Impfstoffhersteller gefragt Affenpocken werden zum Börsenthema
In einer durch Corona sensibilisierten Welt wird auch die seltene Affenpocken-Erkrankung zum Thema, nicht zuletzt an der Börse. Aber diese neigt bekanntlich zu Übertreibungen.
Es ist eine seltene Erkrankung ohne epidemisches Potenzial, doch in einer durch die Corona-Pandemie sensibilisierten Öffentlichkeit ist sie seit ein paar Tagen in aller Munde. Laut der Weltgesundheitsorganisation WHO wurden zuletzt rund 250 Fälle von Affenpocken gemeldet - weltweit.
Dänisch-deutsche Firma profitiert als Erste
Auch an der Börse, wo in den vergangenen Jahren Impfstoffhersteller zu den großen Gewinnern zählten, ist das Thema angekommen. Schon in der vergangenen Woche machte Bavarian Nordic Furore. Der dänisch-deutsche Impfstoffhersteller mit Sitz in Kopenhagen teilte am Donnerstag mit, dass er einen Liefervertrag mit einem nicht näher genannten europäischen Staat für seinen Pockenimpfstoff abgeschlossen habe. Die Aktie schoss daraufhin um fast 60 Prozent in die Höhe.
Das Vakzin mit dem Markennamen Imvanex sei bislang in Europa für die Anwendung gegen klassische Pocken zugelassen, aber bereits zuvor für Affenpocken-Fälle bereitgestellt worden, so das Unternehmen. Einen Tag zuvor hatte die US-Gesundheitsbehörde im Rahmen eines längerfristigen Vertrags Millionen Dosen des Impfstoffs für die Jahre 2023 und 2024 bestellt. In den USA ist das dort Jynneos genannte Präparat gegen Affenpocken zugelassen. Da sich die Viren ähneln, sollen moderne Pockenimpfstoffe auch gegen Affenpocken zu 85 Prozent wirksam sein.
Klassischer Pockenimpfstoff wird weiterhin produziert
Der zweite bedeutende Hersteller eines Pockenimpfstoffs ist Sanofi mit seinem in den USA entwickelten Präparat ACAM2000. Auch die Aktie des französischen Pharmariesen konnte in den vergangenen Tagen deutlich zulegen.
Der amerikanische Impfstoffhersteller Moderna teilte heute mit, er teste "auf vorklinischer Ebene" mögliche Impfstoffkandidaten gegen das Affenpocken-Virus. Weitere große Anbieter dürften folgen.
Die klassischen Pocken gelten eigentlich schon seit 1980 als ausgerottet. Sie sind die einzige Viruskrankheit, die dank jahrzehntelanger Impfkampagnen besiegt werden konnte. Dennoch haben sich einige Staaten insbesondere in den 2000er Jahren Notreserven des klassischen Pockenimpfstoffs gesichert, um der Gefahr biologischer Angriffe mit dem Virus oder einer genmanipulierten Variante zu begegnen.
Die vereinzelten Hersteller des klassischen Impfstoffs stehen also nun im Fokus, wenn es um den Kampf gegen die Affenpocken geht. Die USA bereiten sich darauf vor, in größerem Umfang gegen das Virus zu impfen. Der Vorsitzende des Weltärztebundes, Frank Ulrich Montgomery, plädierte dafür, vor allem jüngeren Generationen, die nicht mehr die Pockenimpfung erhalten haben, ein Impfangebot zu machen.
Börse neigt zu Übertreibungen
In diesem Anwendungsfeld, in dem vor allem kleine Anbieter tätig sind, neigt die Börse - wohl auch unter dem Eindruck der starken Kursreaktionen während der Corona-Pandemie - zu extremen Übertreibungen.
An der Wall Street wurde am Montag die Aktie von GeoVax Labs um ein Viertel nach oben getrieben, obwohl das Biotechunternehmen nur festgestellt hatte, dass sein noch in Phase 2 der klinischen Entwicklung stehender Covid-19-Impfstoffkandidat GEO-CM04S1 auch gegen Affenpocken wirksam sein könnte.
Aber auch die Anbieter virushemmender Präparate wurden zuletzt an der Börse verstärkt beachtet. Das US-Biotechunternehmen SIGA Technologies stellt ein Anti-Pocken-Medikament namens Tpoxx her - dafür wurde die Aktie am Montag mit einem Kursgewinn von über 40 Prozent bedacht. Auch der Anbieter des Virusmedikaments Tembexa, Emergent BioSolutions, legte in den vergangenen Handelstagen zweistellig zu.
Stückzahlen überschaubar
Heute betonte Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD), bei der jüngsten Ausbreitung der Affenpocken handele es sich nicht um den Beginn einer neuen Pandemie. Für den möglichen Fall einer weiteren Ausbreitung seien "bis zu 40.000 Dosen" Pockenimpfstoff bestellt worden, und zwar Imvanex. Es gehe darum, auf eventuell nötige Impfungen von Kontaktpersonen Infizierter vorbereitet zu sein. In Deutschland sind bisher erst fünf Fälle bekannt geworden.
Die britische Gesundheitsbehörde teilte mit, man habe seit dem vermehrten Auftreten von Affenpocken-Fällen mehr als 1000 Dosen Imvanex an Kontaktpersonen verabreicht. Weitere 3500 Dosen seien auf Lager.
Die Zahlen bleiben also im Vergleich zu den Größenordnungen bei Covid-19-Impfstoffen überschaubar. Entsprechend begrenzt sind nach heutigem Stand also auch die wirtschaftlichen Perspektiven für die Pharma- und Biotech-Branche.
Die Äußerung Lauterbachs legt nahe, dass es sich bei dem vergangene Woche von Bavarian Nordic genannten europäischen Staat um Deutschland gehandelt hat. Das Unternehmen hatte zu der Order noch mitgeteilt, sie habe keinen Einfluss auf die Jahresprognosen.