Sachverständigenrat Regierung beruft neue "Wirtschaftsweise"
Monatelang waren zwei Positionen in Deutschlands wichtigstem Beratergremium für Wirtschaftsfragen unbesetzt. Heute hat das Kabinett die neuen Mitglieder berufen. Im Sachverständigenrat sind nun Ökonominnen in der Mehrheit.
Der seit Monaten unterbesetzte Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung - die sogenannten "Wirtschaftsweisen" - ist wieder komplett. Die Bundesregierung hat heute in einer Kabinettssitzung die beiden Ökonomen Ulrike Malmendier und Martin Werding berufen. Was sind die besonderen Fachgebiete der Wissenschaftler?
Die Mitglieder erstellen regelmäßig Gutachten zur konjunkturellen Lage Deutschlands. Diese enthalten auch Prognosen und sollen wirtschaftliche Fehlentwicklungen aufzeigen. Jeweils im November veröffentlichen die Wirtschaftsweisen ein umfangreiches Jahresgutachten. Hinzu kommen Sondergutachten und Expertisen zu ausgewählten Themen.
Ulrike Malmendier
Ulrike Malmendier ist Professorin für Wirtschaftswissenschaft an der University of California in Berkeley. Ihr Forschungsschwerpunkt ist Verhaltensökonomik. Sie gilt als Expertin für das Thema Inflation und konnte gemeinsam mit anderen Forschern etwa zeigen, dass die Inflationserwartungen der Menschen stark davon geprägt sind, ob sie in ihrem Leben mehr Erfahrungen mit hoher Inflation oder stabilen Preisen gemacht haben.
Von 1991 bis 1993 machte sie eine Ausbildung bei der Deutschen Bank zur Bankkauffrau. Anschließend studierte sie an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn Volkswirtschaftslehre und Rechtswissenschaft. Nach ihrer Promotion in Jura an der Universität Bonn im Jahr 2000 promovierte sie 2002 ein zweites Mal an der Harvard University.
Malmendier folgt auf den Ökonomen Lars Feld, der den Sachverständigenrat bereits vor eineinhalb Jahren verlassen hatte. Er war bis Ende Februar 2021 Vorsitzender, danach wurde sein Vertrag nicht verlängert.
Martin Werding
Martin Werding ist Professor für Sozialpolitik und Öffentliche Finanzen an der Ruhr-Universität Bochum. Seine Forschungsschwerpunkte sind Öffentliche Finanzen, Sozialpolitik, Bevölkerungsökonomie mit den Themen Migration und Fortpflanzung und Arbeitsmarktpolitik. Seit 2016 ist Werding zudem Mitglied der Akademie der Wissenschaften und der Literatur in Mainz.
Der Leverkusener studierte Philosophie und Volkswirtschaftslehre an der Ludwig-Maximilians-Universität München und an der Universität Passau. Von 2000 bis 2008 leitete er am Münchner ifo-Institut den Bereich Sozialpolitik und Arbeitsmärkte. 2007 hatte er eine Gastprofessur an der Hitotsubashi-Universität in Tokio.
Werding ersetzt Volker Wieland, der Ende April dieses Jahres vorzeitig aus dem Gremium ausgeschieden war. Er zieht auf Vorschlag der Arbeitgeber in das Gremium ein.
Die "Wirtschaftsweisen"
Aktuelle Mitglieder im Sachverständigenrat sind die Münchener Volkswirtin Monika Schnitzer, Veronika Grimm von der Universität Erlangen-Nürnberg und Achim Truger von der Universität Essen Duisburg. Die "Wirtschaftsweisen" werden auf Vorschlag der Bundesregierung vom Bundespräsidenten für fünf Jahre berufen.
Der Sachverständigenrat im vergangenen März: Monika Schnitzer, Achim Truger, das ehemalige Mitglied Volker Wieland und Veronika Grimm (v.l.)
Dass nun zwei neue Mitglieder in den Rat einziehen, beendet die Hängepartie des Gremiums, das zuletzt ohne Vorsitz nur zu dritt arbeitete. Normalerweise besteht der Sachverständigenrat aus fünf Mitgliedern; doch eineinhalb Jahre war das Gremium unterbesetzt. Als der Freiburger Ökonom Lars Feld im Frühjahr vergangenen Jahres ausschied, verschleppte die Große Koalition eine Nachfolge-Regelung. Erst konnte sich die Ampel-Regierung nicht auf einen Nachfolger einigen, dann sagten einige Ökonomen die angebotene Stelle ab. Im April zog sich dann auch Volker Wieland aus privaten Gründen vorzeitig aus dem Rat zurück.
Offen ist noch die Frage, wer nun den Vorsitz des Sachverständigenrates übernimmt. Achim Truger hat sich bereits für Monika Schnitzer ausgesprochen. Die Energieexpertin Veronika Grimm wurde von Volker Wieland unterstützt - eine Pattsituation, die sich so nun nicht wiederholen dürfte.