Neue Konjunkturprognose IW-Ökonomen erwarten weiteres Rezessionsjahr
Unter anderem wegen der Haushaltskrise rechnet das Institut der deutschen Wirtschaft für 2024 mit einer Rezession. Auch ein weiteres Wirtschaftsforschungsinstitut senkt seine Prognose, rechnet aber mit einem leichten Wachstum.
Angesichts der weltweiten Krisen und des Streits um den Bundeshaushalt erwartet das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) einen Rückgang der deutschen Wirtschaftsleistung auch im kommenden Jahr. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) werde 2024 voraussichtlich um 0,5 Prozent zurückgehen, teilte das arbeitgebernahe Institut heute mit. Es wäre das zweite Jahr mit schrumpfender Wirtschaft in Folge.
"Deutschland steht unter großen Ländern allein da"
"Mit diesen schlechten Wirtschaftsaussichten steht Deutschland unter den großen Ländern allein da", so das IW. In den USA werde die Wirtschaft um 1,25 Prozent wachsen, in Frankreich um 0,75 Prozent und in China um 4,5 Prozent.
Die Bundesregierung ging hierzulande zuletzt von 1,3 Prozent Wachstum im kommenden Jahr aus. Der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, der die Regierung berät, prognostizierte in ihrem Jahresgutachten ein Plus von 0,7 Prozent. Nach Einschätzung des IW bleiben die Rahmenbedingungen dagegen so schlecht, dass dies nicht gelingen wird.
Besonders der Streit über den Bundeshaushalt habe Unternehmen verunsichert. Viele stellten ihre Investitionen zurück, heißt es in der Analyse. Für die Prognose untersuchten die IW-Forscher in Modellrechnungen, wie sich das auf die Konjunktur auswirkt. Demnach fallen Staatsausgaben von über 20 Milliarden Euro weg. Das drücke das BIP um rund 0,5 Prozent nach unten. "Im schlimmsten Fall ist sogar ein Rückgang von einem Prozent möglich."
Prognose vor Einigung beim Bundeshaushalt
"An dieser Krise hat die Bundesregierung entscheidend mitgewirkt", sagte IW-Direktor Michael Hüther. Daher müsse die Ampelkoalition jetzt finanzpolitische Handlungsfähigkeit beweisen. Die Wirtschaft sei zwingend auf Investitionsimpulse angewiesen. "Kurzfristig kann ein Sondervermögen, ähnlich dem der Bundeswehr, Abhilfe schaffen", so Hüther. "Langfristig muss eine Reform der Schuldenbremse auf die Agenda."
Das IW veröffentlichte seine Prognose, bevor die Einigung der Regierung über den Bundeshaushalt 2024 bekannt wurde. Nach wochenlangen Verhandlungen hatten die Spitzen der Regierung in der vergangenen Nacht einen Durchbruch erzielt.
Darüber hinaus begründet das IW seine Prognose mit den schlechten Bedingungen in der Weltwirtschaft und der unsicheren geopolitischen Lage. Der globale Welthandel werde 2024 voraussichtlich nur um ein Prozent zulegen. Darunter leidet die exportorientierte deutsche Wirtschaft. Die Industrie werde 2024 im vierten Jahr in Folge stagnieren, schätzt das IW. Seit zwei Jahren bekommen die Unternehmen demnach weniger Aufträge aus dem Ausland - viele hielten sich daher mit Investitionen zurück.
Da das IW keine Senkung der Zinsen erwartet, rechnet es außerdem mit einem weiteren schwachen Jahr für die Bauwirtschaft. In der Dienstleistungswirtschaft gehe es allerdings "sachte aufwärts". Denn bei der Inflation rechnen die Forscher mit Entspannung. Demnach werden die Verbraucherpreise im kommenden Jahr mit durchschnittlich drei Prozent nur noch halb so stark steigen wie 2023.
IfW erwartet noch leichtes Wachstum
Trotz der sinkenden Inflation und der damit verbundenen steigenden Reallöhne blickt auch das Kieler Institut für Weltwirtschaft (IfW) pessimistischer auf die deutsche Konjunktur, geht aber weiter von einem leichten Wachstum aus. Das Bruttoinlandsprodukt werde im kommenden Jahr nur um 0,9 Prozent statt der bisher erwarteten 1,3 Prozent wachsen, heißt es in der heute veröffentlichten Winterprognose.
"Die deutsche Wirtschaft müht sich aus der Stagnation", erklärten die Forscher. "Eine große konjunkturelle Dynamik ist nicht absehbar." Impulse sollen in erster Linie von den Verbrauchern kommen. Gegenwind erwartet das IfW für den Bau und für die Exportwirtschaft.
Mittelstand befürchtet eine längere Talfahrt
Auch einer aktuellen Umfrage des Bundesverbandes der mittelständischen Wirtschaft (BVMW) zufolge hat sich die konjunkturelle Lage eingetrübt. Mehr als 84 Prozent der über 1.200 mittelständischen Unternehmen sehen die konjunkturelle Situation gegenüber dem Vorjahr als "verschlechtert" oder sogar "erheblich verschlechtert" an. Rund 43 Prozent der befragten Mittelständler gaben an, dass sich die Lage der eigenen Firma verschlechtert habe.
Etwa 40 Prozent erwarten dies auch für 2024. "Wir reden hier schon lange nicht mehr nur über eine Delle in der Konjunktur, sondern über eine substanzielle, hausgemachte Krise", so der Vorsitzende der BVMW-Bundesgeschäftsführung, Christoph Ahlhaus.
Schon zum Jahresende 2023 könnte die deutsche Wirtschaft in die Rezession gekippt sein. Davon sprechen Experten, wenn die Wirtschaftsleistung zwei Quartale in Folge sinkt. Laut dem Statistischen Bundesamt ging das BIP im dritten Quartal um 0,1 Prozent zurück.