Der Schriftzug "Agentur für Arbeit" hängt am Gebäude der Bundesagentur für Arbeit im Stadtzentrum von Oldenburg.

Konjunkturflaute Endet der Arbeitsmarktboom?

Stand: 31.01.2024 06:10 Uhr

Trotz Wirtschaftsflaute ist die Beschäftigung in Deutschland auf Rekordniveau. Doch die Aussichten für den Arbeitsmarkt sind gemischt.

Die deutsche Wirtschaft schwächelt aktuell. Bisher hat sich die schlechte Stimmung zwar nur geringfügig auf die Arbeitslosigkeit niedergeschlagen. Doch Arbeitsmarktforscher vom ifo rechnen damit, dass sich das ändern könnte. Das aktuelle ifo-Beschäftigungsbarometer sank im Januar auf 95,5 Punkte, nach 96,5 Punkten im Dezember.

"Die wirtschaftlich schwierige Lage spiegelt sich nun auch in den Personalplanungen wider", sagt Klaus Wohlrabe, Leiter der ifo-Umfragen. "Die Unternehmen sind eher zurückhaltend bei Neueinstellungen. Erste Entlassungen werden wahrscheinlicher." Für das ifo-Beschäftigungsbarometer werden monatlich 9.000 Unternehmen zu ihrer Personalplanung für die kommenden drei Monate befragt.

Lage von Branche zu Branche unterschiedlich

Am schlechtesten sei die Stimmung in der Industrie. Diese rechne mit einem rückläufigen Personalbestand. Auch im Handel steigt die Bereitschaft, Personal abzubauen. Gemischte Ergebnisse gibt es dagegen bei den Dienstleistern. Hier nahm die Einstellungsbereitschaft ab. Dennoch soll unter dem Strich noch Personal eingestellt werden, bilanziert das ifo-Institut. Dies gelte insbesondere für die IT-Dienstleister und die Beratungsbranche. Im Baugewerbe hat das Barometer etwas nachgegeben. "Die Rezession im Bau hinterlässt zunehmend Spuren in der Personalplanung." Der Branche machen die gestiegenen Zinsen zu schaffen.

Allerdings: ifo-Experte Wohlrabe weist gegenüber tagesschau.de darauf hin, dass die Daten nur leicht im negativen Bereich sind. Der neutrale Wert liegt bei 100. "Ich rechne mit keinem starken Anstieg der Arbeitslosigkeit", sagte er. Im Moment sei es wahrscheinlicher, dass offene Stellen eher zurückhaltender nachbesetzt werden.

IAB sieht Zeichen etwas auf Entspannung

Aktuelle Arbeitsmarktdaten des Instituts für Arbeitsmarkt und Berufsforschung (IAB) zeichnen ein etwas positiveres Bild als die ifo-Zahlen. Der Frühindikator des Instituts, das IAB-Arbeitsmarktbarometer, kletterte im Januar um 0,2 Punkte auf nun 100,3 Punkte - und liegt im positiven Bereich über dem neutralen Wert von 100 Punkten.

Der Frühindikator setzt sich zusammen aus dem Blick auf die künftige Entwicklung der Beschäftigung als auch Arbeitslosigkeit. Befragt werden monatlich Arbeitsagenturen, wie diese auf die kommenden drei Monate blicken. Die Skala reicht von 90 (sehr schlechte Entwicklung) bis 110 (sehr gute Entwicklung).

Die Komponente zur Arbeitslosigkeit lag laut IAB im Januar dagegen weiter im negativen Bereich, auch wenn sich die Aussichten leicht verbessert haben - ein Plus von 0,2 Punkten auf 97,4 im Vergleich zum Vormonat.

"Vor ein paar Jahren hätten wir uns gefreut"

Enzo Weber, Forschungsbereichsleiter Prognosen und gesamtwirtschaftliche Analysen am IAB, sagte tagesschau.de: "Auch wenn die Zugänge in Arbeitslosigkeit etwas gestiegen sind, sind sie weiter auf einem sehr geringem Niveau. Die Zahlen sind so niedrig, vor einigen Jahren hätten wir uns über diese noch gefreut." Auch er sieht wie sein Kollege Wohlrabe keine Entlassungswelle. Die Arbeitslosigkeit lag im Dezember bei 5,7 Prozent.

Obwohl es etwas mehr Zugänge in Arbeitslosigkeit geben soll, rechnen die Arbeitsagenturen laut IAB mit insgesamt weiter steigenden Beschäftigungszahlen, wenn auch im moderaten Umfang. Der Indikator habe sich um 0,2 auf 103,1 Punkte verbessert, so das IAB-Arbeitsmarktbarometer.

Langzeitarbeitslosigkeit schwerer zu überwinden

Im Jahresdurchschnitt waren trotz Konjunkturflaute im vergangenem Jahr so viele Menschen erwerbstätig wie noch nie. Im Schnitt gingen knapp 46 Millionen Menschen einer Arbeit nach, teilte das Statistische Bundesamt Anfang Januar nach vorläufigen Berechnungen mit - so viele wie noch nie seit der deutschen Vereinigung im Jahr 1990. Der alte Rekord von 2022 wurde damit um 0,7 Prozent oder 333.000 Personen übertroffen - obwohl Europas größte Volkswirtschaft den führenden Instituten zufolge im abgelaufenen Jahr geschrumpft ist.

Veränderungen hat das IAB aber bei der durchschnittlichen Dauer von Arbeitslosigkeit beobachtet. "Arbeitslose haben es aktuell deutlich schwerer, wieder in Erwerbstätigkeit zu kommen als noch vor Corona", sagte Weber tagesschau.de. Besonders problematisch werde dies, je länger die Arbeitslosigkeit anhalte.

Sollte die Politik eingreifen?

Aus den aktuellen Daten ziehen IAB-Experte Weber und Wohlrabe vom ifo verschiedene Konsequenzen. Wohlrabe sagte zu tagsesschau.de: "Wir haben das Instrument der Kurzarbeit, was uns sehr gut durch die Krisen der letzten drei Jahre gebracht hat. Das sollten wir erstmal nutzen, wenn sich die wirtschaftliche Entwicklung weiter verschlechtert."

Dagegen sieht Weber Handlungsbedarf: "Wir müssen mehr investieren in Betreuung und Qualifizierung von Arbeitslosen." Auch beim Bürgergeld hofft er auf Veränderungen: "Man könnte mehr finanzielle Anreize setzen, in Arbeit zu kommen, gerade für große Haushalte." Aktuell würden die Leistungen vom Staat teils sehr stark reduziert, wenn Personen ihre Arbeit ausweiteten. Durch ein etwas weniger drastisches Abschmelzen dieser Leistungen, verstärkt durch eine Anschubhilfe, könne man für eine gewisse Zeit den Wechsel in Arbeit attraktiver gestalten, glaubt Weber. "Die Jobchancen von Arbeitslosen müssen wieder gesteigert werden, sonst droht weitere Verfestigung", erklärte der Arbeitsmarktforscher.

Klaus-Rainer Jackisch, HR, tagesschau, 31.01.2024 06:38 Uhr

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete BR24 am 31. Januar 2024 um 08:41 Uhr.