Neue Verhandlungen in Nahost "Die Zukunft beginnt mit einem Waffenstillstand"
In Chan Yunis im Gazastreifen hoffen die Menschen auf Ergebnisse bei den anstehenden Verhandlungen in Doha. Die Vermittlungen sollen den Weg zu einer Waffenruhe ebnen, doch die Skepsis bleibt groß.
Chan Yunis, der zweitgrößte Ballungsraum im Gazastreifen: Auch hier im Süden gibt es immer wieder Kämpfe und neue Luftangriffe. Vor ein paar Tagen erst wurden Zehntausende Menschen aufgefordert, aus Teilen der Stadt zu fliehen. Wohin, wissen viele nicht.
Fast 40.000 Menschen sind in diesem Krieg schon getötet worden. Doch gerade sind hier viele unterwegs - auf den Straßen, in Autos und auf Eselkarren. Sogar ein paar Stände, an denen Dinge verkauft werden, gibt es. Über zehn Monate sind die Menschen hier schon im Krieg - und sie wissen, dass jetzt wieder verhandelt werden soll über eine Waffenruhe.
Verhandlungen, Forderungen, Hürden
Zuversicht ist trotz der anstehenden Verhandlungen ein rares Gut. Ein Team der ARD trifft einen Mann auf den Straßen. Er meint: "Ich bin nicht optimistisch, weil es vorherige Erfahrungen gibt. Wir haben schon mal gesagt: Der Krieg ist zu Ende, waren froh, haben gefeiert, gelacht und dann war doch das Gegenteil der Fall. Es wurde nur noch schlimmer. Die Zerstörung, die Tötungen. Von diesem Ausgangspunkt sage ich: Nein, ich persönlich bin nicht optimistisch."
Heute wird er nach Doha blicken, wo wieder einmal Verhandlungen über eine Feuerpause stattfinden, über die Freilassung von Geiseln in der Hand der Terrororganisation Hamas und von palästinensischen Gefangenen in israelischen Gefängnissen. Vermitteln wollen die USA, Katar und Ägypten. Auf dem Tisch liegt ein Drei-Stufen-Plan von einer sechswöchigen Feuerpause über eine dauerhafte Waffenruhe bis zum Wiederaufbau von Gaza. Diesen Plan gibt es seit Monaten, doch immer wieder gab es neue Forderungen, neue Hürden.
Hamas in der Schwebe
Bassem Naim, ein hochrangiges Hamas-Mitglied, schreibt dem ARD-Studio Tel Aviv, man werde nicht an neuen Verhandlungsrunden teilnehmen. Sprechen wolle die Hamas nur, wenn es um die Umsetzung dessen geht, was bereits vereinbart wurde.
Ibrahim Dalalsha leitet einen palästinensischen Thinktank in Ramallah. Er hält die Hamas-Position eher für taktisch als für strategisch: "Für sie ist der Konflikt eine Hängepartie. Sie wollen eine Vereinbarung, die den Krieg beendet und eine politische Rolle der Hamas erhält und ihren Einfluss darauf, was am Tag danach in Gaza passiert. Und sie haben ihre Gründe, warum eine Vereinbarung, den Krieg zu beenden, jetzt kommen muss: um sicherzustellen, dass sie politisch überleben."
Versuche der Vermittlung
Direkte Verhandlungen zwischen der Hamas und Israel gab es bisher ohnehin nicht. Dafür aber schon so einige Vermittlungsversuche seit dem Terrorangriff des 7. Oktober und dem Ausbruch des Krieges im Gazastreifen. Diesmal kommt erschwerend hinzu, dass der neue Chef der Terrororganisation, Yahya Sinwar, sich wahrscheinlich im Gazastreifen versteckt hält - weshalb die Kommunikation mit ihm von außen schwierig ist.
Entscheidend für die Hamas ist ein sicherer Weg zu einem Waffenstillstand. Israels Premier Benjamin Netanyahu dagegen sagt, er wolle den Kampf nach einer Feuerpause wieder aufnehmen, bis zur Zerschlagung der Hamas. Deshalb hat Ibrahim Dalalsha, der Experte für palästinensische Politik, auch nur sehr geringe Erwartungen an die Verhandlungen.
"Ich habe große Zweifel, denn ich denke, dass Israel bisher keine ernsthafte Absicht gezeigt hat, den Krieg dauerhaft zu beenden", erklärt Dalalsha. "Die Zukunft von Gaza beginnt nur mit einem dauerhaften Waffenstillstand."
"Wir wollen das jetzt, nicht morgen!"
Doch während im Gazastreifen immer wieder Kämpfe ausbrechen, während das Schicksal der Geiseln weiter ungewiss ist, wollen Hunderttausende auf der Flucht, dass die Waffen endlich schweigen - wie dieser Mann in Chan Yunis:
Wir wollen jetzt ein Ende! Wir sind müde! Wir wollen das jetzt, nicht morgen! Wir wollen, dass es heute kommt! Hoffentlich wird es gut morgen, aber wir wollen auch, dass es heute gut wird!
Er bitte die palästinensische Führung, Amerika und Israel um eine schnelle Lösung. Die nächsten Stunden und Tage der Verhandlungen werden über das Schicksal der Menschen in Gaza und der Geiseln entscheiden - mal wieder.