Der Fiskalpakt und seine Bedeutung Muss Deutschland schneller sparen?
Der Fiskalpakt verschärft die Regeln der Schuldenbremse, die seit 2009 im Grundgesetz steht. Gleichzeitig sieht der Vertrag vor, dass Deutschland Kompetenzen an die EU abgibt. tagesschau.de erklärt die Hintergründe.
Was sind die Kernpunkte des Fiskalpakts?
Mit dem Fiskalpakt verpflichten sich 25 der 27 EU-Staaten dazu, ihre Haushaltsdefizite in den Griff zu bekommen und jeweils eine Schuldenbremse nach deutschem Modell einzuführen. Die Schuldenbremse muss rechtlich auf Verfassungsebene oder auf vergleichbarer Ebene verankert werden. Nach der Theorie des Fiskalpakts müssen die Staatshaushalte ausgeglichen sein oder sogar einen Überschuss aufweisen. In der Praxis heißt das, dass die Neuverschuldung mittelfristig nicht mehr als 0,5 Prozent der Wirtschaftskraft betragen darf.
Die Vorgaben des Fiskalpakts beziehen sich dabei auf das sogenannte strukturelle Defizit, bei dem Konjunktureffekte und einmalige Sonderausgaben nicht berücksichtigt werden. Die Vorgabe betrifft die Staatsfinanzen insgesamt - in Deutschland sind das Bund, Länder, Kommunen und Sozialkassen.
Die Regeln des Fiskalpakts verschärfen das so genannte Maastricht-Kriterium erheblich. Nach dem Vertrag von Maastricht von 1992 ist eine Neuverschuldung in Höhe von drei Prozent erlaubt. Die Schulden insgesamt dürfen nicht mehr als 60 Prozent des Bruttoinlandsprodukts betragen. Gegen das Maastricht-Kriterium hat Deutschland bereits mehrfach verstoßen. Eine Neuverschuldung von 0,5 Prozent oder weniger schaffte Deutschland zwischen 2000 und 2012 nur vier Mal.
Was passiert, wenn ein Land die Vorgaben nicht einhält?
Überschreitet das Defizit eines Staates die Obergrenze, greifen weitgehend automatisch die Sanktionen, die die EU-Kommission vorschlägt. Nur eine Mehrheit kann dieses Defizitverfahren dann noch stoppen. Bisher musste mit Mehrheit beschlossen werden, ein solches Verfahren überhaupt einzuleiten.
Überschreitet die Gesamtverschuldung eines Landes den in Maastricht festgelegten Wert von 60 Prozent des Bruttoinlandprodukts, muss das Land seine Ausgaben kürzen, und zwar jährlich um fünf Prozent der Summe, die über der Obergrenze liegt.
Ob die nationalen Schuldenbremsen entsprechend rechtlich verankert werden, überprüft der Europäische Gerichtshof EuGH. In letzter Konsequenz kann der EuGH hohe Geldstrafen in Höhe von bis zu 0,1 Prozent des Bruttoinlandsprodukts verhängen. Für Deutschland hieße das, dass das Land mehr als 2,5 Milliarden Euro zahlen müsste. Klagen kann jedes Unterzeichnerland, nicht aber die EU-Kommission, weil der Fiskalpakt nicht alle 27 EU-Staaten umfasst.
Gilt der Fiskalpakt auch für Tschechien und Großbritannien?
Nein. Großbritannien und Tschechien haben den Vertrag aufgrund inhaltlicher und rechtlicher Bedenken nicht unterzeichnet. Tschechien will aber den Regeln des Fiskalpakts auch ohne Unterschrift folgen.
Wann tritt der Fiskalvertrag in Kraft?
Der Fiskalpakt trat im Januar 2013 in Kraft. Voraussetzung dafür war, dass die ersten zwölf der 17 Euro-Staaten den Fiskalvertrag ratifiziert hatten. Deutschland hinterlegte seine Ratifikationsurkunde am 27. September 2012. Die grundsätzliche Einigung auf den Fiskalpakt liegt aber schon deutlich weiter zurück. Am 2. März 2012 unterzeichneten 25 der 27 EU-Staaten den Fiskalvertrag - nur Tschechien und Großbritannien entschieden sich dagegen. Vor allem wegen des britischen Widerstands wurden die neuen Regelungen nicht - wie ursprünglich geplant - in Form einer Änderung der bestehenden EU-Verträge eingeführt, sondern durch einen neuen völkerrechtlichen Vertrag der Unterzeichnerstaaten.
Warum zog sich Deutschlands Zustimmung zum Fiskalvertrag über Monate hin?
In Deutschland stimmten Bundestag und Bundesrat dem Fiskalvertrag im Juni 2012 mit der notwendigen Zwei-Drittel-Mehrheit zu. Für die Ratifizierung war aber auch die Unterschrift des Bundespräsidenten notwendig. Joachim Gauck schloss das Ratifikationsverfahren erst ab, nachdem das Bundesverfassungsgericht mit seiner Entscheidung vom 12. September 2012 grünes Licht gegeben und die verfassungsrechtlichen Bedenken der Kläger gegen den Fiskalvertrag verworfen hatte.
Um die notwendige parlamentarische Mehrheit zu erreichen, hatte die schwarz-gelbe Koalition zuvor lange mit SPD und Grünen, um von beiden Parteien die erforderliche Zustimmung zu Fiskalpakt und ESM-Vertrag zu erhalten. Dabei setzten die Oppositionsparteien mehrere ihrer Forderungen durch. Die Zwei-Drittel-Mehrheit im Bundestag und im Bundesrat war notwendig, weil der Fiskalpakt in die Autonomie des Landes eingreift. Deutschland beschränkt durch den Fiskalpakt seine Möglichkeiten, die Vorgaben des Grundgesetzes zur Haushaltsführung von Bund und Ländern künftig zu ändern. Zudem räumt Deutschland anderen Staaten die Möglichkeit ein, gegen die innenpolitische Entscheidung über den Haushalt Klage vor dem EuGH zu erheben. Defizitstaaten sind in Zukunft dazu verpflichtet, ihre Haushalte in Grundzügen dem EU-Ministerrat und der EU-Kommission vorzulegen und genehmigen zu lassen.
Was ändert sich durch den Fiskalpakt an der deutschen Schuldenbremse?
Die deutsche Schuldenbremse entfaltet erst 2016 für den Bund und 2020 für die Länder ihre volle Wirkung. Die Länder dürfen dann gar keine neuen Schulden aufnehmen. Die Neuverschuldung des Bundes ist auf 0,35 Prozent des Bruttoinlandsproduktes begrenzt. Bund und Länder könnten nach dem Fiskalpakt dazu gezwungen werden, schneller zu sparen.
Während sich die bereits festgeschriebene Schuldenbremse nur auf Bund und Länder bezieht, berücksichtigt der Fiskalpakt alle öffentlichen Schulden. Dazu zählen auch die von Kommunen und Sozialsystemen. Der Deutsche Städte- und Gemeindebund befürchtet, dass nach Umsetzung des Fiskalpakts die Kommunen bereits 2014 nicht mehr handlungsfähig sind, weil ihnen schlicht das Geld fehlt.
Welche Maßnahmen ergänzen den Fiskalpakt?
Der Fiskalpakt ist eng mit dem dauerhaften Euro-Rettungsfonds ESM verknüpft. So erhalten seit März 2013 nur jene Länder Geld aus dem ESM, die den Fiskalpakt ratifiziert und umgesetzt haben. Flankiert wird der Fiskalpakt in Deutschland durch eine Reihe von Maßnahmen, die SPD und Grünen die Zustimmung ermöglicht haben.