Eine amerikanische Flagge hängt auf der Fassade der New Yorker Börse. Links im Vordergrund der Leuchtschriftzug "USA" auf einem Imbisswagen.
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Nach starken Konjunkturdaten Wall-Street-Anleger greifen kräftig zu

Stand: 15.08.2024 22:15 Uhr

Starke Wirtschaftsdaten bei einer gleichzeitig sinkenden Inflation: Eine Kombination, die heute die Anleger nicht nur an der Wall Street elektrisierte. Auch der DAX legte kräftig zu.

Überraschend starke Konjunkturdaten lockten heute die Anleger an die US-Aktienmärkte. Konkret stiegen die Umsätze der Einzelhändler den Angaben zufolge im Juli um ein Prozent, rund dreimal so stark wie erwartet. Für die amerikanische Konsumökonomie eine wichtige Größe.

"Die US-Wirtschaft wird kurzfristig nicht in eine Rezession rutschen", kommentierte Steve Wyett, Chef-Anlagestratege des Vermögensverwalters BOK, die Konjunkturdaten. Damit sei allerdings auch die teilweise erwartete Zinssenkung der US-Notenbank um einen halben Prozentpunkt vom Tisch. Er gehe allerdings weiterhin davon aus, dass die Fed den Schlüsselsatz im September um einen Viertelprozentpunkt herabsetzen wird. Was den Aktien half, drückte heute allerdings sowohl die Rentenmärkte als auch den Euro.

In den vergangenen beiden Tagen hatten Preis- und Inflationsdaten bereits die Gemüter beruhigt und die Börsen weltweit gestützt. Signale zum weiteren Kurs erhoffen sich Investoren von dem Notenbank-Symposium in Jackson Hole, das am 22. August beginnt. Das Treffen in Wyoming hat der Fed in der Vergangenheit immer wieder als Forum für Signale an die Finanzmärkte gedient.

Die jüngsten Wirtschaftsdaten bestätigen nämlich die Strategie der US-Notenbanker, die die Inflation zwar mit hohen Zinsen bekämpfen, gleichzeitig aber die Konjunktur nicht abwürgen, sondern nur dämpfen wollen. Der Plan scheint aufzugehen, wie die jüngsten Daten nun zeigen.

Das wird auch an der Börse so gesehen - und honoriert. Unter der Führung der technologielastigen Nasdaq legten alle großen Aktienindizes deutlich zu. Der Leitindex Dow Jones rückte um 1,39 Prozent auf 40.563 Punkte vor und überwand damit wieder die Marke von 40.000 Punkten.

Am besten schnitt die besonders zinssensitive Nasdaq ab, die 2,34 Prozent gewann. Der Auswahlindex Nasdaq 100 rückte um 2,46 Prozent vor. Ebenso deutlich bergauf ging es mit dem Benchmark-Index S&P-500, der als Maßstab für die Wertentwicklung bei institutionellen US-Anlegern gilt. Der Index, der seit Jahresbeginn 16,8 Prozent zugelegt hat, gewann 1,63 Prozent auf 5.543 Punkte.

Rezessionsängste, aber auch geopolitische Sorgen, traten damit zurück. Letztere bleiben dem Markt aber erhalten, so Christian Zoller, Marktexperte bei ING: "Klar ist, dass ein Krieg in Nahost zu einem weiteren Kursrutsch führt. Sollte aber doch noch die Diplomatie siegen und sich die Lage beruhigen, würde dies den Aktienmärkten weiteren Auftrieb geben."

In die starken Daten vom US-Einzelhandel passen die guten Quartalszahlen des Einzelhandelsriesen und Branchenprimus Walmart, dessen Aktie mit einem Plus von 6,58 Prozent im Dow zu den größten Gewinnern gehört. Der Konzern hob nach Zuwächsen bei Umsatz und Gewinn im zweiten Quartal erneut seine Prognose für 2024 an.

Der bereinigte Gewinn pro Aktie werde nun zwischen 2,35 und 2,43 Dollar je Aktie erwartet, teilte das Unternehmen am Donnerstag mit. Zuvor hatte Walmart das obere Ende der Spanne von 2,23 bis 2,37 Dollar je Aktie in Aussicht gestellt. Auch beim Umsatz wird der US-Riese optimistischer. Lohnsteigerungen und die niedrige Arbeitslosigkeit geben dem Einzelhändler Rückenwind.

