Indizes erholen sich Wall Street steckt Zinsschock weg
In New York haben die Anleger den Zinsschock vom Vortag überraschend gut weggesteckt. Selbst solide Daten vom Arbeitsmarkt wurden gelassen aufgenommen. Der DAX musste hingegen Federn lassen.
An der New Yorker Aktienbörse haben die großen Aktienindizes die gestrigen Verluste größtenteils wieder aufgeholt. Der Leitindex Dow Jones ging am Ende bei 38.904 Punkten um 0,8 Prozent höher aus dem Handel. Auch der marktbreite S&P-500-Index gewann 1,1 Prozent auf 5.203 Punkte. Die technologielastige Nasdaq rückte um 1,24 Prozent, der Auswahlindex Nasdaq 100 um 1,28 Prozent vor.
Damit hat die Wall Street den gestrigen Zinsschock durch die Äußerungen von Fed-Banker Neel Kashkari überraschend gut weggesteckt. Auch stärker als erwartet ausgefallene Zahlen vom Arbeitsmarkt sowie erneute Zinswarnungen aus den Reihen der Notenbank wischten die Anleger vom Tisch. Der Zinsoptimismus der Wall Street scheint derzeit durch nichts zu erschüttern.
Am US-Arbeitsmarkt kamen im März nach dem offiziellen Bericht der Regierung weitaus mehr Stellen hinzu als erwartet. Damit untermauerte die noch besser als gedachte Entwicklung des US-Arbeitsmarktes im Grunde die Befürchtungen der Anleger, dass die US-Notenbank sich länger als erwartet mit Zinssenkungen Zeit lassen könnte. Die Investoren in den USA konzentrierten sich allerdings Experten zufolge auf die Tatsache, dass das Wachstum des durchschnittlichen Stundenlohns erneut zurückging.
Konkret kamen außerhalb der Landwirtschaft 303.000 Stellen hinzu, wie das Arbeitsministerium am Nachmittag in Washington mitteilte. Analysten hatten im Schnitt lediglich mit 214.000 neuen Stellen gerechnet. Die Arbeitslosenquote fiel um 0,1 Prozentpunkte auf 3,8 Prozent, die Stundenlöhne stiegen wie erwartet gegenüber dem Vormonat um 0,3 Prozent. Im Jahresvergleich nahm der Lohnauftrieb ab. In dieser Betrachtung betrug der Zuwachs 4,1 Prozent. Im Vormonat waren es noch 4,3 Prozent gewesen.
"Dieser Rückgang zeigt, dass sich der von den Löhnen ausgehende Inflationsdruck verlangsamt. Deswegen nehmen die Anleger den Bericht auf die leichte Schulter", erklärte David Waddell, Konzernchef und Chefstratege des Vermögensverwalters Waddell & Associates.
Fed-Banker sehen das offensichtlich etwas anders. Gestern war es Neele Kashkari, regionaler Notenbankpräsident von Minneapolis, heute die Fed-Präsidentin der regionalen Notenbank von Dallas, Lorie Logan, die auf die Zinsbremse drückte. Neben den zuletzt hoch ausgefallen Inflationsraten verwies sie auf das trotz gestiegener Kreditkosten immer noch hohe Wirtschaftswachstum. Sie sei zunehmend besorgt, dass der Fortschritt bei der Inflationsbekämpfung ins Stocken geraten könnte, sagte sie auf einer Veranstaltung an der Duke University in Durham.
Es bestehe die Gefahr, dass die Inflation nicht rechtzeitig das Inflationsziel von zwei Prozent erreiche. "In Anbetracht dieser Risiken ist es meiner Meinung nach viel zu früh, um über eine Zinssenkung nachzudenken", sagte Logan. Sie wolle zunächst sehen, dass die Unsicherheit über die weitere wirtschaftliche Entwicklung nachlasse.
Der DAX ist zum Wochenschluss mit Verlusten aus dem Handel gegangen. Der Leitindex schloss am Ende um 1,24 Prozent leichter bei 18.175 Punkten und verbuchte damit einen Wochenverlust von rund 1,7 Prozent. Er folgte damit den schwachen Vorgaben der US-Börsen.
Diese waren gestern gefallen, nachdem US-Notenbanker Kashkari, die Anleger damit geschockt hatte, dass er Zinssenkungen in diesem Jahr generell in Frage stelle. Zumindest dann, wenn der Fortschritt bei der Inflationssenkung ins Stocken geraten sollte. Damit wurden so manche Anlegerinnen und Anleger auf dem falschen Fuß erwischt. Denn an den Märkten wurde zwar heftig über Zeitpunkt und Umfang von Zinssenkungen spekuliert, die "Kashkari-Variante" hatte aber bisher wohl niemand auf der Rechnung.
