Reaktionen auf Schuldenstreit-Kompromiss Pleite abgewendet, dennoch kein Jubel
Das griechische Volk habe eine Schlacht gewonnen und ein Ende der Sparpolitik sei in Sicht - so bewertet Griechenlands Ministerpräsident Tsipras den Kompromiss im Schuldenstreit. Die Reaktionen im Land jedoch sind eher kritisch.
Viele Griechen sind zunächst einmal erleichtert, dass nun doch eine Lösung gefunden wurde: "Das ist schon okay so, wenigstens bewegt sich etwas und es wird hoffentlich besser werden", meint ein 23-jähriger Student. Ein Rentner aus Athen ist richtig zufrieden mit dem Kompromiss von Brüssel: "Das ist ein Schritt in die richtige Richtung. Wir können ja nicht immer so weiter machen und Schulden machen. Sonst kommen wir nie aus diesem Teufelskreis heraus."
Aber die Griechen lesen heute auch in den Schlagzeilen der Zeitungen, dass die Regierung ihre Wahlversprechen quasi über Bord werfen müsse. Die Zeitung "Kathimerini" bringt es auf den Punkt und schreibt: "Die Regierung ist in der Realität angekommen und hat das getan, was sie tun musste, um das Land vor der Pleite zu retten."
"Eine Rolle rückwärts"
Viele Wähler der Linkspartei Syriza sind allerdings bitter enttäuscht: "Das ist eine Rolle rückwärts. Daran werden wir uns noch lange erinnern. So viele Lügen! Es ist doch immer dasselbe."
"Gestern haben wir einen entscheidenden Schritt gemacht. Wir lassen die Sparmaßnahmen, das Rettungsprogramm und die Troika hinter uns. Aber wir haben einen Kampf gewonnen, nicht den Krieg. Die Schwierigkeiten, die wahren Schwierigkeiten liegen noch vor uns."
Alexis Tsipras, griechischer Ministerpräsident
Ministerpräsident Alexis Tsipras freilich feiert die Einigung in Brüssel als großen Erfolg: "Wir haben eine Schlacht gewonnen, aber noch nicht den Krieg", sagt Tsipras in einer Fernsehansprache und setzt noch eins drauf: "Wir sind einen entscheidenden Schritt weiter. Wir lassen die Sparpolitik und die Troika hinter uns."
Mit dem am Freitag erzielten Kompromiss passen diese Worte von Tsipras überhaupt nicht zusammen, denn für die kommenden vier Monate hat sich die Regierung in Athen dazu verpflichtet, die Sparpolitik fortzusetzen und sich auch Kontrollen wie früher von der Troika zu unterwerfen.
Tsipras sieht eine "neue Ära"
Aber Tsipras greift schon in seiner Fernsehansprache schon in die Zukunft und verspricht seinem Volk, nach vier Monaten der Übergangszeit werde eine neue Ära anbrechen: "Die Verhandlungen gehen jetzt in eine neue Phase, bis wir ein neues Abkommen schließen: weg von der zerstörerischen Sparpolitik hin zu einer Politik des Wachstums, der Beschäftigung und des sozialen Zusammenhalts."
Die Auflagen bleiben
Das ist allerdings noch Zukunftsmusik. Zuerst einmal muss Tsipras den Kompromiss erfüllen, und das heißt: Die Pläne der neuen Regierung, Löhne, Renten und Sozialleistungen wieder zu erhöhen, lassen sich allenfalls unter strengen Auflagen umsetzen, wenn überhaupt. Die Kreditgeber, also die anderen Euro-Länder, müssten jede einzelne Maßnahme ausdrücklich genehmigen. Und sie werden das nur tun, wenn es der griechischen Regierung gelingt, neue Geldquellen zu erschließen: Wenn es die Regierung Tsipras beispielsweise schafft, von reichen Griechen tatsächlich mehr Steuern einzunehmen, dann könnte sie im Gegenzug den Mindestlohn oder kleine Renten erhöhen.
Tsipras' Kabinett muss bis Montag liefern
Viele Griechen zweifeln heute, ob ihre neue Regierung das schafft, so auch dieser arbeitslose 53-Jährige: "Wir hatten mehr erwartet. Wir haben ziemlich zurückgesteckt. Mal sehen, wie es weitergeht."
Die Regierung in Athen muss bis Montag auflisten, wie sie die Reformen und die Sparauflagen in den nächsten vier Monaten umsetzen will. Und bereits am Dienstag wollen die Kreditgeber diese Liste kritisch überprüfen. Nun wenn sie Grünes Licht geben, ist Griechenland tatsächlich vor der Pleite gerettet. Die Zitterpartie geht also noch weiter.