Stimmung auch bei Dienstleistern trübe Rezessionssignale mehren sich
Die deutsche Wirtschaft steuert im laufenden Jahr auf eine Schrumpfung zu. Eine aktuelle Befragung unter Einkaufsmanagern zeigt, dass neben der Industrie inzwischen auch der Dienstleistungssektor schwächelt.
Die Rezession in Deutschland scheint nach den Umfrage-Ergebnissen unter 800 Unternehmen aus der Privatwirtschaft noch wahrscheinlicher. Neben dem verarbeiteten Gewerbe dürfte nun auch Service-Sektor vor einer Schrumpfung stehen. Die Umfrage für den Monat Juli durch den Finanzdienstleister S&P Global zeichnet ein überraschend trübes Bild für die deutsche Wirtschaft, aber auch die gesamte EU.
Die Einkaufsmanager der Unternehmen werden bei Erhebungen dieser Art etwa nach aktuellen Auftragseingängen und Auftragsbeständen, aber auch nach Einkaufs- und Verkaufspreisen und nach der Beschäftigtenzahl befragt.
Wachstumsschwelle 50 Punkte
Liegt der daraus ermittelte Index bei über 50 Punkten, wird von einem Wachstum im jeweiligen Wirtschaftssektor ausgegangen. Werte unter 50 Zählern deuten auf einer Schrumpfung in der jeweiligen Branche hin. Der Einkaufsmanagerindex von S&P Global für Deutschland insgesamt lag im Juli bei nur noch 44,7 Punkten.
Das bedeutet eine deutliche Verschlechterung gegenüber dem Juni-Wert, der bei 48,5 Zählern gelegen hatte. Der Wert ist damit auch deutlich schwächer, als Ökonomen erwarteten, die die Nachrichtenagentur Reuters befragt hatte: Sie rechneten im Schnitt mit einem minimalen Rückgang auf 48,3 Zähler. Der Rückgang ist vor allem auf ein Schwächeln der Service-Branche zurückzuführen, deren Wert nun deutlich unter der Wachstumsschwelle liegt: bei 47,3 Zählen nach 52,3 Punkten im Juli.
Dienstleister fallen als Wachstumstreiber aus
Experten wie Thomas Gitzel, Chefvolkswirt der VP Bank zeigen sich negativ überrascht: "Bislang war der Dienstleistungssektor noch der Hoffnungsschimmer, doch jetzt scheint auch hier erst einmal die Luft raus zu sein". Beim Blick auf den Einkaufsmanagerindex für das Verarbeitende Gewerbe komme einem mitten im Hochsommer weiterhin das Frösteln, auch wenn hierbei überraschend auf tiefem Niveau eine Verbesserung zu verbuchen sei.
Der Industrieindex liegt mit aktuell 39,1 Zähler weit von der Wachstumsschwelle entfernt. "Die Hoffnung, dass die Dienstleister die deutsche Wirtschaft retten könnten, hat sich in Luft aufgelöst", meint auch Chefvolkswirt Cyrus de la Rubia von der Hamburg Commercial Bank (HCOB).
Rezession auch in der Eurozone?
Auch in der Eurozone zeigen die Zeichen nach den Juli-Daten eher inzwischen auf Abschwung. Auch hier liegen die Einkaufsmanager-Indizes sowohl in der Industrie als auch im Dienstleistungsgewerbe unter der 50-Punkte-Marke. Der überraschend deutliche Rückgang der Unternehmensstimmung im Euroraum deutet laut Experten nun auch hier auf eine Rezession hin. Der Wert von 47,0 Zählern ist der tiefste Stand seit November 2020. Es ist der vierte Rückgang in Folge.
Noch im Mai hatte die EU-Kommission ihre Wachstumsprognose auf 1,0 Prozent für den Euroraum angehoben. Für Deutschland hatte die Mehrheit der Wirtschaftsexperten bereits mit einer Rezession, also dem Rückgang des Bruttoinlandsprodukts (BIP), gerechnet. Das ifo-Institut etwa ging zuletzt in seiner Konjunkturprognose aus dem Juni für 2023 von einem Rückgang des BIP um 0,4 Prozent aus, während für 2024 wieder mit einem moderaten Wachstum gerechnet wurde.
Zinspause wird wahrscheinlicher
Die derzeitige Entwicklung könnte auch die Geldpolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) beeinflussen. Sollte sich die Konjunktur EU-weit abkühlen, könnte die Serie von Zinserhöhungen im Euro-Raum eine längere Pause nehmen. EZB-Direktor Fabio Panetta hatte bereits Skepsis mit Blick auf eine weitere Straffung geäußert. Er gehört dem Lager der Tauben im EZB-Rat an, die für eine relativ lockere Linie eintreten und die Zinsen niedrig halten wollen, um das Wirtschaftswachstum zu fördern.
Laut Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer dürfte deren Position im EZB-Rat nun gestärkt sein, da seiner Ansicht nach nun alles auf ein Schrumpfen der Euro-Wirtschaft in der zweiten Jahreshälfte hindeutet: "Die EZB wird ihre optimistische Wachstumsprognose deutlich senken müssen. Vermutlich wird die EZB ihre Leitzinsen im September nicht weiter anheben."