Vor Bundestagsabstimmung über EFSF Koalition streitet weiter über die Euro-Rettung
Ob ESM oder EFSF, ob Kanzlermehrheit oder eigene Mehrheit: Auch kurz vor der Abstimmung im Bundestag über den Euro-Rettungsschirm reißen die Diskussionen in der schwarz-gelben Koalition nicht ab. FDP-Generalsekretär Lindner fordert die Kanzlerin auf, für ein Ende der Debatte zu sorgen - bislang vergeblich.
Wenige Tage vor der Abstimmung über die deutsche Beteiligung am europäischen Rettungsschirm EFSF diskutiert die Koalition weiter über den EFSF und seinen Nachfolger, den dauerhaften Rettungsschirm ESM.
Angesichts der neuen Diskussion über mögliche Änderungen am EFSF forderte FDP-Generalsekretär Christian Lindner Bundeskanzlerin Angela Merkel auf, die Debatte sofort zu beenden. "Die Frau Bundeskanzlerin sollte sehr schnell klarstellen, dass es keine Änderungen an den Geschäftsgrundlagen des EFSF gibt", sagte Lindner. Dies müsse auch für die Zeit nach der Abstimmung gelten. "Veränderungen am EFSF sind für uns nicht diskutabel." Dies betonte auch CSU-Chef Horst Seehofer.
Mehrere Koalitionspolitiker fordern, Schwarz-Gelb müsse bei der Abstimmung über die Griechenland-Hilfe die Kanzlermehrheit erreichen, Kanzlerin Merkel spricht dagegen von einer eigenen Mehrheit: Im letzten Fall müssten die Regierungsfraktionen ohne Oppositionshilfe die Mehrheit der anwesenden Abgeordneten erreichen. Für die Kanzlermehrheit wäre mehr als die Hälfte aller möglichen 620 Bundestagsstimmen erforderlich, also 311 - unabhängig davon, wie viele Abgeordnete tatsächlich anwesend sind. Abgeordnete der schwarz-gelben Koalition können die Kanzlerin übrigens nicht anonym in eine Koalitionskrise stürzen - der Bundestag wird über die Erweiterung des Euro-Rettungsschirms namentlich abstimmen.
Lindner: Schäuble hat sich "zumindest unglücklich ausgedrückt"
Am Wochenende hatte es vor allem am Rande der IWF-Tagung in Washington Spekulationen über eine Erweiterung des EFSF und neue Instrumente gegeben, die vor allem die USA und China fordern. Zudem zeigte sich Finanzminister Wolfgang Schäuble offen dafür, dass der ESM auf 2012 vorgezogen werden sollte - der ESM als dauerhafte Einrichtung habe eine ganz andere vertrauensbildene und stabilisierende Wirkung als der EFSF. Eine Aufstockung des EFSF ist dagegen laut Finanzministerium nicht geplant. "Wir haben nicht die Absicht, ihn aufzustocken", sagte Schäuble dem Sender "n-tv". Auch Änderungen am Zeitplan für den ab Mitte 2013 geltenden dauerhaften Rettungsschirm ESM seien nicht geplant.
Lindner warf vor allem Schäuble mehrfach vor, er habe am Wochenende die Debatte über eine mögliche Ausweitung des EFSF treiben lassen und sich zumindest "unglücklich ausgedrückt". Dies habe für unnötige Verunsicherung gesorgt und sei schädlich gewesen. CSU-Chef Horst Seehofer sagte, er halte "gar nichts" von einem Vorziehen des geplanten dauerhaften Euro-Rettungsschirms ESM. "Wir sollten diese Diskussion und die Abstimmung durch immer wieder neue Ideen und Hinweise und mögliche Abstimmungsergebnisse nicht in irgendeiner Weise belasten", kritisierte er im Hinblick auf die Bundestagsabstimmung über den EFSF.
Uneinigkeit auch über die Kanzlermehrheit
Auch die Debatte über die Frage, ob die Regierung nun die von der Opposition eingeforderte Kanzlermehrheit oder nur eine einfache Mehrheit brauche, ging in der Koalition weiter. Dagegen forderten Seehofer und CDU-Vize Norbert Röttgen erneut eine schwarz-gelbe Kanzlermehrheit bei der EFSF-Abstimmung. Für diese bräuchten die schwarz-gelben Regierungsfraktionen nicht nur die Hälfte der Stimmen der anwesenden Parlamentarier, sondern mehr als die Hälfte aller möglichen 620 Bundestagsstimmen, also 311. Seehofer verlangte bei einer Sitzung des CSU-Vorstands in München, notwendig sei eine sogenannte Kanzlermehrheit. Union und FDP müssten bei der bislang wichtigsten Entscheidung in dieser Legislaturperiode zeigen, dass die Bundesregierung handlungsfähig sei.
Merkel geht dagegen von einer einfachen eigenen Mehrheit ihrer Koalition aus. Die Kanzlermehrheit erachte sie nicht für nötig, betonte die Kanzlerin in der ARD-Sendung "Günther Jauch".
EU-Kommissar warnt vor neuer Bankenkrise
Derweil warnte der Währungskommissar der Europäischen Union, Olli Rehn, vor einer neuen Bankenkrise in Europa. "Die derzeitige Krise ist eine ernsthafte Kombination aus einer Staatsschuldenkrise und Schwächen im Bankenbereich. Wir können das eine nicht ohne das andere lösen - wir müssen beides lösen", sagte er der Zeitung "Die Welt". Nötig sei "eine stärkere Rekapitalisierung der Banken, um das Risiko einer Kreditklemme zu reduzieren und damit eine weitere Eintrübung der Konjunktur, wie sich gerade in Europa und in den USA zeigt, zu verhindern", so Rehn.