Gasstreit mit der Ukraine Russland liefert nur noch gegen Vorkasse
Russland liefert kein Gas mehr an die Ukraine. Verhandlungen unter EU-Vermittlung waren zuvor gescheitert. Die Konzerne Gazprom und Naftogaz verklagen sich nun gegenseitig - die russischen Lieferungen an die EU-Staaten durch die Ukraine gehen aber weiter.
Russland liefert nach dem Scheitern der Gasverhandlungen nur noch gegen Vorkasse Erdgas an die Ukraine. Seit 08.00 Uhr MESZ erhalte das Land wie vertraglich vereinbart nur noch das Gas, für das es bezahlt habe, erklärte der russische Staatskonzern Gazprom. Der ukrainische Versorger Naftogaz habe seine in den vergangenen Monaten aufgelaufenen Schulden nicht beglichen und auch für die Juni-Lieferungen noch nicht gezahlt. Die Regierung in Kiew bestätigte inzwischen, dass Russland seine Gaslieferungen eingestellt hat.
Gazprom und Naftogaz verklagen sich gegenseitig
Am Morgen war eine neue Frist Moskaus ausgelaufen, ohne dass die Ukraine ihre Milliardenschulden beglichen hatte. Die Schulden belaufen sich laut Gazprom auf rund 4,5 Milliarden US-Dollar (3,3 Milliarden Euro). Der russische Konzern will diesen Betrag nun bei der internationalen Schiedsstelle für Handelsstreitigkeiten in Stockholm einklagen. Der ukrainische Energieversorger Naftogaz reichte dort ebenfalls eine Klage ein - er beschwert sich über Gazprom wegen zu hoher Preise von aktuell 485,5 US-Dollar je 1000 Kubikmeter Gas. Die Schiedsstelle in Stockholm solle einen Marktpreis für russisches Gas festlegen, teilte Naftogaz mit. Zudem verlange die Ukraine von Russland auch sechs Milliarden US-Dollar Rückzahlung für überteuerte Gaslieferungen.
Gas fließt weiter
Der Gashahn wurde aber nicht zugedreht, weil die Ukraine das wichtigste Transitland der EU für die Lieferungen ist. Russland warnte die EU aber vor möglichen Engpässen bei den Gaslieferungen durch die Ukraine. Es könne dann Probleme geben, wenn die Ukraine Transitgas für den Eigengebrauch abzweige, erklärte Gazprom. Man werde alles dafür tun, damit es für die europäischen Verbraucher keine Probleme gebe. Die Regierung in Kiew hatte Vorwürfe des Gasdiebstahls stets zurückgewiesen.
Im Jahr 2009 war es bei einem "Gaskrieg" zwischen den Regierungen in Moskau und Kiew auch zu Engpässen in der EU gekommen. Energieexperten sehen aktuell keinen Grund zur Besorgnis, weil die Gasspeicher in Deutschland gut gefüllt sind. Außerdem ist der Verbrauch im Sommer deutlich niedriger als im Winter. Wie damals ist der Grund für den Konflikt ein Streit um den Preis für russisches Gas.
Nächtliche Verhandlungen gescheitert
EU-Energiekommissar Günther Oettinger hatte sich am Abend mit Gazprom-Chef Alexej Miller und dem ukrainischen Regierungschef Arseni Jazenjuk zu einer neuen Verhandlungsrunde in Kiew getroffen. Das Treffen wurde zunächst ergebnislos abgebrochen, gegen Mitternacht kehrten die Beteiligten noch einmal an den Verhandlungstisch zurück. Auch dieser Anlauf blieb erfolglos.
Oettinger sagte, er habe einen Kompromissvorschlag vorgelegt, der allerdings von der russischen Seite abgelehnt worden sei. Die ukrainische Seite sei zur Annahme bereit gewesen. Die EU-Kommission hatte nach eigenen Angaben vorgeschlagen, dass die Ukraine heute eine Milliarde US-Dollar an Russland zahlt. Die übrigen offenen Rechnungen hätten bis Ende des Jahres in sechs Raten gezahlt werden sollen. Im Winter hätte das Land dem Vorschlag zufolge 385 US-Dollar pro 1000 Kubikmeter zahlen müssen, im Sommer etwas weniger.
EU hofft weiter auf Einigung im Gasstreit
Oettinger will in den kommenden Wochen einen neuen Anlauf zur Lösung des Gasstreits zwischen Russland und der Ukraine nehmen. Er lade zu weiteren trilateralen Gesprächen noch im Juni ein, sagte Oettinger. "Bei etwas mehr Flexibilität und Kompromissbereitschaft könnte man in den nächsten Tagen zu einer Einigung kommen", appellierte Oettinger an Russland. Der EU-Kommissar sagte, er erwarte keine Probleme bei der Gasversorgung westlicher Gaskunden. Russland werde weiter liefern und die Ukraine ihre Verpflichtung als Transitland erfüllen.
Die Verhandlungen finden in extrem angespannter Atmosphäre statt, nachdem prorussische Separatisten am Samstag im Osten der Ukraine ein ukrainisches Militärflugzeug abgeschossen haben. Bei dem folgenschwersten Angriff seit Beginn des ukrainischen Militäreinsatzes im Osten des Landes wurden 49 Soldaten getötet.