Gütersloher Medienkonzern Bertelsmann baut 700 Jobs bei Gruner + Jahr ab
Der Medienkonzern Bertelsmann will insgesamt 23 Zeitschriftentitel von Gruner + Jahr einstellen oder verkaufen, hunderte Stellen fallen weg. Die Gewerkschaft ver.di spricht von einer Zerschlagung des Hamburger Traditionsverlags.
Nach der Zusammenlegung mit dem TV-Sender RTL sollen beim Hamburger Traditionsverlag Gruner + Jahr zahlreiche Zeitschriften eingestellt werden. Flaggschiffe wie "Stern", "Geo", "Brigitte" und "Capital" sollten zwar weitergeführt werden, teilte die Fernsehtochter des Medienkonzerns Bertelsmann mit. Viele andere Zeitschriften, darunter Ableger der Haupthefte, sollen jedoch eingestellt, verkauft oder nur noch digital veröffentlicht werden.
Das Management plant rund 500 Arbeitsplätze zu streichen. Weitere 200 Stellen sollen durch Verkäufe wegfallen. Mit der Streichung von insgesamt rund 700 Stellen wären mehr als jede dritte der 1900 Vollzeitstellen im Zeitschriftensegment betroffen. Der weit überwiegende Teil des Stellenabbaus betreffe Hamburg und sei nicht im redaktionellen Bereich, sondern in Verwaltungsbereichen geplant, hieß es.
Auch bei RTL in Köln fallen Stellen weg
Auch bei RTL Deutschland will Bertelsmann Stellen abbauen. Am Standort des Fernsehsenders in Köln fielen innerhalb der kommenden drei Jahre zusätzlich insgesamt 300 Stellen weg, sagte ein Sprecher dem Evangelischen Pressedienst. Dies solle nach Möglichkeit ohne betriebsbedingte Kündigungen geschehen. "Wir sind zuversichtlich, dass dies durch Alternativen wie Fluktuation und Altersteilzeit gelingt."
Die Belegschaft von Gruner + Jahr informierte RTL-Chef Thomas Rabe in der Verlagszentrale am Hamburger Baumwall über seine Pläne. "Wir haben entschieden, uns auf die Kernmarken zu konzentrieren und sie mit Investitionen von etwa 80 Millionen Euro bis 2025 weiterzuentwickeln", erklärte der Manager.
Nun sollen gemeinsam mit den Arbeitnehmervertretungen sozialverträgliche Lösungen für die betroffenen Beschäftigten entwickelt werden.
Möglicher Verkauf von "Art", "Business Punk" und "P.M."
Konkret sehen die Pläne so aus: Die 13 Magazin-Marken "Stern", "Geo", "Capital", "Stern Crime", "Brigitte", "Gala", "Schöner Wohnen", "Häuser", "Couch", "Geolino", "Geolino mini" sowie die digitalen Bereiche von "Eltern" und "Chefkoch" bleiben im Bertelsmann-Konzern. Sie machen nach Unternehmensangaben etwa 70 Prozent des Umsatzes aus. Bis 2025 sind Investitionen von rund 80 Millionen Euro geplant.
Alle anderen Zeitschriftentitel werden eingestellt oder verkauft. Keine Zukunft sieht Bertelsmann zum Beispiel für Ableger der Kernmarken wie "Geo Epoche" und "Geo Wissen", "Brigitte Woman" und "View". Auch die Magazine "Guido" um den Designer Guido Maria Kretschmer und "Barbara" um TV-Moderatorin Barbara Schöneberger werden eingestellt. Insgesamt sind es 23 Titel. Einen Verkauf prüft RTL für die fünf Marken "Business Punk", "Art", "P.M.", "Beef!" und "Salon".
"Keinerlei Sondierungsgespräche"
Rabe, der auch Bertelsmann-Chef ist, sagte der Nachrichtenagentur dpa: "Es hatte Interessensbekundungen gegeben - mündlich und schriftlich. Es gab aber keinerlei Sondierungs- oder Verkaufsgespräche, geschweige denn Angebote."
Nun wolle man zunächst mit Betriebsrat und den Mitarbeitern sprechen. "Dann werden wir in aller Ruhe in den nächsten Wochen den Markt sondieren und sehen, wer sich für welchen Titel wirklich interessiert und in welcher zeitlichen Schrittfolge wir die Titel abgeben", so Rabe.
Einst größer Zeitschriftenverlag Europas
RTL Deutschland mit Hauptsitz in Köln hatte zum Jahr 2022 die deutsche Magazinsparte des Hamburger Verlagshauses integriert und erhoffte sich "Synergien" zwischen den beiden Bertelsmann-Töchtern. Doch die mit den Plänen von Konzernchef Rabe verbundenen Erwartungen erfüllten sich nicht. In den vergangenen Monaten hatte RTL das Zeitschriftenportfolio nach eigenen Angaben überprüft. Topmanager aus Gütersloh und Köln nahmen alle Verlagstitel unter die Lupe und empfahlen, was behalten und was womöglich verkauft werden sollte.
Gruner + Jahr war zu seinen Blütezeiten der größte Zeitschriftenverlag Europas und gehörte jahrzehntelang zu den einflussreichsten Medienhäusern in Deutschland. Die Pläne von Bertelsmann laufen nun auf eine Zerschlagung des Verlagshauses hinaus. Die Titel "Stern", "Geo" und "Capital" sollen gemeinsam mit den Fernsehredaktionen künftig in der RTL News GmbH geführt werden. Die übrigen Kernmarken wie "Brigitte", "Gala", "Schöner Wohnen", oder "GEOlino" verbleiben in der Gruner + Jahr Deutschland GmbH und in Tochterfirmen.
Kritik von Gewerkschaften und Politik
"Aus Unfähigkeit, ein profitables und europaweit beachtetes Zeitschriftenhaus in die digitale Transformation zu führen, zerschlägt Bertelsmann nun den Magazinverlag RTL in Hamburg", sagte der ver.di-Bundesvorstand Christoph Schmitz. Der Bundesvorsitzende des Deutschen Journalistenverbands (DJV), Frank Überall, kritisierte, die Entscheidung zur Einstellung von Zeitschriften sei "durch nichts begründet als durch gewissenlose Profitmaximierung".
Rund 250 Verlagsbeschäftigte demonstrierten auf dem Hamburger Rathausmarkt gegen die Pläne. "Das ist ein Tag, der mich sehr betroffen macht", sagte Hamburgs Mediensenator Carsten Brosda (SPD). "Ich hätte mir mehr Kreativität und Fantasie beim Umgang mit der Zukunft des Medienhauses gewünscht."