Im zweiten Geschäftsquartal (Ende Juli) stieg der Umsatz auf 169,3 Milliarden Dollar (rund 155 Milliarden Euro) - ein Plus von 4,8 Prozent im Vergleich zum entsprechenden Vorjahresquartal.

Die Bekanntgabe der besser als erwartet ausgefallenen US-Einzelhandelsumsätzen im Juli sorgte auch an der Frankfurter Börse heute für viel Zuversicht. Denn nicht nur Rezessionsängste traten damit zurück, auch eine moderate Zinssenkung durch die Notenbank Federal Reserve (Fed) bei ihrer nächsten Sitzung im September gilt in den USA mehr denn je als sicher. Die erfreuliche Entwicklung der US-Wirtschaft beflügelte umgehend auch die Fantasie der europäischen Märkte.

Der DAX sprang nach den US-Daten am Nachmittag über die Marke von 18.000 Zählern und stieg im Tageshoch bis auf 18.198 Punkte. Am Ende legte der Index dann 1,66 Prozent auf 18.183 Punkte zu. Gestern hatte das Börsenbarometer 0,4 Prozent höher auf 17.886 Zählern geschlossen. Auch der europäische Auswahlindex EuroStoxx 50 rückte um knapp 1,7 Prozent vor. Der MDAX der mittelgroßen Werte gewann 1,05 Prozent auf 24.786 Zähler hinzu.

Der Markt trotzte damit erneut düsteren Konjunkturprognosen, wie sie heute vom gewerkschaftsnahen Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) veröffentlicht wurden. Das Institut bezifferte die Wahrscheinlichkeit einer Rezession in den kommenden Monaten auf 49,2 Prozent. Anfang Juli habe sie noch bei 44,4 Prozent gelegen.

Gewinne und Verluste gingen heute quer durch alle Branchen. Der DAX wurde zuletzt von Chiphersteller Infineon angeführt, auch Deutsche Bank gewannen überproportional. Hannover Rück setzten mit plus 2,58 Prozent die Aufwärtsbewegung fort nach starken Quartalszahlen zum Wochenbeginn.

Im Gegenzug rangen die als "defensiv" geltenden Aktien wie die von Eon, Henkel oder der Telekom mit ihren Schlusskursen. Die T-Aktie war allerdings am Vormittag bei 25,08 Euro auf ein mehrjähriges Hoch geklettert. Am Ende gab es noch ein kleines Plus von 0,2 Prozent auf genau 25,00 Euro. Seit Jahresbeginn ist das dividendenstarke Papier um rund 14,9 Prozent gestiegen und damit deutlich besser gelaufen als der DAX. Der Leitindex legte bisher um gut 8,5 Prozent zu.

Die Erholung beim DAX schreite erwartungsgemäß voran, schreiben die Marktexperten von HSBC. "Einziger Wermutstropfen sind die derzeit dünnen Umsätze. Obwohl in die saisonale Phase und zum klassischen Sommerloch passend, lässt das niedrigste Handelsvolumen seit Anfang März doch aufhorchen", stellen sie fest.

Update Wirtschaft vom 15.08.2024

Bettina Seidl, HR, Update Wirtschaft, 15.08.2024 09:00 Uhr

Der Euro ist heute nach den US-Einzelhandelszahlen zunächst stärker unter Druck geraten. Zuletzt wurden im US-Handel 1,0974 Dollar bezahlt. Vor der Veröffentlichung der Daten hatte er noch über 1,10 Dollar notiert. Die Europäische Zentralbank setzte den Referenzkurs auf 1,1011 (Mittwoch: 1,1019) Dollar fest.

Die Zahlen sollten Rezessionssorgen zurückdrängen, erwartet Ralf Umlauf, Volkswirt bei der Landesbank Hessen-Thüringen (Helaba). Die noch immer erhöhten Zinssenkungserwartungen würden tendenziell gedämpft. Zuletzt waren am Markt Zinssenkungen in Höhe von 50 Basispunkte diskutiert worden. Zudem gilt die US-Währung in politischen Krisen als "sicherer Hafen" am Devisenmarkt, so dass die Schwankungen anhalten dürften.

