Trotz Rezessionssorgen Neue Rekorde an den Börsen
Rezession, na und? Die trüben wirtschaftlichen Aussichten in Deutschland hielten die Anleger nicht von Käufen ab. Bestimmend waren andere Impulse, die auch die Wall Street beflügelten.
Konjunkturimpulse aus China, robuste Daten aus den USA und neue KI-Fantasie haben den New Yorker Börsen neuen Schwung verliehen. Der Dow Jones gewann 0,6 Prozent auf 42.175 Punkte und blieb damit knapp unter seinem am Dienstag erreichten Rekordstand von 42.299 Punkten. Der marktbreite S&P 500 zog um bis zu 0,8 Prozent an und stand mit 5.767 Punkten so hoch wie nie.
Besonders die Technologietitel wurden vom positiven Ausblick von Micron beflügelt. Der Hersteller von Speicherchips hatte gestern nach Börsenschluss einen höher als vom Markt erwarteten Quartalsumsatz in Aussicht gestellt, und dies mit der Nachfrage nach Ausrüstung für Künstliche Intelligenz begründet. Der Nasdaq 100 gewann 0,7 Prozent auf 20.115 Punkte und näherte sich wieder seinem Rekordstand aus dem Juli.
Auch die Konjunkturdaten des Tages stützten den Markt. So ist die US-Wirtschaft im zweiten Quartal etwas stärker als erwartet gewachsen. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) stieg zum Vorquartal um annualisiert 3,0 Prozent, teilte das Handelsministerium nach einer dritten Schätzung mit. Analysten hatten im Schnitt mit einem Wachstum um 2,9 Prozent gerechnet. Im ersten Quartal hatte die größte Volkswirtschaft der Welt nur um 1,6 Prozent zugelegt. Die aktuelle Zahl der wöchentlichen Erstanträge auf Arbeitslosenhilfe war mit 218.000 ebenfalls besser als erwartet. Allerdings stagnierten die Aufträge für langlebige Güter im August nach einem starken Vormonat.
Nach dem gestrigen Rücksetzer nahm auch der DAX seine Rekordjagd wieder auf und gewann 1,7 Prozent auf 19.238 Punkte. Zwischenzeitlich erreichte der deutsche Leitindex einen neuen Höchststand von 19.253 Punkten. Am Mittwoch hatte der DAX 0,4 Prozent tiefer bei 18.918 Punkten geschlossen.
Angesichts einer ganzen Reihe trüber Konjunkturdaten aus Deutschland mag die DAX-Rally verwundern. Gerade heute senkten die führenden Wirtschaftsforschungsinstitute ihre Konjunkturprognosen. Sie erwarten für das laufende Jahr einen Rückgang des deutschen Bruttoinlandsprodukts um 0,1 Prozent.
Dass der Aktienmarkt trotzdem Rekorde verbucht, hängt im Wesentlichen mit zwei Gründen zusammen: Zum einen erzielen die international agierenden DAX-Konzerne einen Großteil ihres Umsatzes im Ausland. Und beim wichtigen Handelspartner China scheint die Führung entschlossen, die weltweit zweitgrößte Volkswirtschaft wieder auf Wachstumskurs zu bringen. "Seit dieser Woche ruhen die Hoffnungen wieder verstärkt auf China: Mit etwas Glück könnten die beschlossenen und noch folgenden Stimulierungsmaßnahmen die Realwirtschaft aus der Krise führen", kommentierten die Fachleute von Index Radar.
Zum anderen ist die Konjunkturschwäche ein wichtiges Argument für die EZB, den Leitzins weiter zu senken. Sinkende Zinsen sorgen am Aktienmarkt in der Regel für steigende Kurse. Insofern gibt es auch rationale Gründe für die irrational erscheinenden Kursgewinne an den Börsen.
"Gleichzeitig werden die Stimmen immer lauter, der Aktienmarkt sei überkauft und eine erneute Korrektur nur noch eine Frage der Zeit. Genau dieser Mix aber ist der beste Nährboden für eine Fortsetzung der Rally", erklärte Marktbeobachter Jürgen Molnar vom Broker RoboMarkets. Nach seiner Einschätzung betritt der DAX "mal wieder charttechnisches Neuland ohne jegliche Widerstände".
Die Fachleute der Helaba erwarten künftig allerdings eher zurückhaltende Marktakteure: "Es gilt zu beachten, dass bei EZB und Fed für die nächsten Sitzungstermine bereits ansehnlich hohe Wahrscheinlichkeiten gehandelt werden, die nur durch eine anhaltende Serie von enttäuschenden Konjunkturdaten oder massiven Rückgängen der Inflation gerechtfertigt erschienen. Ohne Frage: Die Notenbanken sind auf Zinssenkungskurs. Marktseitig ist diesbezüglich aber schon einiges vorweggenommen worden, sodass Korrekturrisiken bestehen", schrieben sie in ihrem Tageskommentar.
Die insgesamt robusten Daten von der US-Konjunktur konnten den Euro nicht in seiner Erholung bremsen. Am späten Abend kostete die Gemeinschaftswährung mit 1,1179 Dollar 0,4 Prozent mehr als gestern, als besser als erwartet ausgefallene Daten vom US-Immobilienmarkt den Eurokurs noch deutlich belastet hatten. Der Goldpreis erreichte mit zeitweise 2.685 Dollar pro Feinunze ein neuen Rekordstand.