"Dies wäre eine Katastrophe für die Aktienmärkte", betont IG-Marktanalyst Christian Henke. "Die Zinswende gilt als sicher und wurde bereits in Prognosen und Schätzungen berücksichtigt. Bleibt diese aus, könnte es ziemlich ungemütlich an den Märkten werden."
Die im Vorfeld wie stets mit Spannung erwarteten Arbeitsmarktdaten der US-Regierung für den März schienen die Ausführungen Kashkaris zu stützen. Denn trotz der hohen Zinsen bleibt der Arbeitsmarkt unverändert robust und von hoher Fachkräftnachfrage getragen.
Die Daten sind zwar einerseits gut für die Konjunktur und damit das Wachstum im Land, andererseits bringen sie aber die Notenbank Federal Reserve (Fed) in die Zwickmühle. Denn diese hatte vor Kashkari zuletzt immer wieder kommuniziert, die Zinsen senken zu wollen, sogar bis zu dreimal im laufenden Jahr. Jetzt stellt sich zunehmend die Frage, ob dies überhaupt nötig ist.
"Je besser und je länger die US-Wirtschaft auf ihrem soliden Wachstumspfad bleibt - und hierfür ist nun einmal der Arbeitsmarkt ein guter Indikator -, desto mehr stellt sich die Frage, ob überhaupt Zinssenkungen notwendig sind", kommentierte Thomas Gitzel, Chefvolkswirt der VP Bank.
Bei einem solchen Szenario müsste sich so mancher Anleger wohl neu ausrichten, war doch bisher die Aussicht auf fallende Zinsen das stärkste Argument der "Bullen" (Käufer), das die Märkte zuletzt steil nach oben getrieben hatte.
Die Ölpreise waren derweil weiter auf dem Vormarsch. Ein Barrel (159 Liter) der Nordseesorte Brent kostete zuletzt 91 Dollar und notierte in der Spitze etwas oberhalb des am Morgen markierten Fünfmonatshochs von 91,26 Dollar.
Gold hat nach anfänglichen Verlusten ein neues Rekordhoch erreicht. Zuletzt kostet eine Feinunze des Edelmetalls 2.320 Dollar und damit 1,4 Prozent mehr. Die Spitze lag heute bei 2.324 Dollar. Schon tags zuvor hatte Gold noch bei 2.305,61 Dollar ein Rekordhoch markiert.
Der Euro hat im Verlauf seine Verluste wieder aufgeholt und stand zuletzt im US-Handel nahezu unverändert bei 1,0834 Dollar. Zuvor war die Gemeinschaftswährung im Tagestief bis auf 1,0792 Dollar abgesackt. Die Kursentwicklung steht und fällt derzeit mit den US-Zinserwartungen. Dass die Europäische Zentralbank (EZB) wegen der zuletzt gesunkenen Inflationsraten auf Zinssenkungskurs ist, gilt dabei als ausgemachte Sache. Die EZB setzte den Referenzkurs auf 1,0841 (Donnerstag: 1,0852) Dollar fest.
Unter den 40 Einzelwerten des deutschen Leitindex gab es am nur ganz wenige Gewinner. Das Papier von Börsenbetreiber Deutsche Börse legte rund 0,4 Prozent zu, auch Daimler-Truck waren leicht im Plus. RWE-Aktien rutschten noch deutlicher ins Minus, nachdem sie sich zuerst besser gehalten hatten. Analystin Wanda Serwinowska von der Schweizer Großbank UBS senkte zwar das Kursziel für RWE-Aktien von 52 auf 49 Euro, sieht damit aber immer noch ausreichend Spielraum für eine Kaufempfehlung. Am DAX-Ende standen derweil Zalando und Bayer.
Auch die Siemens-Aktie gab nach einer negativen Analystenstimme im DAX nach. Die britische Investmentbank Barclays hat die Einstufung für Siemens auf "Underweight" mit einem Kursziel von 124 Euro belassen. Mit Blick auf den aktuellen Kurs von über 170 Euro macht Barclays damit noch erhebliches Abwärtspotenzial aus.
