Interview mit dem Krisenberater Höbel "Die Telekom steht mit dem Rücken zur Wand"
Die Telekom ist mit der aktuellen Bespitzelungsaffäre wieder einmal in den Schlagzeilen. Eine weitere kritische Situation für das Unternehmen nach Aktienabsturz, Massenentlassungen und zahlreichen Servicepannen. Der renommierte Berater Peter Höbel ist Spezialist für Krisenkommunikation. Er erklärt im Interview mit tagesschau.de wie die Telekom reagieren müsste und hinterfragt gleichzeitig auch das Verhalten der Medien.
tagesschau.de: Hat die Telekom in der momentanen Krise richtig reagiert?
Höbel: Nicht wirklich. Wir kennen das aus vielen Krisenfällen. Die Wahrheit kommt scheibchenweise ans Licht. Das kann im Detail natürlich auch mal daran liegen, dass die betroffenen Unternehmen erst einmal intern recherchieren müssen. Wenn im Zuge von Ermittlungen weitere Details bekannt werden, liegt das in der Natur der Sache. Es spricht aber auch einiges dafür, dass die Verantwortlichen mal wieder hofften, dass ihre Sünden nicht bekannt werden. Und das ist der falsche Weg. Richtig ist es, so schnell wie möglich Tabula rasa zu machen, die Lehren aus den Fehlern zu ziehen und möglichst dafür zu sorgen, dass vergleichbare Vorgänge in Zukunft nicht mehr stattfinden können. Ansonsten droht ein dauerhafter und teurer Imageverlust.
tagesschau.de: Sie fordern also Transparenz?
Höbel: Zur Bewältigung der akuten Krise unbedingt! Wichtig ist hier eine schnelle, offene, ehrliche - und ja - transparente Kommunikation. Das bleibt aber solange eine leere Worthülse, bis nicht von der Führung bis zum kleinsten Mitarbeiter die Offenheit und Transparenz auch gelebt wird.
In der aktuellen Diskussion müssen wir außerdem zweierlei auseinander halten: Gelebte Transparenz heißt, die interne und externe Öffentlichkeit soweit es geht mit einzubeziehen. Dagegen ist das Weitergeben von Betriebsgeheimnissen oder das Instrumentalisieren von Staatsanwaltschaften und Medien für Machtkämpfe ganz klar falsch verstandene Transparenz. Noch deutlicher gesagt: Diese Art "Transparenz" ist ebenso wenig zu entschuldigen wie die Bespitzelung Dritter.
Peter Höbel berät Unternehmen, Organisationen und Institutionen in der Krisen-PR. Er beschäftigt sich seit mehr als 25 Jahren mit den kommunikativen Aspekten von Krisen und ist Lehrbeauftragter der Universität Leipzig.
tagesschau.de: Telekom-Chef Obermann weiß seit einem Jahr von den Bespitzelungen. Hätte er früher reagieren müssen?
Höbel: Wer wann was und wie viel wusste und wollte scheint mir momentan noch ziemlich undurchsichtig. Zunächst ist es das legitime Interesse eines jedes Unternehmens, Vertrauliches auch vertraulich zu behalten. Insofern muss man Motive und Entwicklungen ausreichend differenziert betrachten. Das passiert in der derzeitigen Berichterstattung nicht immer, denn hier sind Journalisten direkt betroffen, sind Partei und urteilen in eigener Sache. Deswegen kann sich die Telekom momentan zur Schadensbegrenzung ohnehin mühen soviel sie will: Sie steht mit dem Rücken zur Wand und hat zumindest kurzfristig schlechte Karten in der Öffentlichkeit.
tagesschau.de: Sie kritisieren die Medien?
Höbel: Wenn aus Unternehmen hochvertrauliche, wettbewerbsrelevante Planungen an die Medien gespielt werden, dann müssen sie sich die beteiligten Journalisten zumindest fragen lassen, ob sie sich nicht ihrerseits im Kampf um Quote und Auflage instrumentalisieren lassen. Ethische Fragen sind eine Gratwanderung - auf beiden Seiten.
tagesschau.de: Was sollte ein Unternehmen bei einem Informationsleck tun?
Höbel: Ich empfehle im Regelfall Kommunikationsprobleme durch Kommunikation zu lösen. Sicherheitsleute denken und funktionieren in solchen Fällen nun mal anders und richten erfahrungsgemäß mehr Schaden als Nutzen an.
tagesschau.de: Entwickelt sich eine neue Bespitzelungskultur in den Unternehmen?
Höbel: Nein. Indiskretionen hat es schon immer gegeben und den Versuch von Gegenmaßnahmen auch. Aber in der Tat ist festzustellen, dass mit zunehmend härteren Bandagen gefochten wird. Und vielleicht reizen die neuen Technologien zum Ge- und Missbrauch. Bei Lidl ist der Einsatz von Minikameras eben erst möglich geworden, weil es sie gibt. Und das Abgleichen von Telefondaten ist im IT-Zeitalter verführerisch einfach. Allerdings sollten die Manager langsam begreifen, dass ihnen solche Praktiken früher oder später immer auf die Füße fallen.
Das Interview führte Daniel Frick, tagesschau.de