Federal Reserve Bank, Washington, USA
marktbericht

Aktienkurse fallen Fed lässt Anleger im Ungewissen

Stand: 16.08.2023 22:26 Uhr

Die Wall Street hat zur Wochenmitte geschwächelt. Denn die US-Notenbank hält sich weiter alle Schritte zur Zinspolitik offen. Das Fed-Protokoll der jüngsten Zinssitzung gab keine klaren Hinweise.

An der Wall Street müssen sich die Anleger weiter auf eine unklare Zinspolitik der Notenbank Federal Reserve (Fed) einstellen. Aus dem mit Spannung erwarteten Protokoll der letzten Zinssitzung vom 26. Juli ergaben sich am Abend keine neuen Erkenntnisse in Sachen einer möglichen Zinspause. Wer mehr erwartet hatte, wurde enttäuscht.

Entsprechend schwächten sich die großen Aktienindizes zum Sitzungsende hin weiter ab und schlossen deutlich im Minus. Den ganzen Tag über hatte der Markt vor sich hingedümpelt, in Erwartung klarerer Erkenntnisse aus dem Innenleben der mächtigen Notenbank. Das Sitzungsprotokoll ist eine der wenigen Möglichkeiten dafür.

Der Leitindex Dow Jones hielt sich am Ende relativ am besten mit einem Tagesverlust von 0,5 Prozent auf 34.765 Punkte. Allerdings rutschte der Dow damit wieder unter die Marke von 35.000 Punkten, um die zuletzt gerungen wurde. Der marktbreite S&P-500-Index ging um 0,76 Prozent schwächer aus dem Markt bei 4404 Zählern. Deutlichere Verluste verzeichnete die besonders zinssensitive Technologiebörse Nasdaq, die um 1,15 Prozent nachgab. Auch der Auswahlindex Nasdaq 100 schloss gut 1,0 Prozent schwächer.

Die US-Notenbank hat die Tür für weitere Zinserhöhungen offen gelassen. "Die meisten Teilnehmer sahen weiterhin erhebliche Aufwärtsrisiken für die Inflation, die eine weitere Straffung der Geldpolitik erforderlich machen könnten", heißt es konkret in dem am Abend veröffentlichten Protokoll (im Fachjargon "Minutes" genannt) zur jüngsten Zinsentscheidung vom 26. Juli. Einen klaren Hinweis auf das weitere Vorgehen gab das Protokoll aber nicht.

Dafür gab es allerdings auch warnende Stimmen, die betonten, dass potenzielle Gefahren wie Konjunkturschwäche und steigende Arbeitslosigkeit in die Risikobewertung einzubeziehen seien. Künftige Schritte würden von der "Gesamtheit" der eingehenden Informationen abhängen, womit die Bank ihre bisherige Lesart bestätigte.

Für die Börse bedeutet dies, dass zumindest bis zur September-Sitzung der Fed (am 20.9.) die Hängepartie weitergeht und jede eingehende Konjunkturzahl genau geprüft wird. Mehrheitlich wird am Markt derzeit mit einer Zinspause gerechnet. Laut dem Fedwatch-Tool der CME Group liegen die Wetten der Händler auf eine Zinserhöhungspause im September bei fast 91 Prozent.

"Unsere Ökonomen gehen davon aus, dass die Zinsen Anfang 2024 gesenkt werden, aber die Sorge besteht darin, dass die Fed die Zinsen möglicherweise länger höher halten wird, um sicherzustellen, dass die Inflation sinkt", sagte Sam Stovall, Chef-Investmentstratege beim Analysehaus CFRA Research.

Neben dem Zinsthema schwelen im Hintergrund zudem weiterhin Sorgen um China, zumal die Ratingagentur Fitch ankündigte, ihre Bewertung für die Kreditwürdigkeit chinesischer Staatsanleihen zu überdenken.

Dagegen brummt die Konjunktur in den USA weiterhin. Am Nachmittag wurde ein Wachstum der Industrieproduktion im Juli von 1,0 Prozent ausgewiesen, deutlich über den Erwartungen von 0,3 Prozent. Auch die Kapazitätsauslastung lag mit 79,3 Prozent leicht über den Erwartungen.

Die zuletzt sehr robusten US-Wirtschaftsdaten, gestern hatten auch die wichtigen Juli-Einzelhandelsumsätze über den Erwartungen gelegen, sprechen zwar gegen eine bevorstehende Rezession, lassen allerdings immer wieder Sorgen aufkommen, dass die Zinsen in den USA anhaltend hoch bleiben.

Unter den Einzelwerten stand Intel im Fokus der New Yorker Börse. Die im Dow-Jones-Index enthaltenen Intel-Papiere weiten ihre Verluste im Verlauf aus und schlossen letztlich 3,57 Prozent leichter bei 33,53 Dollar.