Aus der Eurozone kamen kaum Impulse. Es wurden hier keine marktbewegenden Daten veröffentlicht. In wichtigen Ländern wie Frankreich, Italien und Spanien war zudem Feiertag.

Eine weiter robuste US-Konjunktur signalisierten heute auch die wöchentlichen Daten vom Arbeitsmarkt. Denn die Anzahl der wöchentlichen Erstanträge fiel überraschend um 7.000 Anträge auf 227.000 zurück, wie das Arbeitsministerium heute in Washington mitteilte. Volkswirte hatten im Schnitt mit einer leichten Eintrübung der Lage auf dem Arbeitsmarkt und einem Anstieg der Hilfsanträge auf 235.000 gerechnet.

An den Finanzmärkten werden die wöchentlichen Erstanträge stark beachtet, weil sie als zeitnaher Indikator für den US-Arbeitsmarkt gelten. Nach jüngsten Kursturbulenzen an den internationalen Finanzmärkten, ausgelöst durch den enttäuschenden US-Arbeitsmarktbericht für Juli, stehen die Hilfsanträge noch stärker als gewöhnlich im Fokus der Finanzmärkte.

Bayer hat im Rechtsstreit um die angeblich krebserregende Wirkung des Unkrautvernichters Glyphosat einen juristischen Sieg in den USA errungen. Ein Bundesberufungsgericht in Philadelphia wies am Donnerstag den Vorwurf zurück, die Tochter Monsanto habe gegen die Gesetze im Bundesstaat Pennsylvania verstoßen.

Die Entscheidung steht allerdings im Widerspruch zu früheren Urteilen von zwei weiteren US-Gerichten. "Die widersprüchlichen Entscheidungen der Bundesberufungsgerichte dazu machen eine Überprüfung durch den Obersten Gerichtshof der Vereinigten Staaten erforderlich", erklärte Bayer in einer Stellungnahme zu dem Urteil.

Die Vorwürfe gegen Glyphosat hat der Leverkusener Pharma- und Agrarkonzern stets zurückgewiesen. Behörden weltweit haben das Mittel als nicht krebserregend eingestuft. Jedoch bewertete die Krebsforschungsagentur IARC der Weltgesundheitsorganisation WHO das Herbizid 2015 als "wahrscheinlich krebserregend". Mit der Übernahme des Glyphosat-Entwicklers Monsanto hatte sich Bayer eine Klagewelle in den USA ins Haus geholt, die den Konzern seit Jahren schwer belastet.

Der unter Milliardenschulden ächzende Mischkonzern BayWa wird von Gläubigerbanken und Hauptaktionären mit einer kurzfristigen Finanzspritze von über einer halben Milliarde Euro gestützt. Damit soll sichergestellt werden, dass der für Bauern und die Lebensmittelversorgung vor allem im Süden Deutschlands wichtige Konzern liquide bleibt.

Wie die BayWa mitteilte, hat das Hilfspaket mehrere Bestandteile - zum Großteil Kredite in Höhe von zusammen knapp 400 Millionen Euro. Die aus der Genossenschaftsbewegung hervorgegangene BayWa mit ihren weltweit rund 24.000 Mitarbeitenden hat kurz- und langfristige Finanzschulden in Höhe von etwa 5,6 Milliarden Euro. Unmittelbarer Auslöser der derzeitigen Krise ist die Kombination von Zinserhöhungen und schwacher Weltkonjunktur.

Der niederländische Zahlungsdienstleister Adyen hat im ersten Halbjahr Umsatz und Ergebnis deutlich gesteigert. Dabei profitierte Adyen von neuen Kunden sowie einem höheren abgewickelten Volumen. So stiegen die Umsätze um ein Viertel auf 913,4 Millionen Euro. Unter dem Strich verdiente Adyen auch dank höherer Zinserträge mit 409,6 Millionen Euro 45 Prozent mehr. Adyen kümmert sich um die Zahlungsabwicklung für Unternehmen wie den Online-Händler Zalando, die Parfümeriekette Douglas, die Luxuskosmetikmarke Rituals, den Billigflieger Easyjet und den Essenslieferdienst Delivery Hero.

