Vorsichtige Anleger Konjunktursorgen bremsen die Wall Street
Zum Dauerthema Inflation kommen an der Wall Street nun auch noch Rezessionsängste hinzu. Das verunsicherte die Anleger, vor allem an der Nasdaq. Auch der DAX schwächelte heute.
In New York hielten sich die Anleger heute bedeckt. Während sich Standardwerte behaupteten, fielen insbesondere Tech-Aktien zurück. Der Leitindex Dow Jones legte am Ende aber leicht um 0,24 Prozent zu, auch weil Konsum- und Konsumgüterwerte heute gegen den Trend gefragt waren. An der Technologiebörse Nasdaq ging es hingegen stärker um 1,1 Prozent bergab, der Auswahlindex Nasdaq 100 gab 1,0 Prozent nach. Der marktbreite S&P-500-Index verlor leicht 0,25 Prozent.
Analysten zufolge haben Wirtschaftszahlen der letzten beiden Tage Rezessionsängste geschürt. Nach dem Auftragsminus der US-Industrie vom Dienstag habe der am Mittwoch veröffentlichte Einkaufsmanagerindex aus dem Dienstleistungssektor "die Serie fortgesetzt", sagte Konstantin Oldenburger, Analyst vom Broker CMC Markets. Der Index fiel auf 51,2 Punkte - den niedrigsten Wert seit mehr als zwei Jahren. Experten hatten einen Rückgang auf 54,5 Punkte von 55,1 Zählern im Februar erwartet.
Auch schwache Daten des privaten Jobdienstleisters ADP trugen erheblich zu den Konjunktursorgen bei. Im Vergleich zum Vormonat kamen im Privatsektor 145.000 Stellen hinzu, wie ADP heute in Washington mitteilte. Analysten hatten im Schnitt mit 210.000 neuen Stellen gerechnet. "Unsere Beschäftigungszahlen für März sind eines von mehreren Signalen für eine Verlangsamung der Wirtschaft", sagte Nela Richardson, Chefvolkswirtin bei ADP. Der monatliche Arbeitsmarktbericht der Regierung wird an diesem Freitag veröffentlicht, allerdings bleibt die Börse am Karfreitag geschlossen.
Gegen den Trend gefragt waren Aktien der Kosumgüterbranche. Mit einem deutlichen Anstieg um 4,5 Prozent standen Aktien Johnson & Johnson an der Dow-Spitze. Dies, weil der Pharma- und Konsumgüterriese einen großen Rechtsstreit in Nordamerika mit viel Geld aus der Welt schaffen will. Aber auch andere Konsumgüter-Unternehmen legten zu, so die Papiere von McDonald's, Coca-Cola und Procter & Gamble. Zu den Verlierern gehörten u.a. der Baumaschinenhersteller Caterpillar, aber auch Boeing und Nike. Auch die schwer gewichteten Tech-Größen Microsoft und Apple lagen am Ende im Minus.
Die drastischen Zinserhöhungen der Notenbank scheinen nun also ihre Wirkung zu entfalten, gleichzeitig bleibt aber die Inflation hoch und weit über dem Zielwert der Notenbank Federal Reserve (Fed) von 2,0 Prozent. Ein zunehmend schwieriges Umfeld, in dem sich die US-Währungshüter, aber auch die Anleger an der Börse, derzeit bewegen.
Die Fed hat jedoch immer wieder klar darauf hingewiesen, dass sie der Bekämpfung der Teuerung höchste Priorität beimisst, auch um den Preis einer gedämpften Wirtschaft. "Die Investoren an der Wall Street sehen, dass sich die Wirtschaft tatsächlich abschwächt" sagte Sam Stovall, Chefanlagestratege beim Analyse-Unternehmen CFRA in New York.
Ob die Fed den Leitzins Anfang Mai über das jetzige Niveau der Spanne von 4,75 bis 5,00 Prozent hinaus weiter anheben wird, ist offen. Die US-Währungshüterin Loretta Mester sagte Bloomberg TV, für eine Einschätzung sei es noch zu früh. Die Chefin des Fed-Bezirks Cleveland hatte aber in einer Rede am Dienstag durchblicken lassen, dass das Ende der Fahnenstange bei den Anhebungen noch nicht erreicht sein dürfte.
Am deutsche Aktienmarkt haben die Anlegerinnen und Anleger nach den Avancen der vergangenen Handelstage Gewinne mitgenommen. Der DAX schloss am Ende bei 15.520 Punkten um 0,53 Prozent leichter und damit am unteren Ende seiner Handelsspanne zwischen 15.482 und 15.627 Punkten. Gestern hatte der Index noch ein neues Jahreshoch von 15.736 Punkten markiert, bevor Daten zum US-Arbeitsmarkt und der US-Industrie die Gewinne abbröckeln ließen.
Heute sorgten weitere, schwach ausgefallene US-Konjunkturdaten am Nachmittag dafür, dass die Anlegerinnen und Anleger sich vorsichtiger verhielten. Lediglich am frühen Morgen konnte der Index noch kurz an den Aufschwung des Vortages anknüpfen, ehe es dann abwärts ging.
Die geringen Börsenumsätze in der Woche vor den Osterfeiertagen hätten den Anstieg des deutschen Leitindex auf das neue Jahreshoch sicherlich begünstigt, sagte Thomas Altmann, Portfolio-Manager beim Vermögensverwalter QC Partners. Sie zeigten aber auch, dass es im Moment relativ wenige überzeugte Käuferinnen und Käufer gebe.
"Es darf durchaus die Frage gestellt werden, ob diejenigen, die zuletzt gekauft haben, wirklich kaufen wollten oder ob sie kaufen mussten. Angesichts des Kursanstieges mussten einige ihre Short-Positionen schließen, um weitere Verluste zu vermeiden."
