Geldsorgen wegen der Inflation Wie Studierende finanziell klarkommen
Das BAföG reicht nicht, Lebensmittel sind teuer und die Mieten zu hoch: Viele Studierende leiden unter Geldsorgen. Entspricht die staatliche Förderung angesichts der Teuerung noch der Realität?
Die letzte Hose hat Löcher, ein oder zwei neue müssen her. Einfach ein paar Klamotten kaufen: Das ist für viele Menschen völlig normal. Für Julian ist das schon eine finanzielle Herausforderung. So erzählt es der Student tagesschau.de. Und wie ihm geht es vielen jungen Menschen an deutschen Universitäten.
Julian ist 35 Jahre alt. Nach seiner Ausbildung zum Tontechniker hat er das Abitur am Abendgymnasium nachgeholt, seit 2018 studiert er Geschichte in Hamburg. Geld auf der hohen Kante hatte er nicht; wie die meisten Studierenden musste er sich überlegen, wie er sein Studium finanzieren kann. "Ich komme mit BAföG, einem KfW-Kredit und Jobs über die Runden", sagt er.
Angst vor der Verschuldung
Einfach ist das aber nicht. Nach eigener Aussage bekommt er nicht den Höchstsatz der Sozialleistung, die laut Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG) möglich wäre. Sein Kredit bei der bundeseigenen Förderbank KfW habe bald die Höchstgrenze erreicht. Und nicht immer hat Julian einen Minijob.
Hinzu kamen die Krisen der vergangenen Jahre: Corona traf die Studierenden hart, die Mietkosten sind vor allem in den großen Städten kaum zu stemmen und die Inflation treibt die Lebensmittelpreise in die Höhe. "Da überlege ich mir dreimal, ob ich mir eine rote Paprika kaufe", sagt Julian. Selbst das Essen in der Mensa sei deutlich teurer geworden.
Wenn eine Einnahmequelle ausfällt, wird es eng für Julian. Das Amt etwa brauche "fast immer" Monate zur Bearbeitung der BAföG-Anträge, sagt er. In so einer Phase habe er sich schon mal viel Geld von Freunden leihen müssen. Das habe er dann mit rückwirkend bewilligtem BAföG-Geld zurückzahlen können. Er habe Angst, bald stark verschuldet zu sein.
Viele Studierende armutsgefährdet
Zahlreichen Studierenden in Deutschland geht es wie Julian. Sie müssen jeden Euro zweimal umdrehen. So berichtete etwa das Statistische Bundesamt, 2021 seien 37,9 Prozent der Studierenden armutsgefährdet gewesen.
Auch die aktuelle Sozialerhebung unter Studierenden, die im vergangenen Mai veröffentlicht wurde, wirft ein Licht auf die Lage der rund drei Millionen Studierenden in Deutschland. Die Untersuchung des Deutschen Zentrums für Hochschul- und Wissenschaftsforschung erfasst die "wirtschaftliche und soziale Lage der Studierenden in Deutschland 2021".
"Öfter Nudeln mit Linsen oder Pesto"
Wegen der hohen Inflation dürfte sich die finanzielle Situation vieler Studierenden allerdings noch einmal verschärft haben. So berichtet es auch eine Studentin, die nicht namentlich genannt werden will, tagesschau.de. Sie studiert Psychologie in Bochum, bekommt zwar BAföG und arbeitet an der Universität - trotzdem reicht das Geld oft nur gerade so. Allein für Miete und Versicherungen gingen die Hälfte ihrer monatlichen Einnahmen drauf, sagt sie.
"Dieses Jahr habe ich hart an Lebensmitteln gespart und halt öfter Nudeln mit Linsen oder Pesto gegessen", sagt die Studentin tagesschau.de. Wenn sie kein Geld spare, könne sie kein soziales Leben führen. Mit Freundinnen ausgehen, Ausflüge oder Geburtstagsgeschenke für Freunde seien dann nicht möglich: "Ich habe jetzt auch angefangen, Blutplasma zu spenden, um die Sachen machen zu können, die ich machen möchte."
Besonders ärgert sie sich über den Umgang mit dem BAföG. Das wurde zwar kürzlich reformiert und erhöht. Aber: "Davon habe ich überhaupt nichts gemerkt, weil dann die Inflation kam."
