Auktionshaus als Krisenbarometer Ein Hof voller Bagger aus Insolvenzen
Hohe Energiepreise, Bürokratie und Fachkräftemangel machen vielen Unternehmen zu schaffen. Das merken auch Auktionshäuser: Zu Auktionator Philippi in Moschheim kommen derzeit besonders viele Firmen, die aufgeben.
"Das sieht alles gut aus. Es kann losgehen", sagt Jürgen Philippi. Er ist am frühen Morgen noch mal mit prüfendem Blick auf dem weitläufigen Hof seines Betriebs unterwegs. Dort stehen Bagger, Pkw, Laster und jede Menge unterschiedliche Bauutensilien wie Rüttelstampfer, Auffahrrampen oder Palettenhubwagen. Philippi ist Auktionator im rheinland-pfälzischen Moschheim. Heute steht eine Versteigerung an. Viele Waren aus Insolvenzen kommen unter den Hammer.
"Wir haben heute knapp 700 Objekte. Das ist sehr viel. Normalerweise haben wir um die 500. Ich schätze den Gesamtwert auf rund 600.000 Euro", erklärt der 57-Jährige. "Die Wirtschaftskrise schlägt hier jetzt bei mir richtig auf. Immer mehr Firmen müssen aufgeben. Andere wollen nicht mehr weitermachen. Noch gestern hat ein Kunde zu mir gesagt: 'Bitte versteigere meinen Betrieb. Ich kriege das Geld nicht wieder rein, die Kosten sind zu hoch, und Mitarbeiter fehlen mir auch.'"
Philippi betreibt auch ein Pfandhaus. Hierher kämen immer mehr Menschen, weil sie ihr Alltagsleben nicht mehr finanzieren könnten. "Vor wenigen Tagen war ein Herr da. Der brauchte 200 Euro für Sprit, damit er auf die Arbeit kommt. Das gab es früher nicht", erklärt Philippi mit besorgtem Blick.
Gemälde, Teppiche - und ein Schiff
In einer Halle lagern weitere Wertgegenstände: Gemälde, Teppiche, Uhren oder auch Fahrräder. "Diese Sachen kommen nicht aus Insolvenzen oder Geschäftsausgaben. Das sind meist Nachlässe, bei denen die Angehörigen das Erbe ausschlagen oder nicht ermittelbar sind. Am Ende des Tages versteigern wir alles, was geht. Aber die Qualität muss stimmen. Wir haben auch schon ein Rheinschiff versteigert", erzählt der Auktionator und lacht.
"Ich mache mir große Sorgen". Auktionator Jürgen Philippi bei einer Versteigerung.
Zwei Stunden vor der Versteigerung kommen die ersten Interessenten auf den Hof des Auktionshauses. Es sind vor allem Unternehmer aus der Baubranche - so wie Stefan Papistella. Er ist am Morgen aus Bamberg angereist. Papistella ist Stammkunde bei Philippi. "Ich kaufe auch Neuware, aber in den neuen Maschinen steckt zu viel Elektronik. Die gehen zu oft kaputt. Deshalb schaue ich hier nach guten, gebrauchten Sachen. Die laufen auch Jahrzehnte oftmals ohne ein Problem", erklärt er.
"Alle sind vorsichtig geworden"
Papistella schaut über den Hof und auf die übrigen Interessenten. Etwa 250 Kunden sind inzwischen da. "Im Frühjahr waren es viel mehr. Alle sind vorsichtig geworden. Wer jetzt verkaufen muss, hat ganz schlechte Karten. Die Wirtschaft schmiert ab."
Die Beobachtungen der Unternehmer Papistella und Philippi werden durch den bundesweiten Trend bestätigt. In Deutschland nimmt die Zahl der Firmenpleiten zu. Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes stellten im Juni 13,9 Prozent mehr Unternehmen ein Regelinsolvenzverfahren als noch im Vorjahresmonat. Seit August vergangenen Jahres legt die Zahl stetig zu.
Fachleuten zufolge handelt es sich auch um Nachholeffekte. Staatliche Hilfen sowie die wegen Corona ausgesetzten Insolvenzantragspflichten hatten in den vergangenen Jahren nur sehr wenige Firmenpleiten zur Folge. Jetzt stehen die Rückzahlungen der staatlichen Hilfsgelder an, was manche Firmen in Schwierigkeiten bringt.
Firmen stehen unter Druck
Gleichzeitig steckt die deutsche Wirtschaft in einer Rezession. Das Bruttoinlandsprodukt ist zuletzt zwei Mal in Folge geschrumpft. Die Aussichten sind schlecht: Für das Gesamtjahr erwarten führende Institute eine sinkende Wirtschaftsleistung. Außerdem sind noch die Zinsen gestiegen, was eine Erholung zusätzlich lähmt. Die Europäische Zentralbank (EZB) will so Inflation bekämpfen. Außerdem hat zuletzt die Inflation wieder zugelegt. Im Juni stiegen die Verbraucherpreise auf 6,4 Prozent.
Auch Unternehmen macht das zunehmend zu schaffen. "Die enormen Kostenbelastungen durch zu hohe Energie- und Materialpreise zeigen Wirkung. Nach Jahren sinkender Insolvenzzahlen hat sich der Trend gedreht", erklärt der Leiter der Creditreform Wirtschaftsforschung, Patrik-Ludwig Hantzsch.
Zähe Auktion
In Moschheim ist die Versteigerung bei Auktionator Philippi angelaufen. Für viele Kunstgegenstände wie Gemälde oder Teppiche gibt es keine Gebote. Nach anderthalb Stunden gibt es eine Pause. Philippi kann mal durchatmen und zieht eine erste Zwischenbilanz. "Wir merken es deutlich: Es ist weniger Kundschaft da, und sie ist sehr zurückhaltend mit ihrem Geld. Wir wussten, dass es weniger wird, aber dass es so ist, das ist für uns überraschend."
Dann geht es weiter. Insgesamt läuft die Auktion eher zäh. Einige Mini-Bagger finden keinen neuen Besitzer. Philipp setzt darauf, sie in den kommenden Tagen noch zu verkaufen. Nach dreieinhalb Stunden und 674 Positionen ist die Versteigerung beendet. Insgesamt ist der Auktionator mit dem Gesamtergebnis zufrieden. Die meisten Großteile sind versteigert.
Verschiedene Geräte und Maschinen warten auf dem Hof des Auktionshauses auf Käufer.
"Wir erwarten schlechte Zeiten"
Dennoch ist Philippi nachdenklich: "Die Radlager oder die Bagger, die wir heute versteigert haben, die wären uns vor einem halben Jahr aus den Händen gerissen worden. Diese Zurückhaltung zeigt, was da draußen in vielen Betrieben los ist. Wir erwarten schlechte Zeiten."
Seinen nächsten Versteigerungstermin hat Philippi Anfang September in Hamburg. Dann will er hochwertige Küchenstudios versteigern. "Früher war das eine sichere Sache. Aber jetzt? Unsere Branche war auch immer ein Seismograf für den Zustand der Wirtschaft. Ich mache mir große Sorgen."