Die Ölpreise haben ihre jüngste Abwärtstendenz beschleunigt. Ein Barrel der Nordseesorte Brent zur Lieferung im November kostete am späten Abend mit 70,81 Dollar über drei Prozent weniger als gestern. Wie die "Financial Times" schrieb, ist Saudi-Arabien bereit, das inoffizielle Ölpreisziel von 100 Dollar pro Barrel aufzugeben, um Marktanteile zurückzugewinnen. Darüber hinaus wurde am Markt auf eine Übereinkunft zwischen Konfliktparteien im wichtigen Förderland Libyen verwiesen. Danach könnte das OPEC-Mitglied künftig wieder mehr Rohöl liefern.
Im DAX tendierte die BASF-Aktie gegen den Markttrend schwächer. Der Chemiekonzern will das operative Ergebnis mittelfristig durch einen Konzernumbau, Sparmaßnahmen und geringere Investitionen deutlich steigern. Das um Sondereffekte bereinigte Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda) soll 2028 zwischen zehn und zwölf Milliarden Euro liegen. Voraussetzung dafür seien moderate bis gute ökonomische Rahmenbedingungen. 2023 verdiente BASF operativ knapp 7,7 Milliarden Euro und damit knapp 29 Prozent weniger als das Jahr davor. Scharfe Kritik gab es vom Konzernbetriebsrat und der Chemiegewerkschaft IG BCE. "Durch die vielen Sparprogramme fühlen sich die BASF-Beschäftigten ohnmächtig. Für sie ist es eine Zeit großer Ungewissheit", sagte der BASF-Betriebsratsvorsitzende Sinischa Horvat.
Am Freitag kommen Vertreter der Commerzbank und der an ihr interessierten UniCredit zum ersten Mal zusammen. Es sei üblich, dass man seine Ansichten austausche, sagte die designierte Commerzbank-Chefin Bettina Orlopp in einer Telefonkonferenz. Man werde alles bewerten, was auf den Tisch komme. "Wir werden keine dummen Dinge tun." Die Ereignisse der vergangenen beiden Wochen hätten die Commerzbank überrascht.
Mitte September hatte die UniCredit bekanntgegeben, neun Prozent an der Commerzbank gekauft zu haben. Die Hälfte kaufte sie dabei vom Bund. Am Montag hatten die Italiener mitgeteilt, über Finanzinstrumente weitere 11,5 Prozent erworben zu haben. Die UniCredit machte auch klar, mehr zu wollen. Der Bund hält noch zwölf Prozent an der Commerzbank und hat vor einer feindlichen Übernahme gewarnt.
Der Biokraftstoffhersteller Verbio hat weniger Gewinn gemacht und mit seinem Ergebnis im abgelaufenen Geschäftsjahr gerade so sein selbst gesetztes Ziel erreicht. Das Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda) habe 2023/24 bei 121,6 Millionen gelegen nach 240 Millionen Euro im Vorjahr. Angepeilt hatte Verbio ein Ebitda in der Spanne von 120 bis 150 Millionen Euro, nachdem das Management ursprünglich 200 bis 250 Millionen ins Auge gefasst hatte. Belastet hätten unter anderem die Anlaufkosten für Projekte in den USA, die noch keine Erträge abwürfen.
Am Abend musste Hella seine Geschäftserwartungen erneut nach unten schrauben. Der Umsatz werde in diesem Jahr mit 7,9 bis 8,1 Milliarden Euro maximal auf Vorjahresniveau liegen, die operative Umsatzrendite werde mit 5,5 bis 6,0 Prozent noch darunter liegen, teilte der Auto-Lichttechnik-Spezialist mit. Daraus errechnet sich ein Gewinn zwischen 435 und 485 Millionen Euro. Schon im Juli hatte das MDAX-Unternehmen seine Erwartungen gesenkt. Das Umfeld in der Autoindustrie sei schon seit Jahresbeginn "anspruchsvoll", sagte Hella-Chef Bernard Schäferbarthold. "Vor allem seit Mitte des Jahres verschlechtern sich jedoch die Rahmenbedingungen stärker als erwartet."
Ein aktueller Bericht des Hedgefonds und Leerverkäufers Gotham City hat die Aktie von Mutares auf das tiefste Niveau seit April 2023 zurückgeworfen. Die Papiere des Beteiligungsunternehmens mit Fokus Mittelstand sackten um bis zu 28 Prozent ab und weiteten damit eine fünftägige Verlustserie massiv aus. Gotham City erhebt Vorwürfe gegen die Ausgestaltung des Geschäftsmodells, die das SDAX-Unternehmen am Nachmittag zurückwies. Leerverkäufer wie Gotham wetten auf fallende Aktienkurse. Ein Kursrutsch kommt ihnen also zugute.
Der Aufsichtsrat des Energietechnikkonzerns Siemens Energy verlängert den Vertrag mit Firmenchef Christian Bruch frühzeitig um weitere fünf Jahre bis April 2030. Die ursprüngliche Laufzeit des Vertrags endet im April 2025. Bruch habe den Konzern in seiner ersten Amtszeit durch turbulente Zeiten geführt, erklärte Aufsichtsratschef Joe Kaeser. Er habe den existenziellen Verfall des Windgeschäfts gestoppt. Die geplante Rückkehr des Windgeschäfts in die Gewinnzone ab 2026 werde eines der größten Sanierungsprojekte der Siemens-Geschichte abschließen.
Das Debüt von "Assassin's Creed Shadows" verzögert sich. Der Ableger des Videospiele-Klassikers werde mit drei Monaten Verspätung im Februar 2025 veröffentlicht, kündigte der Entwickler Ubisoft an. Außerdem senkte das französische Unternehmen seine Einnahmeziele. Für das Geschäftsjahr 2024/25 erwartet die Firma nun einen Rückgang der Nettobuchungen auf 1,95 Milliarden Euro. Finanzchef Frederick Duguet stellte daher eine Verschärfung des Sparkurses in Aussicht. Außerdem werde sich die Zahl der Beschäftigten kontinuierlich reduzieren.