Das Problem mit dem BAföG
Das Bafög gilt als wichtigstes Instrument der staatlichen Studienförderung. Es soll für Bildungs- und Chancengleichheit sorgen und insbesondere junge Menschen aus ärmeren Familien das Studium ermöglichen. Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) hatte sich im vergangenen August mit der Reform zufrieden gezeigt. 2022 hätten 7.000 mehr Studierende BAföG erhalten als im Vorjahr, das entspricht einem Anstieg von einem Prozent. Der durchschnittliche Förderbetrag sei um 30 Euro, also 5,1 Prozent, gestiegen. Gut die Hälfte der BAföG-Empfänger erhielt den maximalen Förderbetrag.
"Ich freue mich sehr, dass sich der Aufwärtstrend bei der Zahl der mit BAföG geförderten Studierenden verstetigt hat", sagte Stark-Watzinger. Die volle Wirkung der Reform werde dann 2024 sichtbar.
In den gemeinnützigen Studierendenwerken sind die Verantwortlichen aber nicht glücklich. "Das BAföG erreicht bei weitem nicht alle, die die Unterstützung dringend bräuchten", sagte die stellvertretende DGB-Vorsitzende Elke Hannack. "Zudem sind die durchschnittlichen Fördersätze weit hinter der Inflation zurückgeblieben, obwohl die Lebenshaltungskosten immer weiter steigen."
Auch Sven Lorenz, Geschäftsführer des Hamburger Studierendenwerks, fordert im Gespräch mit tagesschau.de eine Verbesserung. Beim BAföG werden 360 Euro als Mietkostenpauschale berechnet. Tatsächlich ist das Wohnen in Großstädten wie Hamburg aber deutlich teurer, wenn man nicht gerade in einer Wohnung des Studierendenwerks leben kann. Hinzu kommt die Inflation. Deswegen sagt Lorenz: "Wir wünschen uns einen Automatismus, nach dem das BAföG jährlich an die Lebensrealität angepasst wird."
Tipps für Studierende
Lorenz verweist auch darauf, dass die Werke Studierende persönlich beraten, wie sie ihr Studium finanzieren können. Dabei gibt es einige Tipps, wie junge Menschen in der Hochschul-Ausbildung finanziell besser über die Runden kommen. "Angehende Studierende sollten ihren BAföG-Antrag schon vorbereiten und sofort einreichen, sobald die Zulassung zum Studium da ist", sagt Birte Aye, die Leiterin des Beratungszentrums Studienfinanzierung in Hamburg. Denn zu Beginn des Wintersemesters würden sehr viele BAföG-Anträge gestellt. Auch Studierende, die befürchten, dass sie kein BAföG erhalten, sollten einen Antrag einreichen. Den Antrag zu stellen, dauere nur eine bis anderthalb Stunden. Zeit, die sich lohnen könnte.
Die Chancen, ein Stipendium zu bekommen, seien viel besser als man denke, sagt Aye. "Schon ein Jahr vor dem Studium sollte man mit der Recherche nach Stipendien beginnen." So könnten angehende Studierende frühzeitig nötige Empfehlungen oder Gutachten beantragen und sich rechtzeitig bewerben. Spätenstens aber mit den ersten Studienleistungen solle man sich bewerben, so Aye. Auch Organisationen wie etwa ArbeiterKind.de oder ApplicAid können hier unterstützen.
Ohne Job geht es meist nicht
Die meisten Studierenden müssen neben dem Studium arbeiten, um sich ihr Leben zu finanzieren. Jobs als studentische Hilfskraft an der Uni bieten sich an. Ansonsten sollten Studierende die lokalen Jobbörsen im Auge behalten. Wer allerdings zu viel Geld verdient, erhält womöglich weniger BAföG.
Besondere Studienkredite bietet die staatliche Förderbank KfW an. Allerdings warnt das Deutsche Studierendenwerk derzeit vor einer "Schuldenfalle" durch die hohen Zinsen. Die KfW hat den Zinssatz kürzlich auf 9,01 Prozent angehoben. Diese Zinsen seien ein "riesiges Problem", sagt auch Aye, der Kredit dadurch keine Option mehr. Wenn Studierende doch Interesse daran hätten, sollten sie sich umfassend beraten lassen.
"Es gibt viele Möglichkeiten."
Und was macht man, wenn man schon finanzielle Probleme hat? "Dann sollten die Studierenden auf jeden Fall in ihr örtliches Studierendenwerk gehen, um sich beraten zu lassen", rät Aye. Dort kenne man örtliche Strukturen und wisse, wo es weitere Hilfsangebote und Finanzierungsmöglichkeiten geben könnte. Manche Studierendenwerke hätten auch Darlehen geschaffen, um Studierenden in Geldnot zu helfen.
Aye ist sich sicher: Die Finanzierung sei zwar schwieriger geworden, aber man schicke keine Studierenden ohne Hilfe weg: "Es gibt echt viele Möglichkeiten."