Der Fotodienstleister Cewe hat auch im zweiten Quartal zugelegt und sieht sich daher auf Kurs, die Jahresziele zu erreichen. Bei einem Umsatzplus von 8,2 Prozent auf 151,5 Millionen Euro reduzierte sich der saisonbedingte Betriebsverlust im zweiten Quartal um 1,4 Millionen Euro auf 2,7 Millionen. "Mit der erreichten Ergebnisverbesserung haben wir uns eine sehr gute Startposition in die zweite Jahreshälfte mit dem für uns besonders wichtigen vierten Quartal erarbeitet", erklärte Cewe-Chefin Yvonne Rostock.

Wegen eines mangelhaften Umgangs mit sensiblen Daten hat ein wichtiger US-Ausschuss T-Mobile eine millionenschwere Rekordstrafe aufgebrummt. Die amerikanische Telekom-Mobilfunktochter T-Mobile US muss 60 Millionen Dollar wegen Datenschutz-Problemen zahlen. Laut der Behörde Cfius, die ausländische Investitionen in den USA beaufsichtigt, ließ T-Mobile US zwischen August 2020 und Juni 2021 in einigen Fällen unerlaubten Zugang zu sensiblen Daten zu. Dem Unternehmen zufolge war dabei "eine geringe Zahl" von Anfragen von Ermittlungsbehörden betroffen. Es habe keinen Einbruch in IT-Systeme gegeben und die Informationen seien nur innerhalb der US-Sicherheitsbehörden zugänglich gewesen.

Applied Materials erwartet wegen des Booms bei der Künstlichen Intelligenz (KI) einen Umsatz leicht über den Expertenerwartungen. Für das laufende vierte Quartal sagte der Chipindustrie-Zulieferer am Donnerstag nach US-Börsenschluss einen Umsatz von etwa 6,93 Milliarden Dollar voraus, plus oder minus 400 Millionen. Analysten hatten im Durchschnitt mit 6,92 Milliarden Dollar gerechnet. Das Unternehmen sagte zudem einen bereinigten Gewinn pro Aktie zwischen 2,00 und 2,36 Dollar voraus, verglichen mit einer Schätzung von 2,14 Dollar pro Aktie.

Im abgelaufenen dritten Geschäftsquartal betrug der Umsatz 6,78 Milliarden Dollar, etwas mehr als die vorhergesagten 6,67 Milliarden. Der Konzern erzielte dabei 32 Prozent seines Gesamtumsatzes in China, verglichen mit 27 Prozent im Vorjahr. Die Aktie des Unternehmens lag im nachbörslichen Handel zunächst gut ein Prozent im Minus.

Applied Materials liefert Maschinen zur Produktion von Silizium-Wafern, aus denen Computerchips hergestellt werden. Dank der anhaltend großen Nachfrage bei Hochleistungshalbleitern für die KI hatten die Rivalen Lam Research und KLA Corp zuletzt überraschend starke Quartalsergebnisse vorgelegt. Allerdings leidet die Branche unter der zunehmenden Verschärfung des US-Exportverbots von Hochtechnologie nach China.

Die Anleger waren von der aktuellen Entwicklung bei Cisco begeistert, die Aktie führte den Leitindex Dow Jones mit einem Plus von 6,8 Prozent an. Denn weltweite milliardenschwere Investitionen in neue Rechenzentren für Künstliche Intelligenz (KI) haben Cisco erneut ein Quartalsergebnis über Markterwartungen beschert.

"Wir verzeichneten Auftragszuwächse über das gesamte Unternehmen hinweg, da sich die Kunden darauf verlassen, dass Cisco in der KI-Ära sämtliche Aspekte ihres Geschäfts untereinander verbindet und nach außen hin schützt", sagte Chuck Robbins, der Chef des Netzwerk-Ausrüsters. Gleichzeitig kündigte er den Abbau von sieben Prozent aller Stellen im Konzern an.

Der weltgrößte PC-Hersteller Lenovo profitiert ebenfalls vom KI-Boom in den Rechenzentren. Im vergangenen Quartal sprang der Umsatz der Infrastruktur-Sparte des chinesischen Konzerns im Jahresvergleich um fast zwei Drittel auf 3,2 Milliarden Dollar (2,9 Milliarden Euro). Auch die Zahlen der PC-Sparte signalisieren eine Erholung des Marktes, der nach explosivem Wachstum in der Corona-Pandemie abgesackt war.