BIP überraschend gesunken Deutsche Wirtschaft schrumpft im zweiten Quartal
Deutschlands Wirtschaft ist im zweiten Quartal überraschend geschrumpft. Vor allem Investitionen in Ausrüstungen wie Maschinen sowie in Bauten nahmen ab. Damit hinkt Deutschland anderen großen EU-Staaten hinterher.
Die deutsche Wirtschaft ist im zweiten Quartal überraschend geschrumpft. Das Bruttoinlandsprodukt sank von April bis Juni um 0,1 Prozent zum Vorquartal, wie das Statistische Bundesamt heute mitteilte. Vor allem die Investitionen in Ausrüstungen wie Maschinen sowie in Bauten hätten abgenommen.
"Der unerwartete Rückgang des Bruttoinlandsprodukts im zweiten Quartal um 0,1 Prozent zeigt wieder einmal, dass von einem nennenswerten Aufschwung in Deutschland keine Rede sein kann", so Jörg Krämer, Chefökonom der Commerzbank. Von der Nachrichtenagentur Reuters befragten Experten hatten im Vorfeld ein minimales BIP-Wachstum von 0,1 Prozent erwartet - nach 0,2 Prozent zu Jahresbeginn.
Euro-Zone wächst stärker als gedacht
Deutschland lag damit schon zu Jahresbeginn leicht unter dem EU-Durchschnitt und hinkt nun weiter hinterher. Denn die gesamte Euro-Zone verzeichnete nun im zweiten Quartal - trotz der Schwäche in Deutschland - ein überraschend starkes Wachstum: Die Wirtschaft in der Euro-Zone wuchs um 0,3 Prozent im Vergleich zum ersten Quartal, wie das EU-Statistikamt Eurostat heute mitteilte. Von Reuters befragte Ökonomen hatten lediglich mit einem Plus von 0,2 Prozent gerechnet.
Zugpferde für die europäische Wirtschaft waren andere Staaten: Etwa Spanien und Irland mit einem Plus von 0,8 beziehungsweise 1,2 Prozent. Auch Frankreich schaffte ein Wirtschaftswachstum von Plus 0,3 Prozent.
Indikatoren deuteten auf Fehlstart hin
Die deutsche Wirtschaft dagegen kommt einfach nicht vom Fleck, die Konjunktur in der größten Volkswirtschaft Europas dümpelt seit längerem vor sich hin: Bereits seit dem Frühjahr 2022 gibt es ein ständiges Pendeln um die Null-Linie, ein Aufschwung sieht anders aus. "Als Kernursachen sind schwierige Standortfaktoren und die verunsichernde Wirtschaftspolitik zu nennen. Das beständig sinkende Auftragspolster in der Industrie ist kein Zufall, es gefährdet zudem Arbeitsplätze", urteilt Alexander Krüger, Chefvolkswirt der Hauck Aufhäuser Lampe Privatbank.
Denn Gegenwind für die deutsche Wirtschaft gibt es reichlich: Auf den Weltmärkten hat China als Wachstumstreiber an Schwung verloren, im lnland steigt die Zahl der Firmenpleiten. Eine erste Zinssenkung der Europäischen Zentralbank im Juni hat für die deutsche Wirtschaft noch keine durchschlagende Besserung gebracht.
Viele Ökonomen hatten einen Aufschwung eigentlich für die zweite Jahreshälfte erwartet. Doch Konjunkturbarometer zeugten bereits vor der Veröffentlichung der BIP-Zahlen von einem Fehlstart ins zweite Halbjahr: So sank der ifo-Geschäftsklimaindex - der als wichtigster Frühindikator für Europas größte Volkswirtschaft gilt - im Juli bereits den dritten Monat in Folge. "Die deutsche Wirtschaft steckt in der Krise fest", sagte ifo-Präsident Clemens Fuest dazu.
EM als kurzfristiger Boost?
Dagegen hat sich die Stimmung unter den Verbrauchern zuletzt merklich aufgehellt - auch durch die Fußball-Europameisterschaft im eigenen Land. Die Bereitschaft zu größeren Anschaffungen ist so groß wie seit März 2022 nicht mehr, wie die Konsumforscher der GfK und das Nürnberg Institut für Marktentscheidungen (NIM) bei ihrer Umfrage herausfanden.
Doch bleibt unklar, ob dies von Dauer ist oder ein von der EM-Euphorie befeuertes "kurzzeitiges Aufflackern" war, meint der Nürnberger Konsumforscher Rolf Bürkl. Zuletzt sind die Reallöhne wieder kräftiger gestiegen, weil die Inflation nachgelassen hat und die Verdienste deutlich zugelegt haben.
"Wachstumspaketchen" der Bundesregierung
Um die Wirtschaft im Land anzukurbeln, hat das Bundeskabinett jüngst die ersten Teile des Pakets zur Stärkung des Wirtschaftsstandorts verabschiedet. Es werden auch Abschreibungsmöglichkeiten erweitert, um Unternehmen Anreize zu Investitionen zu geben. In den kommenden Wochen und Monaten will die Ampel weitere Maßnahmen zur Standortstärkung auf den Weg bringen. Alle zusammen sollen im nächsten Jahr für einen zusätzlichen Wachstumsimpuls von rund einem halben Prozentpunkt sorgen. Das wären 26 Milliarden Euro zusätzliche Wirtschaftsleistung.
Die Chefin der Wirtschaftsweisen, Monika Schnitzer, geht davon aus, dass auch das Wachstumspaket der Ampelregierung keinen allzu großen Impuls für die Wirtschaft bewirken wird. Kurzfristig 0,5 Prozent mehr Wachstum könnten all diese Maßnahmen kaum bringen. Das sei "wenig realistisch". Der Präsident des Forschungsinstituts IfW, Moritz Schularick, spricht von einem "Wachstumspaketchen", dessen Impulse gering bleiben dürften: "Insgesamt ist es ein Weiter so und kein Aufbruch in eine Zeiten- oder Wachstumswende."
Schlechte Prognose des IWF
Der Internationale Währungsfonds schätzt die wirtschaftliche Lage hierzulande ähnlich pessimistisch ein und prophezeit für Deutschland in diesem Jahr nur noch ein Wachstum von 0,2 Prozent - die schwächste Rate aller führenden westlichen G7-Industriestaaten. Zum Vergleich: Für die Weltwirtschaft rechnet der IWF mit einem Plus von 3,2 Prozent. Längst ist eine Debatte um den Standort Deutschland entbrannt.