60 Jahre Sachverständigenrat Die klare Kante der Wirtschaftsweisen
Heute vor 60 Jahren unterzeichnete der damalige Bundespräsident Lübke das Gesetz über die Bildung eines "Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Lage". Seither beraten die Wirtschaftsweisen die Bundespolitik.
Wirtschaftsminister Ludwig Erhard hatte dafür geworben, Bundeskanzler Konrad Adenauer war skeptisch - wie viele Politiker nach ihm. Am Ende setzte sich Erhard durch, der "Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Lage" nahm in seine Arbeit auf.
Das Motiv des Wirtschaftsministers damals: Politik brauche den unabhängigen Rat von Ökonomen. Davon war Erhard überzeugt - unter anderem wegen einer gewissen Skepsis gegenüber der Politik selbst: "Die Sucht der Regierungen und Parlamente, populäre Maßnahmen zu vollziehen und allen Gruppenwünschen gerecht zu werden, führt in letzter Konsequenz zur Zerstörung der demokratischen Ordnung."
"Dickkopf" Ludwig Erhard setzt sich durch
Unabhängiger Rat: Das bedeutet auch Kritik, die Politik nicht immer gern hört. Auch der erste Bundeskanzler versuchte, seinen Wirtschaftsminister zu bremsen: "Konrad Adenauer soll ihn damals gewarnt haben: 'Erhard, wollen Sie sich eine Laus in den Pelz setzen?'", zitierte Angela Merkel Adenauer beim 50. Jubiläum des Sachverständigenrates. Und Olaf Scholz meinte jetzt zum 60. Geburtstag: "Historisch gesehen war es ein Glücksfall, dass Ludwig Erhard so ein Dickkopf war."
Ob das Willy Brandt und Helmut Schmidt auch so gesagt hätten? In den 70er-Jahren nahm sich der Sachverständigenrat die damals keynesianisch geprägte Wirtschaftspolitik vor - und stellte anstelle der Nachfrage Strukturprobleme in den Mittelpunkt, erinnert Stefan Kooths vom Institut für Weltwirtschaft in Kiel: "Die anzugehen und die Grundlage für ein tragfähiges Wachstumsmodell zu schaffen, das war sicher der größte Erfolg des Sachverständigenrates in den 70er-Jahren und darüber hinaus." Denn das, was die Wirtschaftsweisen sagten, wurde in den 1980er-Jahren unter CDU-Kanzler Helmut Kohl Politik.
Berühmt-berüchtigt für deutliche Worte
Später folgte der Sozialdemokrat Gerhard Schröder dem Rat der Sachverständigen: Viele Teile der Agenda 2010 stammten von ihnen, weshalb der Regensburger Ökonom Wolfgang Wiegard ein Gutachten im Jahr 2003 so vorstellte: "Wenn die Bundesregierung so wie im letzten Jahr auch in diesem Jahr aus unserem Gutachten Teile übernimmt, sind wir auch sehr hoffnungsfroh, dass es gelingt, dass Deutschland wieder auf einen höheren Wachstumspfad kommt."
Doch es gab immer wieder auch harsche Kritik. So 2009, als der damalige Vorsitzende Wolfgang Franz den Koalitionsvertrag der schwarz-gelben Koalition aufs Korn nahm: "Die Ausführungen zur Konsolidierung der öffentlichen Haushalte stellen Allgemeinplätze dar, und können in keiner Weise überzeugen", so Franz damals.
Keine Politik gegen wirtschaftliche Ratio
Auch andere Themen, die vom Sachverständigenrat immer wieder angesprochen werden, wie die Sicherung der Rente, stoßen bei der Politik auf wenig Gegenliebe. "Oftmals ist es ja so, dass sich kurzfristig die politischen Akteure immer nur das aus dem Gutachten herausnehmen, was ihnen gefällt und ihnen recht zu geben scheint", sagt der Kieler Ökonom Kooths. "Tatsächlich ist es aber so, dass auch die Beratung am Ende des Tages am längeren Hebel setzt, denn man kann nicht auf Dauer Politik gegen die ökonomische Rationalität machen."
Soll heißen: Auch wenn es manchmal dauert - wenn wirtschaftliche Probleme zu groß werden, hört man doch auf den Rat. Vor allem dann, wenn die Wirtschaftsweisen es schaffen, auch öffentliche Debatten anzustoßen, wie die aktuelle Vorsitzende des Rates Monika Schnitzer betont:
Wir sind ja nicht nur für die Politik da, sondern wir sollen auch die Öffentlichkeit informieren, da erleben wir doch viel Aufmerksamkeit, und das sollte auch der Fall sein.