Beschlüsse des EU- und Euro-Gipfels Das Billionen-Paket gegen die Schuldenkrise
Schuldenerlass für Griechenland, eine Hebelung der Mittel des Euro-Rettungsschirms und höhere Kapitalvorschriften für die Banken - in Brüssel haben die Staats- und Regierungschefs ein großes Paket im Kampf gegen die Schuldenkrise geschnürt. tagesschau.de erklärt die wichtigsten Beschlüsse.
Schuldenerlass für Griechenland
Laut Erklärung des Euro-Gipfels haben sich die Staats- und Regierungschefs mit den Banken auf einen Schuldenschnitt für Griechenland geeinigt. Das bedeutet, dass die privaten Gläubiger auf 50 Prozent ihrer Forderungen verzichten, die sich aus vorhandenen Staatsanleihen in ihren Depots ergeben. Weil dieser Schuldenerlass freiwillig geschehen soll, handelt es sich jedoch um keinen erzwungenen Schuldenschnitt, sondern vielmehr um eine Umschuldung.
Vorgesehen ist, dass diese Umschuldung im Januar durch einen Tausch der vorhandenen Staatsanleihen gegen neue Anleihen mit einem Abschlag von 50 Prozent organisiert wird. Die privaten Gläubiger verzichten dadurch auf Forderungen in Höhe von etwa 100 Milliarden Euro. Allerdings sagte die Staaten der Eurozone zu, den Anleihetausch mit Garantien in Höhe von 30 Milliarden Euro abzusichern. Von diesem Geld soll Griechenland seinerseits die Hälfte mit Geld aus Privatisierungen beisteuern. Die Details müssen noch ausgehandelt werden.
Zusätzlich wurde vereinbart, dass Griechenland im Rahmen des zweiten Rettungspakets bis 2014 etwa 100 Milliarden Euro an Mitteln der öffentlichen Geldgeber erhält. Das genaue Programm soll bis Ende Dezember ausgearbeitet sein. Im Juli hatten die Regierungen ursprünglich 109 Milliarden Euro Hilfe beschlossen. Das war aber nie abschließend auf den Weg gebracht worden, weil sich die wirtschaftliche Lage des Landes dramatisch verschlechterte.
Laut Bundeskanzlerin Merkel wurde nun mit den Gläubigern das Ziel vereinbart, die Schuldenlast Griechenlands bis 2020 auf 120 Prozent des Bruttoinlandsprodukts zu senken. Bisherigen Schätzungen zufolge wird die Gesamtverschuldung des Landes im kommenden Jahr die Marke von 170 Prozent der Wirtschaftsleistung erreichen.
Hebelung der Mittel des Rettungsschirms EFSF
Die Staats- und Regierungschefs der Euro-Staaten einigten sich darauf, die vorhandenen Mittel des Rettungsschirms EFSF wirksamer im Kampf gegen die Schuldenkrise einzusetzen. Bisher stehen 440 Milliarden Euro für Hilfen bereit, für die die 17 Euro-Staaten mit ihren Garantien bürgen. Dieser Betrag wird nicht erhöht. Statt mit diesem Geld aber direkt Kredite zu vergeben oder Staatsanleihen hoch verschuldeter Länder zu kaufen, sollen mit den Finanzmitteln künftig vor allem andere Geldgeber dazu motiviert werden, ihrerseits in den Kampf gegen die Schuldenkrise zu investieren. Ziel ist eine Hebelwirkung, durch die deutlich mehr Kapital für die Unterstützung hoch verschuldeter Euro-Staaten bereitgestellt wird.
Von den bisher zur Verfügung stehenden 440 Milliarden Euro sind 26 Milliarden Euro für Portugal und 22,5 Milliarden Euro für Irland reserviert. Weiteres Geld wird unter anderem für das zweite Griechenland-Rettungspaket benötigt. Unter dem Strich bleiben noch 250 bis 275 Milliarden Euro, die der EFSF bislang nicht verplant hat. Durch die Hebelung soll mit diesem Geld erreicht werden, dass letztlich gut eine Billion Euro in die Bekämpfung der Schuldenkrise fließt.
Die Hebelwirkung soll durch ein Modell zustande kommen, das Deutschland bereits seit einiger Zeit favorisierte. Der Rettungsschirm hat dabei quasi die Funktion einer Versicherung: Er übernimmt einen Teil des Ausfallrisikos, wenn ein privater Investor Staatsanleihen von Euro-Ländern kauft. Kann ein Land am Ende das Geld nicht zurückzahlen, das ihm der Investor durch den Kauf der Staatsanleihe geliehen hat, dann springt der EFSF ein. Allerdings zahlt er nur einen Teil des Geldes - zum Beispiel 25 Prozent der Summe. Auf dem restlichen Verlust bliebe der Investor sitzen. Wenn aber - wie in diesem Beispiel - der Rettungsschirm nur ein Viertel des drohenden Verlustes absichert, dann bedeutet das umgekehrt, dass mit den vorhandenen Mitteln des EFSF Staatsanleihen mit dem vierfachen Wert abgesichert werden können. Durch diese Hebelung wird aus 250 Milliarden Euro EFSF-Mitteln durch den Einsatz anderer Geldgeber letztlich eine Billion Euro.
