Krise in Griechenland Die Drachme als Chance?
Wie weiter mit Griechenland? Staatspleite und zurück zur Drachme? Und welche Folgen hätte das für den Euro? Volkswirte sind sich uneinig. Die einen sprechen von einer "Katastrophe für den Euro", andere rechnen kaum mit Turbulenzen, geschweige denn einem Aus für die gemeinsame Währung.
Von Wolfgang Krenz, HR, für tagesschau.de
Es ist ein griechisches Paradoxon: Zwei Drittel aller Griechen wollen, dass ihr Land in Europäischen Union bleibt, zwei Drittel aber haben vergangenen Sonntag Parteien gewählt, die den harten Sparkurs der EU ablehnen. Vieles läuft jetzt auf Neuwahlen Mitte Juni hinaus. Doch dann könnte Griechenland schon kurz vor der Staatspleite stehen, mit vielfältigen Folgen.
So steht die Zentralbank in Athen bei der Europäischen Zentralbank (EZB) mit rund 150 Milliarden Euro in der Kreide. Auf die Bundesbank entfallen nach dem Kapitalschlüssel der EZB etwas mehr als ein Viertel, also knapp 40 Milliarden Euro. Für jeden Bundesbürger wären das 500 Euro.
Griechenland braucht laufend Hilfsgelder
Der Europäische Krisenfonds hat nun trotz der politischen Unsicherheiten Hilfsgelder in Höhe von 4,2 Milliarden Euro an Athen überwiesen. Eine weitere Milliarde folgt im Juni. Diese Beträge fließen jedoch auf ein separates Konto, das alleine zur Rückzahlung der Schulden genutzt werden darf. Allerdings benötigt Griechenland laufend frisches Geld, um überhaupt Renten und Beamtengehälter zahlen zu können. Neue Hilfen sind noch nicht freigegeben und mit weiteren Sparauflagen verknüpft - werden die nicht erfüllt, ist das Land bankrott.
"Die Zeit drängt tatsächlich", meint Dr. Ulrich Kater, Chefvolkswirt der Deka Bank in Frankfurt. Aber noch könne Europa abwarten, wie sich eine neue Regierung in Griechenland verhalte. Sollten sich dort jedoch die radikalen Kräfte durchsetzen, die eine Abkehr vom Sparkurs und ein Ende des Euros fordern, dann bliebe nur der Ausstieg aus der Währungsunion. "Das wäre eindeutig der schlechtere Weg für Griechenland", so Kater gegenüber tagesschau.de. "Zwar könnte dann die Notenbank ihr eigenes Geld drucken, die neue Währung würde abgewertet und einige Sektoren könnten kurzfristig Erleichterung verspüren, da sie billiger exportieren könnten." Die Folge wäre aber unweigerlich eine Inflation und der Wertverlust aller Spareinlagen der Griechen, inklusive der Renten und Pensionen. "Langfristig aber werden ohne Druck durch die EU die eigentlichen Strukturprobleme in Griechenland nicht gelöst."
Gemäß dem EU-Vertrag von Lissabon ist eine Mitgliedschaft in der Währungszone "unwiderruflich". Geht man nach den Buchstaben dieses Vertrags, ist also weder ein Austritt Griechenlands noch der gerne geforderte Rauswurf aus dem Euro möglich.
Eine Ausnahme gibt es nach Ansicht der EU-Kommission nur über einen radikalen Umweg: Wenn Griechenland nicht mehr Mitglied der EU sei, könne das Land auch nicht mehr in der Eurozone bleiben. Doch auch für einen Euro-Austritt dürfte gelten: Wo kein Kläger, da kein Richter. Sprich: Wenn sich beide Seiten einig sind, wird man wohl einen Weg finden.
Als Beispiel nennt der Chefvolkswirt der Deka-Bank Argentinien: Das südamerikanische Land hatte sich nach einem Staatsbankrott vom Dollar als Leitwährung gelöst und einen Aufschwung erlebt, sei jetzt aber wieder auf dem Weg nach unten.
Von Brandschutzmauern und Dominoeffekten
Falls Griechenland tatsächlich aus dem Euro aussteigt, wären die Auswirkungen auf die europäische Einheitswährung enorm. Wie enorm - da sind sich Experten aber uneins. Nach Ansicht von Stefan Bielmeier, Chefvolkswirt der DZ Bank AG in Frankfurt, käme es zu erheblichen Turbulenzen an den Finanzmärkten. "Allerdings sind die Brandschutzmauern wie der ESFS und der ESM, die in den vergangenen Jahren errichtet wurden, so robust, dass der Euroraum danach tatsächlich stabiler dastehen könnte als vorher."
Auch der Chefvolkswirt der Commerzbank, Jörg Krämer, erwartet bei einem möglichen Ausscheiden Griechenlands aus dem Euro keinen Dominoeffekt. Er rechnet mit Turbulenzen von etwa einer Woche, aber Griechenland habe "mittlerweile nicht mehr das Potenzial, den Euro-Raum als Ganzes zu gefährden".
"Ein Ausstieg Griechenlands wäre eine Katastrophe für den Euro", meint dagegen Prof. Horst Löchel von der Frankfurt School of Finance. Der Volkswirt ist sich sicher, dass damit eine Lawine losgetreten würde: "Die ganzen Hilfsgelder wären verloren, die ganzen Forderungen der europäischen Banken an Griechenland wären verloren." Die Banken müssten weitere Milliarden abschreiben. Dadurch wachse der Druck auf die Banken, Staaten müssten stärker in die Refinanzierung der Kreditinstitute einsteigen und das wiederum erhöhe die Staatsschulden.
Daher plädiert der Volkswirt zwingend für einen Wachstumspakt - neben dem Fiskalpakt. "Im Europäischen Strukturfonds sind noch 60 bis 80 Milliarden Euro frei", sagt Löchel. Das sei die Chance für Griechenland und andere Krisenländer, Nachfrage anzukurbeln oder neue Wirtschaftszweige zu fördern wie etwa die Solarindustrie. "Außerdem hat dieses Europäische Konjunkturpaket den Charme, dass es die einzelnen Staatshaushalte nicht belastet."
Staatsbankrott und Neuanfang
Nach Ansicht von Prof. Max Otte ist dagegen ein Staatsbankrott das Beste, was Griechenland passieren kann. "Das heißt ja nur, dass das Land seine Schulden nicht mehr bedienen kann", erklärt der Experte für Finanzmarktordnung und "Value Investing" (wertorientiertes Anlegen). In der Folge gäbe es Verhandlungen über einen richtigen Schuldenschnitt. "Athen wäre dann seinen Schuldenberg los und hat eine echte Chance auf einen Neuanfang."
Experten sind sich also nicht einig, wie es bei einem Euro-Aus für Griechenland genau weitergeht. Das Aus für den Euro selbst, das glauben alle, wäre das nicht.