Deutschland beinahe Schlusslicht EU-Kommission senkt Konjunkturprognose ab
Die EU blickt etwas skeptischer auf die Wirtschaft im Euroraum. Besonders schlecht schneidet Deutschland ab. Hier erwartet die Kommission in diesem Jahr nur noch 0,1 Prozent Wachstum. Doch es gibt auch Hoffnung.
Die EU-Kommission hat ihre Konjunkturprognose für das nächste Jahr leicht abgesenkt. Sie rechnet in der Eurozone mit einem Plus beim Bruttoinlandsprodukt (BIP) von 1,4 Prozent. Das geht aus der heute vorgelegten Frühjahrsprognose hervor. Im Februar hatte die Kommission hier noch 1,5 Prozent Wachstum vorhergesagt.
Für das Jahr 2024 rechnet die EU mit einem Anstieg des BIP von 0,8 Prozent in der Eurozone. Die europäische Wirtschaft habe sich Anfang 2024 deutlich erholt, was zeige, dass nach dem sehr herausfordernden Jahr 2023 nun die Wende geschafft sei, sagte EU-Wirtschaftskommissar Paolo Gentiloni.
Erholung der Kaufkraft
"Wir erwarten im Laufe dieses und des nächsten Jahres, dass sich das Wachstum allmählich beschleunigt, da der private Konsum gestützt wird durch sinkende Inflation, eine Erholung der Kaufkraft und anhaltendes Beschäftigungswachstum", so Gentiloni.
Der EU-Wirtschaftskommissar sieht allerdings auch zunehmend Abwärtsrisiken und verwies auf den Konflikt im Nahen Osten und den Krieg Russlands in der Ukraine. "Unsere Prognose bleibt mit hoher Unsicherheit behaftet - bei zwei Kriegen, die unweit der Heimat weiter toben."
In den ersten drei Monaten des Jahres war das BIP im Euroraum um 0,3 Prozent im Vergleich zum Vorquartal gewachsen, wie das EU-Statistikamt Eurostat in Luxemburg bestätigte. Damit ist die Wirtschaft der Euro-Zone im ersten Quartal in die Wachstumsspur zurückgekehrt und hat ihre Rezession beendet. In den beiden vorangegangenen Quartalen war das BIP noch um jeweils 0,1 Prozent gesunken, weshalb die Währungsunion in eine Rezession abrutschte.
Deutschland fast Schlusslicht
Pessimistischer sieht die Kommission vor allem die Lage in Deutschland. Hier traut sie der Wirtschaft in diesem Jahr nur noch 0,1 Prozent Wachstum zu. Im EU-Vergleich sind die Aussichten nur für Finnland (0,0 Prozent) und Estland (-0,5 Prozent) noch schlechter. Als Gründe werden etwa eine schwache Auslandsnachfrage, ein schleppender privater Konsum und zu geringe Investitionen genannt. Zuletzt hatte die Kommission der Bundesrepublik für 2024 ein Wachstum von 0,3 Prozent vorausgesagt.
Deutschlands Wirtschaft soll nach der Prognose Kommission 2025 allerdings nicht mehr stagnieren, sondern wieder stärker wachsen, wenn auch langsam. Vorausgesagt wird ein Plus von 1,0 Prozent. Grund für das moderate Wachstum wird auch hier eine langsam anziehende Inlandsnachfrage wegen steigender Reallöhne sein. "Die Exporte werden den Prognosen zufolge auch 2024 nur schleppend wachsen und sich 2025 langsam erholen", heißt es.
Gleichzeitig werde 2025 eine Erholung des Investitionswachstums erwartet. Wegen der anhaltend hohen Wohnungsnachfrage in Deutschland rechnet die Kommission zudem damit, das ab dem zweiten Halbjahr 2024 eine Erholung im Bau die Lage unterstützen wird.
Wirtschaftsweise senken Prognose deutlich
Die "Wirtschaftsweisen" haben ihre Konjunkturprognose für dieses Jahr ebenfalls gesenkt. Wie das Beratergremium der Bundesregierung mitteilte, wird nur noch mit einem Plus des Bruttoinlandsprodukts von 0,2 Prozent gerechnet. Im vergangenen Herbst hatten die "Wirtschaftsweisen" noch ein Wachstum von 0,7 Prozent prognostiziert.
Die Entwicklung der deutschen Wirtschaft werde von einer schwachen gesamtwirtschaftlichen Nachfrage geprägt, teilte der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung mit.
Inflationsrate im Vergleich zum Vorjahr gesunken
Die EU-Kommission veranschlagt in ihren Prognosen einen bereits im laufenden Jahr deutlich nachlassenden Preisdruck. Sie erwartet 2024 für Deutschland eine für den europäischen Vergleich berechnete Teuerungsrate (HVPI) von 2,4 Prozent. Im vorigen Jahr lag diese Inflationsrate hierzulande noch bei 6,0 Prozent.
Für die Euro-Zone erwartet die Kommission für das laufende Jahr eine Inflation von 2,5 Prozent, die sich 2025 auf 2,1 Prozent abschwächen dürfte. Das wäre sehr nah am Zielwert von 2,0 Prozent der Europäischen Zentralbank (EZB), die dies als ideal für die Konjunktur ansieht.