Griechenland im Jahr der Schuldenkrise Ein Land in Angst vor der Pleite
Griechenland hat mit EU-Hilfe die drohende Staatspleite vorerst abgewendet. Doch das Land ist gespalten: Die Regierung sieht trotz heftiger Proteste keine Alternative zum harten Sanierungskurs. Viele Menschen klagen über sinkende Löhne, steigende Steuern und höhere Preise.
Von Steffen Wurzel, ARD-Hörfunkstudio Istanbul
Die Innenstadt von Athen, Anfang Mai: Dimitrios Krionis, Besitzer eines Schuhladens im Zentrum der griechischen Hauptstadt, fegt Scherben zusammen. Nach einer Demonstration gegen die Sparpolitik der griechischen Regierung haben Randalierer sein Schaufenster eingeworfen. "Ein paar Schuhe haben sie mitgehen lassen und etwas Geld haben sie geklaut", berichtet er. "Ich werde das Schaufenster mit Wellblechplatten abdecken müssen. Aber was soll's, ich werde den Laden ohnehin bald aufgeben müssen."
Glück im Unglück für ihn: Als die Randalierer sein Geschäft zertrümmern, war Krionis nicht im Laden, ihm passierte nichts. Einige Straßen weiter endete eine ähnliche Aktion blutig. Randalierer warfen am Rande einer Demonstration einige Brandsätze in eine Bankfiliale. Das Gebäude brannte völlig aus, drei Bankangestellte kamen ums Leben, darunter eine schwangere Frau.
Tote bei Protesten im Mai
Dieser Brandanschlag am 5. Mai markierte den traurigen Höhepunkt der gewalttätigen Proteste gegen den harten Sparkurs der Regierung unter Ministerpräsident Giorgios Papandreou. Die überwältigende Mehrheit der unzufriedenen Griechen demonstrierte allerdings das ganze Jahr über friedlich gegen die Sparmaßnahmen.
Für Regierungschef Papandreou sind diese aber alternativlos: "Die Sache ist ganz einfach: Entweder wir stimmen für das Abkommen und setzen es in die Tat um oder wir lassen Griechenland pleite gehen." Das Abkommen, von dem er spricht, ist die Kreditvereinbarung seiner Regierung mit der Europäischen Union und dem Internationalen Währungsfonds IWF. Insgesamt 110 Milliarden Euro bekommt Griechenland in den nächsten Jahren geliehen, vom IWF und von den anderen Euro-Staaten.
Griechenland unterwirft sich Kontrolle von EU und IWF
Der Preis, den die Griechen für die 110 Milliarden Euro Hilfskredite zahlen müssen, ist hoch. Das Land begibt sich für mehrere Jahre unter die direkte Kontrolle der EU, der Europäischen Zentralbank und des IWF. Protest regte sich vor allem auf Seiten der Gewerkschaften. Sie organisierten über Wochen hinweg landesweite Demonstrationen und Streiks. "Der IWF hat das technische Wissen, wie man Löhne beschneidet", sagt der Präsident des Gewerkschaftsdachverbands GSEE, Giannis Panagopoulos. "Was sie uns aber nicht verraten haben: Wie man die Preise runterdrückt! In Griechenland liegt das Preisniveau bei 93 Prozent des Euro-Raums, beim Lohnniveau liegen wir bei 63 Prozent."
Das, was der Gewerkschaftsboss sagt, bekommen Millionen Griechen seit einigen Monaten am eigenen Leib zu spüren. Die Wirtschaft schrumpft, die Arbeitslosenquote ist auf fast 13 Prozent gestiegen. Lebensmittel und viele andere Dinge werden teurer, gleichzeitig sinken die Einkommen. Angestellte des öffentlichen Dienstes müssen auf durchschnittlich 20 Prozent ihres Einkommens verzichten. Außerdem sind die Renten gekürzt und diverse Verbrauchssteuern erhöht worden. Allein die Mehrwertsteuer stieg in Griechenland binnen weniger Monate gleich zweimal: um jeweils zwei Punkte auf heute 23 Prozent.
"Wir ziehen das durch"
Während viele Griechen inzwischen nicht mehr wissen, wie sie mit all diesen finanziellen Belastungen umgehen sollen, betont Regierungschef Papandreou wieder und wieder: Wir ziehen das durch. "Wir werden alle zusammenarbeiten, alle miteinander", kündigt er an. "Für das Griechenland, das wir verdient haben und von dem wir träumen. Uns stehen schwierige Zeiten bevor. In diesem Kampf aber werde ich ganz vorne an der Front stehen."
Doch auch wenn sich Papandreou selbstbewusst und kämpferisch gibt: Für den griechischen Premierminister und seine Regierung dürfte es äußerst schwierig werden, die Staatsverschuldung seines Landes dauerhaft zu drücken. Erst Mitte November wurde die Defizitquote des Staates für 2009 nochmals nach oben korrigiert, auf 15,4 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Erlaubt sind drei Prozent. Es gibt also viel zu tun in den kommenden Jahren für Papandreou und sein Team.
Schuldenkrise hin oder her: Einen Vorteil hat sie. Deutsche Urlauber profitieren, sie bekommen Pauschalreisen nach Griechenland so günstig wie selten zuvor. "Da kostet ein schöner, griechischer Salat fünf Euro und der halbe Liter Bier 2,50", sagt ein Tourist auf der Urlaubsinsel Rhodos. Er sieht die viel zitierte Krise entsprechend gelassen. "Die haben doch gute Preise, ob mit oder ohne Wirtschaftskrise."