Lage der deutschen Wirtschaft Mit Konjunktur-Optimismus ins Frühjahr
Immer klarer wird, dass die deutsche Wirtschaft in diesem Jahr um eine Rezession herumkommt. Die führenden Wirtschaftsforschungsinstitute rechnen angesichts sinkender Energiepreise mit einem Mini-Wachstum von 0,3 Prozent.
Die wichtigsten deutschen Wirtschaftsforschungsinstitute blicken mit wachsender Zuversicht auf die konjukturelle Lage in Deutschland. Noch im Herbst hatten die Institute erwartet, dass die Energiekrise in diesem Jahr zu einer Rezession führen könnte. Nun rechnen sie damit, dass das Bruttoinlandsprodukt gegenüber dem Vorjahr um 0,3 Prozent wächst, wie es in der heute vorgestellten Gemeinschaftsdiagnose für die Bundesregierung heißt.
Gesunkene Energiepreise dämpfen Kaufkraftverluste
"Der konjunkturelle Rückschlag im Winterhalbjahr 2022/2023 dürfte glimpflicher ausgefallen sein als im Herbst befürchtet", erklärte der Konjunkturchef des ifo-Instituts, Timo Wollmershäuser. Maßgeblich sei ein "geringerer Kaufkraftentzug infolge deutlich rückläufiger Energiepreise".
Im Herbst hatten die Experten unter dem Eindruck der Energiekrise noch ein Minus von 0,4 Prozent veranschlagt. Auch eine Rezession - also ein Schrumpfen der Wirtschaftsleistung in zwei aufeinander folgenden Quartalen - im gerade beendeten Winterhalbjahr erwarteten sie. Dazu kommt es der neuen Prognose zufolge nun aber nicht.
Inflationsrate dürfte 2024 spürbar fallen
Keine Entwarnung gibt es von den Forschern hingegen bei den Verbraucherpreisen: Die Inflationsrate dürfte in Deutschland im Gesamtjahr demnach bei immer noch hohen 6,0 Prozent liegen - nach 6,9 Prozent im Jahr 2022. Erst im kommenden Jahr sei mit einem spürbaren Rückgang auf 2,4 Prozent im Jahresdurchschnitt zu rechnen.
Staatliche Entlastungsmaßnahmen und erwartete Lohnsteigerungen "stärken die Binnennachfrage und halten den heimischen Preisauftrieb hoch", hieß es von Seiten der Forscher.
Mehr Erwerbstätige erwartet
Gute Nachrichten halten die Institute jedoch für den Arbeitsmarkt parat. Die Zahl der Erwerbstätigen dürfte weiter zunehmen - von rund 45,6 Millionen im vergangenen Jahr auf rund 46,0 Millionen im kommenden.
Die Zahl der Arbeitslosen dürfte allerdings in diesem Jahr vorübergehend von 2,42 auf 2,48 Millionen zulegen, "da die ukrainischen Flüchtlinge nicht sofort auf dem Arbeitsmarkt Fuß fassen". 2024 dürfte die Arbeitslosenzahl dann wieder auf 2,41 Millionen sinken.
Bald straffere Finanzpolitik in Deutschland?
Unterdessen naht nach Einschätzung der Forscher das Ende der lockeren Finanzpolitik. In diesem Jahr dürfte das staatliche Defizit im Verhältnis zur Wirtschaftsleistung leicht zurückgehen: auf 2,2 Prozent. 2024 werde der Anteil nur noch bei 0,9 Prozent liegen.
In der Corona-Pandemie waren die Schulden deutlich nach oben geschossen. Bundesfinanzminister und FDP-Chef Christian Lindner will nun auf einen vorsichtigeren Kurs umschwenken. Das sorgt in der Ampel-Koalition mit SPD und Grünen für Streit, könnten dadurch doch einige Projekte der Regierung womöglich nicht finanziert werden.
Basis für die Prognose der Bundesregierung
Die Gemeinschaftsdiagnose dient der Bundesregierung als Basis für ihre Projektionen und die Steuerschätzung. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck wird im Frühjahr eine aktualisierte Prognose vorlegen. In ihrem im Januar veröffentlichten Jahreswirtschaftsbericht ging die Bundesregierung für das laufende Jahr noch von einem Wachstum von 0,2 Prozent aus.
Erarbeitet wurde die Frühjahrsprognose vom RWI in Essen, dem ifo-Institut in München, dem IfW in Kiel und IWH in Halle. Als Kooperationspartner wirkten das Österreichische Institut für Wirtschaftsforschung (WIFO) und das Institut für Höhere Studien Wien mit. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin pausiert wegen des Umbaus der hauseigenen Konjunkturforschung, will aber im Herbst wieder dabei sein.
Industrie-Aufträge steigen stark
Zuletzt hatten sich die positiven Konjunktursignale hierzulande gehäuft. So legte der wichtigste deutsche Frühindikator, der ifo-Geschäftsklimaindex, im März den fünften Monat in Folge zu. Heute Morgen kamen nun erfreuliche Nachrichten von der deutschen Industrie: Im Februar ist die Zahl neuer Aufträge im Monatsvergleich um 4,8 Prozent gestiegen - so stark wie seit Juni 2021 nicht mehr.
"Mit Blick auf die Zukunft haben sich die Aussichten für die deutsche Industrie deutlich aufgehellt", so Carsten Brzeski, Chefvolkswirt ING Bank. Der Commerzbank-Ökonom Ralph Solveen verweist hingegen auf die weltweiten Zinserhöhungen. Diese dürften in den kommenden Monaten auch die deutsche Wirtschaft merklich bremsen.
Forscher fordern weitere EZB-Zinserhöhungen
Auch die Europäische Zentralbank (EZB) sollte weiter auf Zinserhöhungskurs bleiben, fordern die führenden deutschen Wirtschaftsforschungsinstitute in ihrem Frühjahrsgutachten. Die Forscher gehen davon aus, dass die Leitzinsen bis zum Sommer noch um 0,5 Prozentpunkte steigen werden. "Aber es ist nicht ganz klar, ob das dann ausreicht, um die Inflation wieder runterzubringen", so ifo-Ökonom Wollmershäuser. Womöglich könne "der eine oder andere Zinsschritt" noch folgen.