Kampf gegen Steuerhinterziehung Großes Auto, kleines Geld - Italiens arme Reiche
Ferrari fahren und zugleich angeblich an der Armutsgrenze leben? In Italien ist das keine Seltenheit. Geschätzte 120 Milliarden Euro gehen dem hochverschuldeten Staat jährlich durch Steuerhinterziehung durch die Lappen. Ministerpräsident Monti will den armen Reichen jetzt an den Kragen gehen.
Von Tilmann Kleinjung, ARD-Hörfunkstudio Rom
"Auch in Italien sollten wir akzeptieren, dass Steuerhinterziehung eine schlimme, sehr schlimme Gepflogenheit ist", sagt Ministerpräsident Mario Monti - und er macht Ernst mit dem Kampf gegen die Steuerhinterziehung, die auf jährlich rund 120 Milliarden Euro geschätzt wird.
In den Weihnachtsferien machte die Finanzpolizei öffentlichkeitswirksam Razzien in mehreren Urlaubsorten in den Bergen und am Meer. Besonders im Visier: die Besitzer von Nobelkarossen. Dabei stellte sich heraus, dass viele Ferrari-Fahrer beim Finanzamt ein Gehalt angeben, das an der Armutsgrenze liegt.
Am vergangenen Wochenende war die winterliche Ruhe im edlen Badeort Portofino dahin. Die Ermittler der Finanzpolizei kamen und nahmen die Besitzer großer Luxusyachten unter die Lupe. Am Silvesterwochenende war die Finanzpolizei bereits im mondänen Cortina d’Ampezzo aktiv. Da interessierte man sich vor allem für teure Nobelkarossen. Mit begründetem Verdacht, sagt Attilio Befera, der Chef der obersten italienischen Finanzbehörde: "Wir haben 250 Autos der Extra-Luxus-Klasse untersucht. Bei vielen haben wir festgestellt, dass sie Personen gehörten, die in ihren Steuererklärungen weniger als 30.000 Euro jährliches Einkommen angegeben haben. Oder sie waren auf Firmen eingetragen, die kaum Umsatz hatten oder sogar Verluste machten."
Eine Schaufensteraktion mit Abschreckungseffekt
Bei den armen Reichen, die im Skiort Cortina ihren Winterurlaub verbrachten, sorgte die unangemeldete Razzia der Behörden für einigen Wirbel und Ärger. "Ausgerechnet am 30. Dezember in Cortina aufzutauchen und Unternehmer aufzuhalten, die alte Bilanzen und Bücher raussuchen mussten und sich deswegen nicht ihren Kunden widmen konnten, zeigt, dass man zuschlagen wollte. Es war eine Schaufensteraktion", beschwert sich Bürgermeister Andrea Franceschi.
Eine erfolgreiche Schaufensteraktion, man kann auch von Abschreckung sprechen: Zumindest bei den Gastronomen und Geschäftsleuten haben die Kontrollen offenbar nachhaltigen Eindruck hinterlassen. Auf die Kritik des Bürgermeisters antwortet Finanzamtschef Befera mit Ironie: "Wir haben an diesem Tag in Cortina die Geschäfte angekurbelt. Die Restaurants konnten einen Anstieg des Umsatzes von 300 Prozent verzeichnen im Vergleich zum selben Tag im Vorjahr. Die Geschäfte, die Luxuswaren verkaufen, steigerten sich sogar um 400 Prozent."
Monti nervt die laxe Steuermoral
Übersetzt heißt das: Unter der Kontrolle der Finanzpolizei haben die Ladeninhaber und Restaurantbesitzer ihre Einnahmen an diesem Tag sehr ordentlich und gründlich verbucht. Das ist - vorsichtig ausgedrückt - in Italien nicht immer und überall der Fall. Auch hier fragt der Handwerker schon mal, ob man denn wirklich eine Rechnung braucht. Geschäfte sind verpflichtet, immer einen "scontrino", einen Kassenbon auszustellen. Nicht alle halten sich daran. Auf diese und andere Weise gehen dem italienischen Staat pro Jahr 120 Milliarden Euro Steuereinnahmen verloren.
Ministerpräsident Monti nervt die laxe Steuermoral seiner Landsleute gewaltig. "Nichts schadet dem Zusammenleben der Bürger und dem Bild Italiens im Ausland so sehr wie der Eindruck, dass Italien ein sichtbar reiches Land ist und dass wir auf der anderen Seite ein hohes Haushaltsdefizit haben, ausgelöst auch durch Steuerhinterziehung."
Flucht in die Schweiz
Das erste Sparpaket der Regierung Monti enthält auch Maßnahmen gegen die Steuerhinterziehung: Rechnungen über Summen von mehr als über 1000 Euro dürfen nicht mehr bar bezahlt werden, damit Geldflüsse für die Finanzbehörden nachvollziehbar sind. Außerdem signalisieren Aktionen wie in den Nobel-Orten Cortina und Portofino eine neue Härte der Regierung - offenbar aber nicht immer mit dem gewünschten Erfolg: So mancher Italiener parkt sein Geld anscheinend lieber in der benachbarten Schweiz, als Steuern zu zahlen. Im Tessin sollen kaum noch Bankschließfächer frei sein.