Treffen von Merkel und Papandreou in Berlin Ein vorentscheidender Tag für den Euro
Kurz vor der Abstimmung des Bundestages über den Rettungsfonds EFSF suchen die Koalitionsfraktionen weiter nach einer eigenen Mehrheit. Außerdem treffen sich Kanzlerin Merkel und der griechische Regierungschef - Papandreou versprach vorab, dass Griechenland "all seinen Verpflichtungen" nachkommen werde.
An zwei Schauplätzen geht es heute in Berlin um die Rettung des Euro. Zwei Tage vor der entscheidenden Abstimmung im Bundestag gibt es mehrere Beratungen über den geplanten erweiterten Euro-Rettungsschirm. Die Fraktionen von Union und FDP kommen zusammen, um über das Vorhaben zu sprechen. Denn noch ist unklar, ob die Koalitionsfraktionen die Kanzlerinnenmehrheit zustande bringen.
Mehrere Koalitionspolitiker fordern, Schwarz-Gelb müsse bei der Abstimmung über die Griechenland-Hilfe die Kanzlermehrheit erreichen, Kanzlerin Merkel spricht dagegen von einer eigenen Mehrheit: Im letzten Fall müssten die Regierungsfraktionen ohne Oppositionshilfe die Mehrheit der anwesenden Abgeordneten erreichen. Für die Kanzlermehrheit wäre mehr als die Hälfte aller möglichen 620 Bundestagsstimmen erforderlich, also 311 - unabhängig davon, wie viele Abgeordnete tatsächlich anwesend sind. Abgeordnete der schwarz-gelben Koalition können die Kanzlerin übrigens nicht anonym in eine Koalitionskrise stürzen - der Bundestag wird über die Erweiterung des Euro-Rettungsschirms namentlich abstimmen.
Papandreou sichert verlangte Reformen zu
Der griechische Ministerpräsident Giorgos Papandreou sagte, sein Land stehe zu seinen Zusagen. Er könne garantieren, dass Griechenland "all seinen Verpflichtungen" nachkommen werde, sagte Papandreou auf einer Tagung des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI) in Berlin. Der Regierungschef übte zugleich Selbstkritik. "Wir sind kein armes Land, wir waren ein schlecht geführtes Land." Man sei mitten auf einem "schmerzhaften Weg". Griechenland habe allein 2010 sein Defizit gewaltig reduziert. Deutschland hätte für einen vergleichbaren Umfang 125 Milliarden Euro sparen müssen, sagte Papandreou. Er dankte den Euro-Partnern für die Solidarität. "Das gibt uns die Zeit für Veränderungen." Er rief Investoren zu einem stärkeren Engagement in seinem Land auf, um es für die Zukunft zu rüsten.
Der griechische Regierungschef wurde von den Vertretern des Industrieverbandes BDI mit langem Beifall begrüßt. BDI-Chef Hans-Peter Keitel nannte dies ein Zeichen des Dankes und des Respekts für die Anstrengungen Griechenlands, um aus der Schuldenkrise herauszukommen. "Sie stehen nicht allein vor Ihren großen Aufgaben", sagte Keitel.
Industrie und Gewerkschaften rufen zu Zustimmung auf
Der BDI-Präsident forderte die Parlamentarier auf, der EFSF-Erweiterung zuzustimmen. "Der Erfolg Deutschlands und seiner Wirtschaft hängen entscheidend vom Euro und von der Weiterentwicklung Europas ab", sagte er. "Wir müssen den Weg zur wirtschaftlichen und politischen Einheit jetzt bewusst nach vorne gehen, selbst wenn das viel Geld kostet."
Auch der Deutsche Gewerkschaftsbund forderte die Bundestagsabgeordneten zur Zustimmung auf. In einer gemeinsamen Anzeigenkampagne in mehreren überregionalen Tageszeitungen warnten neun Gewerkschaften, wer über Ausgabenkürzungen und soziale Einschnitte die öffentlichen Haushalte konsolidieren wolle, gefährde den sozialen Frieden und verliere die Zustimmung der Bürgerinnen und Bürger zur europäischen Idee.
Koalition hofft auf positives Signal
Am Abend will Bundeskanzlerin Angela Merkel Papandreou im Kanzleramt empfangen. Das hoch verschuldete Griechenland wartet derzeit auf grünes Licht für die nächste Überweisung aus seinem internationalen Hilfsprogramm. Dazu muss erst eine Prüfung durch Experten der Europäischen Zentralbank, der EU-Kommission und des Internationalen Währungsfonds abgeschlossen werden.
Das Treffen Merkels mit Papandreou könnte darüber hinaus ein positives Signal an den Bundestag senden, hoffen führende Koalitionspolitiker. Auch FDP-Chef Rösler appellierte an die Abgeordneten der Koalition, dem Gesetz zuzustimmen. Er gehe davon aus, dass die Regierung eine eigene Mehrheit im Bundestag habe, sagte er der "Bild".
In der "Neuen Osnabrücker Zeitung" sagte der griechische Parlamentspräsident Philippos Petsalnikos, dass Griechenland erwarte, dass die Bundesrepublik ihre Zusagen einhalte. Er kritisierte die Diskussion in Deutschland über einen Schuldenschnitt für Griechenland: "Die andauernde Debatte über verschiedene Szenarien erschwert nicht nur die Bemühungen unseres Landes, sondern sie erschüttert auch das Vertrauen in den Euro und in das vereinigte Europa."
Kanzlerin für mehr Rechte der EU
Kanzlerin Merkel wirbt zurzeit auf Regionalkonferenzen ihrer Partei um Zustimmung der Basis zu ihrem Eurokurs. Bei einem Treffen gestern Abend in Karlsruhe forderte sie, die EU müsse weitreichende Eingriffsrechte in die nationalen Haushalte von Euro-Staaten erhalten, die sich nicht an die Vorgaben des EU-Wachstums- und Stabilitätspakts halten. In den vergangenen Tagen hatte Merkel bereits mehrfach EU-Vertragsänderungen gefordert, um notfalls zu hohe nationale Haushaltsdefizite sanktionieren zu können, auch wenn damit in die nationale Budgethoheit eingegriffen werde.
Schäuble: Es bleibt bei 440 Milliarden
Unterdessen bringen Gerüchte aus Brüssel über eine weitere Ausdehnung des Euro-Rettungsschirms EFSF neue Unruhe in die Debatte. Noch bevor der Bundestag über die deutsche Beteiligung an der Aufstockung auf 440 Milliarden Euro abgestimmt hat, kommen sowohl aus den USA als auch aus der EU Forderungen, den Fonds noch weiter zu erhöhen.
Entsprechenden Spekulationen erteilte Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble gestern eine Absage. "Das Volumen des EFSF bleibt so, wie es in dem Gesetz vorgesehen ist: Insgesamt rund 440 Milliarden Euro und eine Obergrenze von rund 211 Milliarden Euro für Deutschland, was die Garantien betrifft", sagte ein Sprecher des Ministeriums.