US-Autobauer im Aufwind Chrysler bejubelt sein Wiedererstarken
Heute eröffnet die wichtigste Automesse der USA: In Detroit ziehen zahlreiche Konzerne traditionell eine erste Bilanz des vergangenen Jahres und geben einen Ausblick auf die kommenden zwölf Monate. Der krisengeplagte US-Autobauer Chrysler zeigt sich optimistisch - und das mit Grund.
Von Klaus Kastan, BR-Hörfunkstudio Washington
Als vor einem Jahr zur Eröffnung der Detroiter Autoshow der neue Chef von Chrysler seinen Stand präsentierte, schüttelten die Autoexperten auf aller Welt verständnislos den Kopf. Warum? Deshalb: Oliver Francois sprach von Chrysler als einem Unternehmen, das am Abgrund stand. Im Hintergrund war Eminems Verlierer-Ballade "Lose Yourself" zu hören - ein Lied des Detroiter Musikers, das in der Autostadt in den zurückliegenden Jahren fast zu einer Trauerhymne geworden ist.
Doch Eminem singt in dem Song auch von der Gelegenheit, die sich nur einmal im Leben bieten würde. Und darauf nahm der französische Automanager im Dienste von Chrysler sicherlich Bezug. Heute, ein Jahr später, wissen wir: Francois erhielt die Gelegenheit - und er hat sie genutzt.
Vom Sorgen- zum Wunderkind
Wenn er heute zur Eröffnung der diesjährigen Internationalen Autoshow wieder die Journalisten in der Detroiter Cobo-Hall um sich versammeln wird, kann er stolz ein anderes Unternehmen präsentieren: Chrysler ist das Autowunder des Jahres 2011. Die Umsätze gingen um 25 Prozent nach oben. Acht Milliarden Dollar Schulden konnten an die amerikanische und die kanadische Regierung zurückbezahlt werden.
Das Geschäft boomt, vor allem auch im Heimatland USA. Michelle Krebs, die als Autoexpertin für den Verbraucherservice Edmunds tätig ist, sagt im Radiosender NPR: "Chrysler hatte nach den Krisenjahren bei weitem schlechtere Voraussetzungen für einen Neustart als General Motors und Ford. Das Unternehmen hatte bei weitem keine so große Produktpalette, sie waren von früheren Eigentümern ausgezehrt worden. Aber was sie jetzt unter diesen bescheidenen Bedingungen geschafft haben, ist phänomenal."
Hilfe aus Italien
Fragt man hier in Detroit nach dem Grund für die plötzliche Genesung von Chrysler, hört man nur einen Namen: Sergio Marchionne. Der unkonventionelle Fiat-Boss stieg im Sommer 2009 bei Chrysler ein, inzwischen gehören den italienischen Autobauern fast 58,5 Prozent der Chrysler-Anteile.
Die Folge: Mutter und Tochter kooperieren intensiv miteinander. Chrysler ist dabei, Fiat den amerikanischen Markt zu öffnen. Umgekehrt profitiert der US-Konzern von den relativ verbrauchsarmen italienischen Motoren. Außerdem stimmt man die Produktpalette aufeinander ab. Und: Die Autos von Chrysler sind zuverlässiger geworden, bestätigt David Champion von Consumer Reports: "Chrysler hat seine Marken verbessert. Der Jeep Cherokee, Dodge Dorengo und auch Chrysler 200 haben bei unseren Untersuchungen zur Verlässlichkeit von Autos schon im ersten Jahr hervorragend abgeschnitten."
Vom Retter zum Geretteten
Dass man bei Chrysler in Detroit trotzdem noch nicht die Champagner-Korken knallen lässt, hat mit der Ungewissheit der Konjunktur zu tun. Sorge bereitet, dass es dem Retter Fiat inzwischen aufgrund der kritischen Finanzlage in Italien schlechter geht. Inzwischen können sich die Italiener über die Gewinne der amerikanischen Tochter freuen, sagt Michelle Krebs: "Zur Zeit unterstützt Chrysler bereits Fiat. Der Grund: Der europäische Markt geht wegen der Euro-Schuldenkrise ungewissen Zeiten entgegen - und Italien ist das Zentrum dieser Krise."
Doch eins steht auch fest: Chrysler hat vorerst das geschafft, was dem früheren Eigner Mercedes nicht gelungen ist. Chrysler ist endlich wieder auf dem Weg nach oben. Zum ersten Mal seit sechs Jahren schrieb der kleinste der drei Detroiter Autohersteller 2011 wieder schwarze Zahlen.