Treffen mit Wirtschaftsnobelpreisträger Krugman "2009 macht mir größte Angst"
Paul Krugman gilt derzeit als Star der Stars unter den Ökonomen. Erst vor wenigen Tagen erhielt er den Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften für die Analyse von Handelsstrukturen. Bei einem Treffen mit Journalisten warf er einen finanzpolitischen Blick auf das kommende Jahr und prognostizierte düstere Aussichten.
Von Klaus Kastan, BR-Hörfunkstudio Washington
Eigentlich könnte Paul Krugman zurzeit bestens gelaunt sein. Vom Nobelpreis-Kommitee hat er gerade als frisch gebackener Preisträger in der Disziplin "Wirtschaftswissenschaften" 1,2 Millionen Dollar überwiesen bekommen. Er ist derzeit der Star der Stars unter den großen Ökonomen dieser Welt. Aber so rechte Freude mag bei ihm nicht aufkommen, gibt er bei einem Mittagessen mit Journalisten im Washingtoner National Press Club unumwunden zu: "Ich habe eine Riesenangst vor dem nächsten Jahr. Wenn wir aber das gut durchstehen, dann bin ich ganz optimistisch, was das darauffolgende Jahr anbelangt."
Aber durchgestanden ist das nächste Jahr noch lange nicht. Der Nobelpreisträger analysiert die derzeitige finanzpolitische Lage. Dabei zielt er nicht nur auf die hausgemachten amerikanischen Schwierigkeiten ab, sondern sieht auch Probleme in Europa auf die globalen Finanzmärkte zukommen: "Das zweitgrößte Problem, das eintreten könnte, finden wir an der Peripherie Europas. Das sind Schwierigkeiten von Ländern, die in den zurückliegenden Jahren unglaubliche Kapitalmengen aufgenommen haben in dem Glauben, dass sie ja zu Europa gehören würden und damit abgesichert seien."
"Lettland ist für mich das neue Argentinien"
Krugman spielt damit auf Lettland und die Ukraine an: "Lettland ist für mich das neue Argentinien und die Ukraine das neue Indonesien. Die Entwicklungen sind vergleichbar mit dem, was vor einigen Jahren in diesen Ländern zum ökonomischen Kollaps geführt hat. Lettland und die Ukraine sind zwar keine großen Wirtschaftsmächte, aber wenn man die Probleme dort ergänzt mit den Schwierigkeiten auf dem spanischen und dem britischen Immobilienmarkt, dann könnte sich das zu einem zweiten Epizentrum der weltweiten Finanzkrise entwickeln."
Lob auf Staatseingriffe und Konjunkturprogramme
Krugman ist kein Wirtschaftsliberaler, der alles dem Markt überlassen möchte. Seit Jahren kritisiert er die Bush-Regierung für ihre Passivität auf den Finanzmärkten. Krugman bezeichnet sich selbst als einen "Freien-Markt-Keynesianer". Er befürwortet Staatseingriffe und staatliche Konjunkturprogramme in Zeiten von Wirtschaftskrisen. In diesem Zusammenhang kritisierte er auch jüngst die Bundesregierung in Berlin, dass sie sich in ihrem Investitionsverhalten momentan zu passiv zeige.
Zu den in den letzten Monaten in Washington verabschiedeten Rettungspaketen gibt es aus seiner Sicht keine wirkliche Alternative: "Speziell in den letzten Wochen haben die Programme erste Wirkung gezeigt. Die Hypothekenzinsen gingen nach unten genauso wie die Zinsen auf dem Kapitalmarkt. Da gab es positive Entwicklungen - dank des aggressiven Verhaltens der US-Notenbank."
"Je mehr desto besser"
Jetzt setzt Krugman auf Barack Obama. Vollkommen richtig sei, dass der designierte Präsident ein umfangreiches Konjunkturprogramm plane und zwar mit direkten Investitionen in die Infrastruktur des Landes.
Den Brücken- und Straßenbau zum Beispiel. Oder den Bau von Schulen und Krankenhäusern. Krugmans Forderung lautet: Je mehr desto besser. Seiner Meinung nach würden nicht einmal die 850 Milliarden Dollar reichen, die Obama investieren möchte. Denn 200 Milliarden Dollar Investionen im Jahr würden die Arbeitslosigkeit gerade einmal um ein Prozent senken.
Am Ende der Veranstaltung mit den Journalisten verabschiedete sich Krugman mit dem folgenden Satz: "Furchterregende Zeiten. Wir alle sollten uns viel Glück wünschen."