TTIP-Dokumente im Leseraum für Abgeordnete Nicht mehr ganz so top secret
Erst war alles ganz geheim, dann bekamen EU-Abgeordnete einen Einblick - heute nun eröffnet Wirtschaftsminister Gabriel einen Leseraum für Bundestagsabgeordnete: TTIP ist nicht mehr ganz top secret. EU-Parlamentarier, die schon in den Papieren blättern durften, berichten.
Der EU-Abgeordnete Sven Giegold gehört zu einer seltenen Spezies: Als Parlamentarier darf er jenen Lesesaal in Brüssel betreten, in dem die Geheimdokumente lagern, die Auskunft über die Verhandlungen des EU-US-Freihandelsabkommens TTIP geben. Nun muss sich Giegold zwar nicht jedes Mal bis aufs Unterhemd ausziehen, bevor er den fensterlosen Saal betritt, aber strengen Sicherheitsvorschriften unterliegt er durchaus: "In dem Raum steht jemand neben Ihnen und schaut, dass man sich an die Vorschriften hält. Sonst könnte man ja ein Mobiltelefon mitnehmen, was nicht erlaubt ist, und Fotos machen."
Das sei "Lesen unter Gefängnis-Bedingungen" - kritisiert der Grünen-Abgeordnete die Umstände. Die Parlamentarier dürfen die Texte weder kopieren noch mit nach Hause nehmen. Und über den Lesestoff sprechen dürfen sie anschließend auch nicht: "Damit wird die Geheimhaltung geschützt. Das bedeutet aber, dass die wichtigsten Texte nicht transparent sind. Und man auch gegenüber den Bürgern - noch nicht mal in indirekter Rede - Transparenz herstellen kann. Und damit die wichtigen Fragen, die zu TTIP auf einen einprasseln, nicht beantworten darf."
Federführend bei den Verhandlungen des Freihandelsabkommens ist die EU-Kommission. Und die versteht die ganze Aufregung nicht: Die Mehrzahl der Dokumente sei doch längst öffentlich, stehe sogar im Internet, sagt sie. Geheim gehalten würden ja ohnehin nur jene Papiere, die sensible Informationen enthielten, die etwa Auskunft über die Verhandlungstaktik der einen oder anderen Seite geben.
"Das hätte man an die Presse geben können"
Der SPD-Abgeordnete Joachim Schuster hat für ein gewisses Maß an Geheimhaltung durchaus Verständnis: "Es ist auch bei Tarifverhandlungen nicht so, dass da Journalisten mit am Verhandlungstisch sitzen. Und da mitgeschrieben wird. Man muss am Tisch auch mal etwas erzählen dürfen, was nicht direkt in die Öffentlichkeit gelangt – so ein Verhandlungsprozess hat auch etwas mit Vertrauen zu tun.“
Schuster hat ebenfalls jenen sagenumwobenen und durch einen Zahlencode an der Tür gesicherten TTIP-Lesesaal in Brüssel betreten und sich Akteneinsicht verschafft. Es sei nur sehr begrenzt wertvoll gewesen, was er da zu lesen bekam. "Das hätte man problemlos an die Presse weitergeben können", erzählt der Parlamentarier. Der ohnehin dafür wäre, die Texte einfach an die Abgeordneten zu verschicken.
Ein bisschen mehr Licht
Was er der EU-Kommission vorwirft, ist, dass sie zu Beginn der Gespräche mit den USA noch nicht mal zu verraten bereit gewesen sei, mit welchem Ziel, mit welcher Position sie in die Verhandlungen gehe: "Das geht überhaupt nicht! Natürlich muss die Bevölkerung in einer Demokratie wissen, was ihre Regierungen beabsichtigen zu verhandeln."
Von der anfänglichen Geheimniskrämerei habe sich das Projekt namens TTIP immer noch nicht erholt, geben selbst absolute Befürworter des Transatlantik-Abkommens zu. Dass nun Abgeordnete der nationalen Parlamente jene Schriftstücke begutachten können, die unter Verschluss sind, wird einhellig begrüßt.
Auch bei der EU scheint man verstanden zu haben, dass es Akten durchaus gut tun kann, von ein bisschen mehr Licht beschienen zu werden. Während sich aber die einen nun freuen über die späte, aber richtige Einsicht, bemängeln Kritiker: Genug Offenheit gebe es noch lange nicht.