Wohnungsnot bei Studierenden Semesterstart im Kinderzimmer
Viele Studierende haben Schwierigkeiten, eine Wohnung zu finden - und kommen erstmal in Hostels, auf Campingplätzen oder in Kinderzimmern unter. Die Nachfrage steigt, Wohnheime sind voll ausgelastet.
"Es ist so frustrierend. Ich habe schon gedacht, ob ich unsympathisch bin oder, dass ich keine gute Mitbewohnerin wäre", sagt Anika Hagen. Die Studentin ist aus Hamburg nach Münster gekommen und beginnt hier ihr Studium. Bislang ohne Erfolg bei der Wohnungssuche. "Da habe ich schon gedacht, ob ich das Problem bin und gar nicht der Wohnungsmarkt."
Sie sucht seit mehr als drei Monaten nach einem Zimmer oder einer Wohnung in Münster. "Aber der Andrang ist ziemlich groß, seit die Uni dieses Semester noch mehr Leute angenommen hat. Ich suche vergeblich. Jetzt bin ich erst einmal bei Carlotta untergekommen." Carlotta ist ihre Freundin und studiert auch in Münster. Sie hat der verzweifelten Freundin Hilfe angeboten im Elternhaus im benachbarten Emsdetten und sie teilen sich jetzt das alte Kinderzimmer.
Nicht ideal, aber für den Übergang immerhin so etwas wie eine Lösung. Ohne die hätte Anika die Uni in Münster vielleicht ganz aufgegeben. "Ich habe jetzt erst einmal eine Sicherheit, dass ich hier sein kann und auch am Studium teilhaben kann. Und ich nicht abbrechen muss", sagt Anika.
Die Lage immer verzweifelter
Viele Studierende wie sie haben aktuell Schwierigkeiten eine Wohnung zu finden. Wohnraum ist für sie nicht nur knapp, sondern oft auch unbezahlbar. In einer Erhebung des Instituts der deutschen Wirtschaft liegt die Kaltmiete in 38 untersuchten Hochschulstädten aktuell im Schnitt um 6,2 Prozent über dem Vorjahr. Miet- und Nebenkosten würden explodieren.
Eine studentische Musterwohnung mit 30 Quadratmetern kostet in Frankfurt und München nun rund 700 Euro Warmmiete, wobei Frankfurt mit 696 Euro München knapp als teuersten Studienort ablösen würde. Aufgrund steigender Energiepreise haben sich auch die Wohnnebenkosten den Wissenschaftlern zufolge erhöht. "Die Lage auf dem Wohnungsmarkt wird für Studierende immer verzweifelter", sagt der Immobilienforscher Michael Voigtländer vom Institut der deutschen Wirtschaft. Die Mieten für studentisches Wohnen stiegen seit einem Jahrzehnt kontinuierlich an, doch die Dynamik habe sich noch einmal verschärft.
Studierende bleiben im Kinderzimmer
"Zudem belasten nun auch steigende Energiepreise das monatliche Budget sowie die weiterhin hohen Verbraucherpreise, gerade auch für Lebensmittel“, sagt Voigtländer. Studierende überlegen vermehrt, zu Hause bei den Eltern zu leben. Der Anteil der Studierenden, die zu Hause wohnen liegt laut Voigtländer bei fast 30 Prozent.
Das sei ein deutlicher Anstieg zum Vorjahr. Es stehe zu befürchten, dass ökonomische Restriktionen die Studienwahl beeinflussen und nicht persönliche Neigungen. "Umso wichtiger ist es, nun gegenzusteuern", sagt der Wissenschaftler. "Studierende sollten finanziell stärker unterstützt werden. Nur rund jeder sechste Studierende profitiert derzeit vom BAföG. Kleine und günstige Wohnungen sollen gebaut werden."
In Münster plant das Studierendenwerk ein neues Wohnheim für 200 Personen, auf einen Schlafplatz warten allerdings gerade 5.500. Auch in Köln sieht es nicht besser aus. Im Wintersemester spricht die Uni in Köln in etwa von einer Quote von acht bis neun Studenten zu einem Zimmer.
Mehr als 1.000 auf Warteliste
Es stehen mehr als 1.000 Menschen auf der Warteliste, die nicht versorgt sind. Und dennoch ist es nicht neu: Schon in den vergangenen Semestern mussten Studenten ausweichen auf einen Campingplatz, in Mehrbettzimmern schlafen oder sehr weite Wege pendeln. Für viele von ihnen bedeutet die Suche nach der Wohnung viel Enttäuschung und Selbstzweifel. Sprechstunden bei den Studierendenwerken sind häufig ausgebucht.
Anika Hagen hat in Münster rund 70 Wohnungen und Wohngemeinschaften angeschrieben. Sie bekam selten Antworten - und meist nur Absagen. "Das ist sehr ernüchternd. Die Wohnung sind häufig so teuer. Und das Angebot ist einfach nicht da bei einer riesigen Nachfrage. Die Konkurrenz ist da ziemlich groß", sagt Anika Hagen. Sie wird jetzt erst einmal auf einer Matratze im Zimmer ihrer Freundin schlafen.