Denn der US-Chipkonzern hat die geplante Übernahme des israelischen Chipherstellers Tower Semiconductor abgeblasen. Nach dem Ausbleiben erforderlicher behördlicher Genehmigungen hätten beide Parteien beschlossen, das Fusionsvorhaben nicht weiterzuverfolgen, erklärten die Unternehmen. Tower und Intel äußerten sich nicht näher zu den fehlenden behördlichen Genehmigungen.

Reuters hatte am Dienstag berichtet, dass Intel aus China kein grünes Licht für die Übernahme erhalten habe und die Übernahme aufgeben werde. Anfang 2022 hatte Intel im Rahmen seines weltweiten Expansionskurses bekannt gegeben, die israelische Chipfirma für 5,4 Milliarden Dollar zu kaufen. Die Frist für den Abschluss der Fusion war am Dienstag (15. August) abgelaufen. Nun zahlt Intel nach eigenen Angaben wegen des Scheiterns 353 Millionen Dollar an Tower.

Vor weiteren Zinssignalen aus den USA haben die heimischen Anleger heute Luft geholt und sich bedeckt gehalten. Der DAX schloss am Ende des Tages bei 15.789 Punkten kaum verändert um 0,14 Prozent höher. Er bewegte sich dabei in einer engen Handelsspanne zwischen 15.725 und 15.814 Punkten. Tags zuvor hatte der Index noch knapp ein Prozent auf 15.767 Zähler eingebüßt. Insgesamt stabilisierte sich der Markt damit nach dem unsteten Handelsverlauf zuletzt. Der MDAX, der Index der mittelgroßen Werte, ging 0,11 Prozent höher aus dem Handel bei 27.816 Zählern.

Das Börsengeschehen wird derzeit maßgeblich von Konjunkturdaten geprägt, von denen sich die Anleger Aufschluss über den weiteren Zinskurs der großen Notenbanken erhoffen. Diese wollen aber "auf Sicht" entscheiden; eine Unsicherheit, die an der Börse nicht gut ankommt.

Klaus-Rainer Jackisch, HR, mit Informationen zur Börse

tagesschau24, 16.08.2023 12:00 Uhr

Apropos Makro-Daten: Vor allem aus China kommen derzeit Alarmsignale von der Wirtschaft. Die Serie der schlechten Daten aus der zweitgrößten Volkswirtschaft reiße einfach nicht ab, urteilte Konstantin Oldenburger, Marktanalyst vom Brokerhaus CMC Markets. "Anleger sorgen sich, dass die Situation in China nach Europa und die USA überschwappt."

Schwache Konjunkturdaten hatten gestern die chinesische Zentralbank zur zweiten Zinssenkung seit Juni bewogen. Zuletzt hatte vor allem der Immobilienmarkt erneut geschwächelt.

Am Devisenmarkt hat der Euro seine anfänglichen Gewinne fast komplett abgegeben und ist im US-Handel ins Minus gedreht. Zuletzt wurde der Euro bei 1,0877 Dollar am Tagestief gehandelt. Die Gemeinschaftswährung war am Vormittag durch besser als erwartet ausgefallene Konjunkturdaten aus der Eurozone gestützt worden.

Übergeordnet sorgt die Aussicht auf länger höhere Zinsen in den USA aber für eine relative Stärkung der Dollars, was durch die heutigen Fed-Protokolle bestätigt wurde. Die Europäische Zentralbank setzte den Referenzkurs auf 1,0916 (Dienstag: 1,0926) US-Dollar fest.

Am Rohstoffmarkt haben die schwachen Wirtschaftsdaten aus China Auswirkungen. Die Notierung für ein Barrel der Nordseesorte Brent fielen am Abend noch deutlicher zurück um knapp 2,0 Prozent unter den gestrigen Stand. China, die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt, ist ein wichtiger Ölimporteur. Der Abgabedruck beim schwarzen Gold ist aber trotzdem begrenzt, nachdem große Produzenten wie Saudi-Arabien oder Russland zuletzt ihre Förderung verknappt haben.

Die Wirtschaft in der Euro-Zone ist im Frühjahr erstmals seit Sommer 2022 wieder leicht gewachsen. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) stieg von April bis Juni um 0,3 Prozent zum Vorquartal. Zudem haben die Industrieunternehmen in der Eurozone ihre Produktion im Juni überraschend gesteigert. Der Anstieg der Fertigung basierte auf einer Zunahme der Energieproduktion, die um 0,5 Prozent zulegte. Dagegen ist die Herstellung von Investitions- und Vorleistungsgütern sowie die von Verbrauchs- und Gebrauchsgütern im Monatsvergleich gesunken.

