Gipfeltreffen in Cannes G20 wollen Banken in die Schranken weisen
Mehr Kapital für Banken und eine Überwachung sogenannter Schattenbanken - so wollen die G20 die Finanzmärkte sicherer machen. Außerdem verabschiedeten sie einen Aktionsplan für Wachstum, der aber wenig Konkretes enthält. Deutliche Kritik kam von Hilfsorganisationen und Globalisierungsgegnern.
Die 20 führenden Industrie- und Schwellenländer (G20) haben sich auf eine Reihe von Maßnahmen für mehr Sicherheit und Kontrolle auf den Finanzmärkte verständigt. Unter anderem sollen die weltweit größten Banken, die sogenannten systemrelevanten Banken, so umgebaut werden, dass Steuerzahler nicht mehr für Verluste aufkommen müssten, sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel nach dem G20-Gipfel in Cannes. Zu den 29 weltweit betroffenen Finanzinstituten, die ihr Kapital stärken müssen, gehören laut Merkel die Deutsche Bank und die Commerzbank. Dazu sollen ihnen strengere Auflagen zur Eigenkapitalquote gemacht werden - auch der EU-Gipfel hatte sich bereits für eine Erhöhung des Kernkapitals von Banken ausgesprochen.
Mehr Überwachung für Schattenbanken
Laut Abschlusserklärung des Gipfels soll außerdem der Bereich der sogenannten Schattenbanken künftig überwacht werden. Dabei handelt es sich um Institutionen, die - wie einige Hedgefonds - im Prinzip wie Banken handeln, aber nicht wie Banken beaufsichtigt werden. Vorerst soll der Finanzstabilitätsrat (FSB) bis Ende 2012 Methoden entwickeln, um diesen Bereich einkreisen zu können.
Generell wollen die G20 den FSB "reformieren" und dessen Möglichkeiten und Ressourcen stärken; dazu soll er mit einer "rechtlichen und einer größeren finanziellen Unabhängigkeit" ausgestattet werden. Chef des FSB war bisher Mario Draghi, der in dieser Woche an die Spitze der Europäischen Zentralbank (EZB) wechselte. Den Nachfolger müssen die G20-Länder benennen. Der FSB war von den G20 2009 als Reaktion auf die Finanzmarktkrise ins Leben gerufen worden; ihm gehören unter anderem die Notenbanken, Aufsichtsgremien und Finanzministerien der G20-Staaten an.
Aktionsplan enthält wenig Konkretes
Die führenden Industrie- und Schwellenländer einigten sich laut Merkel auch auf einen Aktionsplan für weltweites Wachstum. Er soll für eine bessere Zusammenarbeit der Länder in wirtschaftlichen Fragen sorgen. Das globale Wachstum sei in den vergangenen zwölf Monaten zurückgegangen, die Arbeitslosigkeit bewege sich auf einem Niveau, das nicht hingenommen werden könne, hieß es bereits im Entwurf der Abschlusserklärung des Gipfels. Merkel betonte, man sei sich auf G20-Ebene einig, dass man Wachstum nicht nur durch Konjunkturprogramme, sondern vor allem durch Strukturreformen erreichen wolle. Dafür sei auch der Abbau protektionistischer Maßnahmen notwendig. Konkrete Maßnahmen enthält das Papier aber offenbar nicht.
Finanztransaktionssteuer vom Tisch
Keine Fortschritte gibt es beim Thema Finanztransaktionssteuer. Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy hatte die Einführung einer Steuer auf Finanztransaktionen zu Jahresbeginn als eines seiner großen Ziele für seine G20-Präsidentschaft genannt.
"Hier gibt es leider die Positionen, die wir schon kennen. Einige sind dafür, andere sind nicht dafür", sagte Merkel. Deutschland und Frankreich hätten sich "sehr intensiv" für die Steuer eingesetzt. Länder wie die USA und Großbritannien lehnen die Steuer mit Rücksicht auf ihre Finanzzentren ab. Deutschland und Frankreich wollen die Steuer nun gegebenenfalls im Euroraum einführen, wo sie nicht auf die Zustimmung der britischen Regierung angewiesen sind.
Überschattet war das Treffen von der Griechenland-Krise. Hier mussten sich die Europäer bereits am ersten Tag des Gipfels einige Kritik unter anderem aus den USA anhören.
Kritik von Hilfsorganisationen und Globalisierungsgegnern
Mehrere Organisationen kritisierten die Ergebnisse des Gipfels deutlich. Das Treffen habe sich mehr mit den Problemen in der Eurozone als mit dem Hunger in der Welt beschäftigte, kritisierte ein Oxfam-Sprecher. Globalisierungsgegner, die parallel zum Gipfel in Nizza protestierten, sprachen von einer "völlig negativen Bilanz". Im Vorfeld habe Frankreich als Gastgeber mit dem Top-Thema Nahrungsmittelsicherheit bei den Hilfsorganisationen Hoffnung auf "neue Ideen" geweckt, sagte der World-Vision-Referent für Gesundheits- und Ernährungsthemen, Marwin Meier. "Unsere Erwartungen wurden leider zutiefst enttäuscht".
Kritik kam auch von der Umweltschutzorganisation WWF: "Auch wenn wir akzeptieren, dass eine Lösung der Probleme Griechenlands und der Euro-Zone wichtig ist, haben wir von den G20-Chefs umfassende und dauerhafte Lösungen der weltweiten Krise erwartet", sagte deren Sprecher Taneem Essop.
Die französische G20-Präsidentschaft, die mit dem Gipfel in Cannes endete, hatte sich eigentlich die Reform der Rohstoffmärkte auf die Fahnen geschrieben. Exzessive Spekulationen an den Warenterminbörsen, an denen Rohstoffe wie Mais, Weizen oder Reis gehandelt werden, sollten unterbunden werden. Die Spekulationen werden für die rapiden Preissteigerungen für Lebensmittel verantwortlich gemacht. Das Thema geriet jedoch angesichts der griechischen Schuldenkrise völlig in den Hintergrund.
Gabriel spricht von "schlimmen" Ergebnissen
Auch die deutsche Opposition zog eine vernichtende Bilanz des Treffens in Cannes. SPD-Chef Sigmar Gabriel bezeichnete die Ergebnisse als "schlimm" und kritisierte vor allem fehlende Fortschritte bei einer Finanztransaktionssteuer. Es sei offensichtlich bis heute nicht möglich, dass sich die Staaten zusammentun, "um endlich den Finanzmärkten das Handwerk zu legen und ihnen Regeln zu geben, dass wir nicht demnächst wieder in die Krise kommen", sagte er. Nur die Steuerzahler sollten jetzt die Zeche zahlen "für die gigantischen Schulden, die wir wegen der Bankenkrise haben machen müssen".
Die "Gruppe der 20" wurde 1999 ins Leben gerufen, um die Kooperation in Fragen des internationalen Finanzsystems zu verbessern. Zunächst trafen sich die G20-Staaten ausschließlich auf Ebene der Finanzminister, erst 2008 kamen erstmals die Staats- und Regierungschefs zu einem Gipfel zusammen.
Der G20 gehören alle Mitglieder der Gruppe der sieben wichtigsten Industriestaaten (G7) an: USA, Japan, Deutschland, Großbritannien, Frankreich, Italien und Kanada. Hinzu kommen Russland und China sowie die großen Schwellenländer Indien, Brasilien, Mexiko und Südafrika; außerdem Argentinien, Australien, Indonesien, Saudi-Arabien, Südkorea, die Türkei und die Europäische Union.