Im Rahmen der Hebelung wurde ein weiteres Element auf den Weg gebracht. Es handelt sich um eine neue Zweckgesellschaft. Diese soll in Staatsanleihen investieren und offen für ausländische Investitionen sein. Die Euro-Staaten hoffen dabei speziell auf Geld aus China. Der Kauf dieser Anleihen durch die Zweckgesellschaft soll ebenfalls teilweise durch den EFSF abgesichert werden. Unter dem Strich sollen auch dadurch vorhandene Mittel dazu beitragen, deutlich größere Summen anderer Geldgeber in die Unterstützung hoch verschuldeter Euro-Staaten zu lenken.
Die Haftungssumme bleibt trotz der beschlossenen Hebelwirkung gleich. Das bedeutet, dass sich die Höchstsumme, für die die einzelnen Euro-Staaten mit ihren Garantien notfalls gerade stehen, nicht ändert. Deutschlands Garantien sind demnach auch künftig auf 211 Milliarden Euro begrenzt. Allerdings hat die Hebelung zur Folge, dass deutlich mehr Geld umgesetzt wird. Damit steigt zugleich das Risiko, dass die Euro-Staaten aufgrund ihrer Garantien überhaupt zahlen müssen - oder dass sie sogar bis zur vorgesehenen Höchstsumme zur Kasse gebeten werden. Die Kosten tragen letztlich die Steuerzahler.
Mehr Kapital für die Banken
Wichtige europäische Banken müssen ihre risikoreichen Geschäfte künftig mit mehr Eigenkapital absichern. Der EU-Gipfel beschloss, dass die Kreditinstitute ihre sogenannte Kernkapitalquote bis zum 30. Juni 2012 auf neun Prozent anheben müssen. Derzeit liegt diese Mindestquote bei vier Prozent. Die Kernkapitalquote ergibt sich, indem das Kernkapital einer Bank durch die Risikopositionen wie vergebene Kredite und risikoreiche Wertpapiere geteilt wird. Je größer die Kernkapitalquote ist, desto größer ist somit der Risikopuffer einer Bank und desto besser ist ein Geldhaus gegen Probleme wie die Zahlungsunfähigkeit von Schuldnern gewappnet. Dies ist insbesondere im Zusammenhang mit dem diskutierten Schuldenschnitt für Griechenland wichtig, durch den die Banken Milliardenverluste fürchten müssen.
Die Aufstockung der Kernkapitalquote betrifft die sogenannten systemrelevanten Banken. Nach Angaben der polnischen EU-Ratspräsidentschaft sind damit alle 91 Institute gemeint, die im Sommer in den Banken-Stresstest einbezogen worden waren.
Sie sollen das benötigte Kapital in erster Linie bei privaten Investoren oder den bisherigen Eigentümern einsammeln. Falls dadurch nicht genügend Geld zusammenkommt, sollen die nationalen Regierungen oder die nationalen Bankenrettungsprogramme mit Finanzspritzen aushelfen. In Deutschland könnte für diesen Fall der Bankenrettungsfonds SoFFin aktiviert werden. Nur falls auch diese Hilfen der einzelnen EU-Staaten nicht reichen, könnten als letzte Option auch Mittel des Euro-Rettungsschirms EFSF genutzt werden. In der Zeit, in der die Banken ihr Eigenkapital aufstocken, sollen sie keine Boni an Mitarbeiter und keine Dividenden an ihre Anteilseigner auszahlen.
Im Gipfelbeschluss wird nicht genau benannt, wie viel Geld die Banken für diese sogenannte Rekapitalisierung benötigen. Allerdings veröffentlichte die Europäische Bankenaufsicht (EBA) nach dem Beschluss der Staats- und Regierungschefs eine Aufstellung, die den Kapitalbedarf auf rund 106 Milliarden Euro beziffert. Deutsche Banken benötigen demnach etwa 5,2 Milliarden Euro. Experten gehen davon aus, dass sich die Institute dieses Geld ohne staatliche Hilfe beschaffen können. Weitaus höher ist der EBA zufolge der Kapitalbedarf für Geldhäuser anderer Staaten: Griechische Banken müssen ihr Eigenkapital demnach um 30 Milliarden Euro aufstocken, spanische Banken um 26,2 Milliarden Euro und italienische Banken um 14,8 Milliarden Euro. Französische Institute brauchen demnach zusätzlich 8,8 Milliarden Euro.