügelwirtschaft aktuell aber nur bei ein bis zwei Prozent. Denn Eier und Fleisch sind teurer, wenn die Henne etwas weniger Eier legt und der Gockel etwas weniger Fleisch ansetzt. Das Zweinutzungshuhn ist deshalb ein Nischenprodukt.
Bayerische Brüterei setzt nur noch auf Masthähnchen
Zweinutzungshühner waren früher eigentlich die Regel - bevor es die hochspezialisierten Züchtungen gab: Als die Eltern von Christoph Schopf aus Velden in Niederbayern vor über 60 Jahren mit der Brüterei angefangen haben, gab es noch keinen Unterschied zwischen Masthähnchen und Legehennen. Sie hielten einfach Hühner - für Fleisch und Eier. Inzwischen schlüpfen auf dem Betrieb nur noch Masthähnchen, die schnell Fleisch ansetzen.
Küken von Legehennen werden nicht mehr ausgebrütet - die kaufen die Schopfs inzwischen in Österreich und Ungarn und ziehen sie dann auf. In Österreich ist es nach wie vor erlaubt, Küken zu töten - wenn es für sie eine Verwendung als Futterküken gibt. So hätten auch die Schopfs gerne weitergemacht. Denn sie hatten tatsächlich gute Abnehmer für die getöteten männlichen Küken: Raubvogelzüchter holten die Tiere im Betrieb ab, berichtet Senior Paul Schopf. Inzwischen müssen seine ehemaligen Kunden, aber auch Tierparks Futterküken aus dem Ausland kaufen.
Bruderhähne aufziehen - auch keine perfekte Lösung?
Etwas weiterverbreitet als Zweinutzungshühner sind die Bruderhähne. Ein Viertel der Brütereien im Verband der Deutschen Geflügelwirtschaft hat diesen Weg gewählt nach dem Verbot des Kükentötens. Drei Viertel bestimmen das Geschlecht schon im Ei und sortieren die Eier mit den männlichen Tieren aus. Für Brüterei-Chef Hockenberger aus Baden-Württemberg wäre das keine Option gewesen: Er wolle keine neun Tage alten Embryos von männlichen Küken töten und entsorgen. Die männlichen Küken aus seiner Brüterei gehen an Bio-Betriebe in Deutschland und einen Partnerbetrieb in Österreich.
Die Aufzucht eines Bruderhahns kostet etwa 6,50 Euro, so Hockenberger. Das muss die Legehenne - sprich der Eierpreis - quasi mitfinanzieren. Aber auch an diesem System gibt es Kritik: Denn die Brüder der Legehennen legen kaum Fleisch zu, das Produkt sei am Markt nicht gefragt und auch nicht nachhaltig, so der Verband der Deutschen Geflügelwirtschaft. Oft würden die Tiere im Ausland aufgezogen und das Fleisch in Drittstaaten exportiert.
Augen auf beim Eier-Kauf - Logo "ohne Kükentötung"
Wer beim Eier-Kauf sichergehen will, dass die Brüder der Legehennen nicht getötet werden, kann sich auf die Kennzeichnung im Lebensmitteleinzelhandel verlassen. Wer beim Direktvermarkter Eier holt, sollte im Zweifelsfall nachfragen. Und wer noch mehr wissen will über sein Ei kann auf der Internetseite von KAT, dem Verein für kontrollierte alternative Tierhaltungsformen e.V., nachschauen, ob und mit welcher Methode das Kükentöten verhindert wurde.