Affenpocken Ärzte warnen vor übermäßiger Sorge
Weltweit wurden laut WHO mehr als 250 Fälle von Affenpocken gemeldet - Tendenz steigend. Deutsche Ärzte sehen aber kein Risiko einer neuen Pandemie. Bundesgesundheitsminister Lauterbach will heute über Maßnahmen informieren.
Die Corona-Pandemie ist noch nicht überstanden, da breitet sich mit den Affenpocken die nächste Krankheit aus. Doch Ärzte warnen vor einer "Panikmache" - es sei kaum wahrscheinlich, dass eine neue Epidemie oder gar Pandemie drohe.
Der Vorsitzende der Deutschen Gesellschaft für Pädiatrische Infektiologie, Tobias Tenenbaum, führte im Gespräch mit der "Neuen Osnabrücker Zeitung" vor allem die unterschiedlichen Übertragungswege der Erreger an. Das Affenpocken-Virus werde nur durch "engen Körperkontakt, also über Körperflüssigkeiten oder Krusten weitergegeben und nicht durch Tröpfcheninfektion wie Niesen, Husten oder Sprechen".
Auch Thomas Fischbach, Präsident des Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ), betonte aus diesem Grund, dass die Affenpocken "weit weniger ansteckend als Corona" seien.
Kein erhöhtes Ansteckungsrisiko für Kinder
Vor allem Eltern müssten sich keine zu großen Sorgen machen. "Es ist extrem unwahrscheinlich, dass sich in der momentanen Lage in Europa Kinder mit Affenpocken anstecken", sagte Tenenbaum weiter. Bisher habe es in Europa auch keine Fälle gegeben, in denen sich das Virus innerhalb einer Familie ausgebreitet habe.
Studien aus Afrika weisen darauf hin, dass bei Kindern eine höhere Sterblichkeit nach einer Ansteckung mit den Affenpocken auftritt. Doch diese Daten können BVKJ-Präsident Fischbach zufolge wegen der schlechteren allgemeinen Gesundheitslage dort nicht direkt auf hiesige Verhältnisse übertragen werden.
Auch die Deutsche Krankenhausgesellschaft sieht nach derzeitigen Erkenntnissen kein Risiko einer Affenpocken-Pandemie. Verbandschef Gerald Saß mahnte gegenüber dem Redaktionsnetzwerk Deutschland trotzdem zur Wachsamkeit:
Corona hat uns gelehrt, sehr genau die Entwicklung weltweit zu betrachten. Denn in einer globalisierten Welt verbreiten sich nicht nur Güter schnell, sondern auch Krankheiten.
Ärzte setzen darauf, dass die in der Corona-Pandemie geltenden Schutz- und Hygienemaßnahmen auch vor Infektionen mit den Affenpocken schützen können und es leichter fällt, mögliche Kontaktpersonen von Infizierten zu erfassen.
Lauterbach will über Maßnahmen informieren
In Deutschland wurden bislang in Berlin, Bayern, Sachsen-Anhalt und Baden-Württemberg Affenpocken-Fälle gemeldet. Weltweit wurden nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) mehr als 250 bestätigte Fälle oder Verdachtsfälle aus 16 Ländern gemeldet. Diese Zahl betreffe jedoch nur Länder, in denen die Viruskrankheit zuvor nicht regelmäßig gehäuft aufgetreten sei - anders als in einigen afrikanischen Ländern. So habe es im Kongo seit Jahresbeginn bereits 1200 Verdachtsfälle gegeben.
Auch in Slowenien sei der erste Fall von Affenpocken bestätigt worden, berichtete der slowenische Nachrichtensender N1. Ein Mann habe sich infiziert, der sich vor Kurzem auf den Kanarischen Inseln aufgehalten habe. Er werde in Ljubljana stationär behandelt.
Symptome der Krankheit sind Fieber, Kopf- und Muskelschmerzen und Hautausschlag. Die Inkubationszeit kann bis zu drei Wochen betragen, daher rechnet die WHO mit weiteren Ansteckungen. Auch das Bundesgesundheitsministerium geht von weiteren Infektionen in Deutschland aus, insgesamt sei aber nur ein begrenzter Ausbruch der Affenpocken zu erwarten. Ähnlich äußerte sich Lothar Wieler, Chef des Robert Koch-Institutes (RKI). Die Gefährdung für die breite Bevölkerung sei derzeit gering.
Im Laufe des Tages will sich Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach zu möglichen Maßnahmen äußern, um eine Ausbreitung der Affenpocken möglichst zu verhindern. Dazu könnte etwa die Isolation und Quarantäne von Infizierten gehören. An der heutigen Pressekonferenz am Rande des Deutschen Ärztetages in Bremen sollen neben Lauterbach auch RKI-Chef Wieler und Ärztepräsident Klaus Reinhardt teilnehmen.
Weltärztebund für Impfangebot für gefährdete Gruppen
Der Vorstandsvorsitzende des Weltärztebundes, Frank Ulrich Montgomery, hatte sich bereits dafür ausgesprochen, vor allem jüngeren Generationen, die nicht mehr die Pockenimpfung erhalten haben, ein Impfangebot zu machen. Diese Schutzimpfung war in Westdeutschland bis 1975 Pflicht, in der DDR bis 1982.
"Wir sollten dabei in erster Linie an die aktuell besonders gefährdeten Gruppen denken - also in der Regel jüngere Männer mit vielen wechselnden Sexualkontakten." Bislang gilt vor allem für Männer, die sexuelle Kontakte mit Männern haben, ein erhöhtes Ansteckungsrisiko.
Auch Ärztepräsident Reinhardt plädierte im Interview mit dem SWR dafür, besonders gefährdete Gruppen zu impfen. Außerdem sollten Personen, die sich infiziert haben, isoliert werden.
USA bereiten Impfkampagne vor
Die USA bereiten sich schon jetzt darauf vor, in größerem Umfang gegen Affenpocken zu impfen. Laut der Gesundheitsbehörde CDC sollen vorrangig enge Kontaktpersonen von Infizierten geimpft werden, außerdem Mitarbeiter im Gesundheitswesen und Risikogruppen, darunter etwa Menschen mit einem geschwächten Immunsystem oder bestimmten Hautkrankheiten. Derzeit verfügen die USA der CDC zufolge über rund 1000 Impfdosen gegen Pocken und Affenpocken. Es sollten jedoch "sehr schnell" weitere Lieferungen von Vakzinen erfolgen.
Neben den USA stockt auch Großbritannien seine Vorräte an Impfstoff gegen Pocken auf, wie die Nachrichtenagentur AFP berichtete. Auch Bundesgesundheitsminister Lauterbach hat nach eigenen Angaben bereits Kontakt mit einem Hersteller aufgenommen, der Impfstoffe spezifisch für Affenpocken herstellt. Derzeit werde eine Impfempfehlung für besonders gefährdete Personen erwogen.
Die WHO sieht momentan aber noch keinen Anlass, massenhaft gegen Affenpocken zu impfen. Hygiene und präventives Sexualverhalten würden helfen, die Ausbreitung des Virus einzudämmen. Die wichtigsten Maßnahmen zur Bekämpfung des Ausbruchs seien die Rückverfolgung von Kontakten und die Isolierung von Infizierten.