Die Teuerungsrate in Großbritannien sank im Juli auf 6,8 Prozent von 7,9 Prozent im Juni, wie das Statistikamt ONS mitteilte. Die Bank of England (BoE) wie auch die von der Nachrichtenagentur Reuters befragten Ökonomen hatten damit gerechnet. Als hartnäckig erweist sich allerdings die sogenannte Kerninflation - also ohne die schwankungsanfälligen Preise für Energie, Lebensmittel und Tabak. Diese für die Währungshüter wichtige Rate war im Juli mit 6,9 Prozent genauso hoch wie im Juni.

Aktien des Sportartikel-Konzerns Adidas verbuchten die größten Gewinne im Index. Adidas profitieren dabei von eine Kaufempfehlung durch die Analysten der Bank of America. Dagegen hat Privatbank Berenberg die Bayer-Aktie von "buy" auf "hold" abgestuft und das Kursziel von 66 auf 60 Euro gesenkt. Analyst Sebastian Bray sieht den Geschäftszyklus von Bayer inzwischen abwärts gerichtet. So dürfte der Konzern Probleme haben, in den kommenden zwei Jahren die Ergebnisse zu steigern.

Auch Papiere des Online-Modehändlers Zalando verloren. Händler verweisen dazu auf einen Bericht in der Tageszeitung "Welt", demzufolge die chinesischen Billig-Portale Shein und Temu ihre Artikel demnächst verstärkt auf dem deutschen Markt anbieten wollen. Die Plattformpläne der Chinesen drohten dem deutschen Online-Handel gefährlich zu werden, heißt es dort.

Die Papiere von Deutscher Bank und Commerzbank dämmten am Nachmittag ihre Verluste zwar etwas ein, blieben aber leicht im Minus. In den USA hatte am Abend die Aussicht auf eine mögliche Herabstufung der Bonitätsnoten einiger US-Großbanken durch die Ratingagentur Fitch belastet. Aktien von JP Morgan, Bank of America, Citigroup, Goldman Sachs und Wells Fargo gaben deutlich nach.

Die Aktie des SDAX-Unternehmens Dermapharm legte kräftig um fast 13 Prozent zu. Der Arzneimittel-Hersteller hat in den ersten sechs Monaten seinen Umsatz dank eines Zukaufs in Frankreich um 24 Prozent auf 582 Millionen Euro gesteigert, obwohl die Umsätze mit den für BioNTech produzierten Impfstoffen wegbrachen. Das bereinigte operative Ergebnis (Ebitda) wuchs um 13 Prozent auf 168 Millionen Euro.

Der vietnamesische Autobauer VinFast ist nach seinem US-Börsendebüt mehr wert als die US-Konzerne General Motors und Ford. Der Kursanstieg auf gut 37 Dollar bedeutete gestern einen Börsenwert von rund 85 Milliarden Dollar. Ford ist aktuell knapp 48 Milliarden Dollar wert, General Motors gut 46 Milliarden Dollar. Allerdings wird nur eine relativ geringe Zahl von VinFast-Aktien gehandelt, so dass es schnell starke Kursbewegungen geben kann.

Der Stahlkonzern ArcelorMittal könnte Insidern zufolge in das milliardenschwere Bieterrennen um den amerikanischen Stahlkonzern US Steel einsteigen. Der weltweit zweitgrößte Stahlkonzern bespreche mit Investmentbankern eine mögliche Offerte, sagten mehrere mit der Angelegenheit vertraute Personen der Nachrichtenagentur Reuters.

Der US-Konzern Cleveland-Cliffs war vor wenigen Tagen mit einer 7,3 Milliarden Dollar schweren Offerte für US Steel vorangeprescht. Diese hatte US Steel am Sonntag abgelehnt, da man den Vorschlag nicht ausreichend habe prüfen können. Der Stahlkonzern Esmark zog am Montag mit einer 7,8 Milliarden Dollar schweren Offerte in bar nach. Esmark bietet dabei 35 Dollar je Aktie. Angesichts der möglichen Offerte von ArcelorMittal baute die Aktie von US Steel am Mittwoch ihre Gewinne an der Wall Street zwischenzeitlich deutlicher aus auf über 32 Dollar. Am ende stand dann ein Plus von 1,39 Prozent auf 30,65 Dollar.

Der norwegische Staatsfonds hat im ersten Halbjahr wieder einen milliardenschweren Gewinn erwirtschaftet. Das Plus summierte sich umgerechnet rund 130 Milliarden Euro, wie der weltgrößte Staatsfonds mitteilte. Starke Aktienmärkte und eine schwache Landeswährung stützten den Fonds. In den ersten sechs Monaten 2022 hatte der Fonds wegen der schwächelnden Aktienmärkte infolge von Kriegs-, Inflations- und Rezessionsangst einen Rekordverlust von rund 170 Milliarden Euro verbucht. Der 1996 gegründete Staatsfonds investiert die Einnahmen aus dem norwegischen Öl- und Gassektor.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete tagesschau24 am 16. August 2023 um 12:00 Uhr sowie BR24 um 07:12 Uhr.