Die Allianz trennt sich von ihrem US-Geschäft mit dem Mittelstand und der Unterhaltungsindustrie. Die entsprechenden Teile der Tochter Fireman's Fund gingen für einen Kaufpreis von 450 Millionen Dollar an den Bermuda-Versicherer Arch Capital, teilte die Allianz am Freitag mit. Inklusive der Übernahme von Risiken summierte sich der Transaktionswert auf 1,4 Milliarden Dollar. Der Münchner Versicherungsriese will sich in den USA künftig auf Großkunden und Spezialversicherungen konzentrieren.
Im Rahmen der Restrukturierung bei SAP entfallen einer Zeitung zufolge wohl 2.600 der weltweit 8.000 Stellen in Deutschland. Das "Handelsblatt" berief sich am Freitag auf eine interne E-Mail des europäischen Betriebsrats an die Mitarbeiter. Im Verantwortungsbereich des Gremiums seien 4.100 Stellen betroffen. Der Betriebsrat kritisierte demnach die Restrukturierung als Maßnahme zur Kostensenkung. Das Management habe die geschäftliche Logik nicht ausreichend begründet und keine genauen Informationen über Ineffizienzen vorgelegt. SAP habe erklärt, die meisten betroffenen Mitarbeiter würden in den kommenden Wochen informiert. Der Prozess solle bis zum Ende des ersten Quartals 2025 abgeschlossen sein.
Vorstandschef Christian Klein hatte Ende Januar erklärt, vom Konzernumbau seien etwa 8000 der insgesamt mehr als 105.000 Arbeitsplätze betroffen. Hintergrund ist ein verstärkter Einsatz Künstlicher Intelligenz (KI). Gleichzeitig steckt Europas größtes Softwarehaus zusätzliches Geld in diese Technologie. Da gleichzeitig in zukunftsträchtigen Bereichen eingestellt werde, bleibe die Gesamtzahl der Beschäftigten voraussichtlich gleich, sagte Klein. Die Kosten für den Umbau bezifferte SAP damals auf etwa zwei Milliarden Euro.
Das schwere Erdbeben in Taiwan dürfte die Versicherungsbranche nach Schätzung von Experten mehrere Milliarden Dollar kosten. Der auf Risikoanalysen spezialisierte Versicherungsdienstleister Corelogic beziffert den voraussichtlichen Versicherungsschäden auf 5 bis 8 Milliarden US-Dollar (4,6 bis 7,4 Mrd. Euro), wie er in der Nacht zum Freitag in Irvine (Kalifornien) mitteilte. In der Schätzung sind Zerstörungen durch das Beben selbst und Brände an Gebäuden in Taiwan enthalten. Schäden an Regierungsgebäuden und Infrastruktur wie Brücken und Straßen gehören nicht dazu.
Der US-Autobauer Tesla hat Insidern zufolge sein Vorhaben abgesagt, ein preisgünstiges Elektro-Auto für den Massenmarkt zu bauen. Zwei mit den Plänen vertraute Personen sagten der Nachrichtenagentur Reuters, sie hätten von der Entscheidung in einem Meeting erfahren, an dem zahlreiche Mitarbeiter teilgenommen hätten.
Tesla reagierte zunächst nicht auf die Anfrage nach einer Stellungnahme. Die Aktien des Konzerns fielen nach der Reuters-Meldung am Freitag zunächst um mehr als fünf Prozent und schlossen am Ende 3,6 Prozent leichter. Musk hat über Jahre immer wieder erklärt, Tesla wolle erschwingliche Elektroautos für die breite Masse bauen. Sein erster "Masterplan" aus dem Jahr 2006 sah vor, zunächst Luxusmodelle zu produzieren und dann mit den Gewinnen ein "preiswertes Familienauto" zu finanzieren.
Die wochenlange Stilllegung von Boeing-Maschinen des Typs 737-9 Max nach einem Beinahe-Unglück im Januar führt bei dem Flugzeugbauer zu hohen Kosten. Als Wiedergutmachung zahlte Boeing der Fluggesellschaft Alaska Airlines im vergangenen Quartal rund 160 Millionen Dollar für entgangene Einnahmen und entstandene Mehrausgaben.
Disney will die Gangart gegen Passwort-Trittbrettfahrer in seinem Streamingdienst schrittweise verschärfen. Im Juni werde man zunächst nur in einigen Ländern durchgreifen, sagte Disney-Chef Bob Iger am Donnerstag im Sender CNBC. Flächendeckend solle das Teilen von Passwörtern über einen Haushalt hinaus im September unterbunden werden.