Fundamentaler Rückenwind für die Börse kam von neuen Konjunkturprognosen für Deutschland. So rechnen die führenden Wirtschaftsforschungsinstitute wegen sinkender Energiepreise nicht mehr mit einer Rezession in Deutschland. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) wird nach ihrer Prognose in diesem Jahr um 0,3 Prozent wachsen. Im Herbst war unter dem Eindruck der Energiekrise noch ein Minus von 0,4 Prozent veranschlagt worden.
"Der konjunkturelle Rückschlag im Winterhalbjahr 2022/2023 dürfte glimpflicher ausgefallen sein als im Herbst befürchtet", so der Konjunkturchef des ifo-Instituts, Timo Wollmershäuser. Die Börse hat eine solche Entwicklung zuletzt bereits eingepreist, denn der Leitindex DAX ist seit Anfang des Jahres mehr als elf Prozent gestiegen.
Die Auftragsbücher der deutschen Industrie haben sich im Februar wegen der starken Nachfrage aus dem Inland und der Eurozone kräftig gefüllt. Das Neugeschäft wuchs um 4,8 Prozent zum Vormonat, wie das Statistische Bundesamt mitteilte. Das war bereits der dritte Zuwachs in Folge und zugleich der stärkste seit Juni 2021. "Die Auftragseingänge befinden sich damit in vielen Branchen der deutschen Industrie weiter auf Erholungskurs", erklärte das Bundeswirtschaftsministerium.
Die Kurse deutscher Staatsanleihen sind heute gestiegen. Bis zum frühen Abend kletterte der richtungsweisende Terminkontrakt Euro-Bund-Future um 0,59 Prozent auf 137,26 Punkte. Die Rendite für zehnjährige Bundesanleihen fiel auf 2,18 Prozent. In allen Ländern der Eurozone gaben die Renditen nach.
Angetrieben wurden die Kurse durch schwache Konjunkturdaten aus den USA. Eine schwächere Konjunkturentwicklung dämpft die Erwartungen auf weitere Leitzinserhöhungen in den USA. Am Morgen waren die Festverzinslichen noch zeitweise durch robuste Konjunkturdaten aus Deutschland belastet worden.
Unbeeindruckt von der schwächeren Tagestendenz lag die T-Aktie mit einem dicken Plus von 3,0 Prozent an der DAX-Spitze bei 23,04 Euro je Anteil. Damit baute die Aktie ihre bisherige Jahresentwicklung auf über 23 Prozent aus und liegt damit deutlich besser im Rennen als der DAX.
Just zur heutigen Hauptversammlung konnte Telekom-Chef Timotheus Höttges vermelden, dass überraschend früh die Mehrheit an der Tochter T-Mobile US übernommen werden konnte. Bisher übten sie die Kontrolle über eine Stimmrechtevereinbarung mit der japanischen Softbank aus. Eine eigene Mehrheit an der erfolgreichen Tochter war bereits seit längerem strategisches Ziel der Bonner.
"Wir haben die Mehrheit und sind größter Eigentümer am wertvollsten Telekommunikations-Unternehmen der Welt - T-Mobile USA", sagte Firmenchef Tim Höttges auf der Hauptversammlung in Bonn.
T-Mobile US ist maßgeblich für das Wachstum des Bonner Konzerns verantwortlich. Allein im vierten Quartal 2022 hatte die US-Tochter 927.000 neue Nutzerinnen und Nutzer hinzugewonnen. Bei der Konzernmutter wuchs die Zahl der Vertragskunden um 225.000.
Seit 2013 sei der Wert der US-Tochter um 153 Milliarden Euro gestiegen, sagte Höttges. Die Wertsteigerung für die Aktionäre der Telekom liege bei über 70 Milliarden Euro. Ziel der Deutschen Telekom sei es, eine klare Mehrheit der Anteile an der US-Tochter zu halten, betonte der Manager.
Aktionärsvertreter begrüßten die Entwicklung, warnten aber vor den Risiken. Die T-Aktie stehe und falle mit der Entwicklung des US-Geschäfts, das 66 Prozent der Umsätze und 64 Prozent des Betriebsgewinns (Ebitda) ausmache, sagte Union-Investment-Experte Henrik Pontzen. "Das größte Risiko für die Telekom-Aktionäre liegt in einer möglichen Wettbewerbsverschärfung im US-Mobilfunkmarkt."
Gesucht waren im DAX auch Beiersdorf-Papiere. Denn statt einem für den Konzern und die Kosmetiksparte bisher in Aussicht gestellten Wachstum im mittleren einstelligen Bereich soll der Umsatz in diesem Jahr organisch jeweils im mittleren bis höheren einstelligen Prozentbereich zulegen, teilte das Hamburger Unternehmen heute mit. Die Prognose für die kleinere Klebstofftochter Tesa bestätigte der Vorstand.
Der Konzernumsatz sei im ersten Quartal um 12,2 Prozent auf 2,48 Milliarden Euro gestiegen, teilte der Hersteller von Marken wie Nivea, Labello und La Prairie weiter mit. Dabei sei der Unternehmensbereich Consumer organisch um 14,8 Prozent auf gut zwei Milliarden Euro gewachsen, Tesa habe seinen Umsatz um knapp ein Prozent auf 425 Millionen Euro gesteigert.
Der Eurokurs ist heute unter Druck geraten. Die Gemeinschaftswährung notierte im New Yorker Handel zuletzt bei 1,0901 US-Dollar, nachdem sie sich zuletzt noch der Marke von 1,10 Dollar genähert hatte. Die Europäische Zentralbank (EZB) setzte den Referenzkurs auf 1,0940 (Dienstag: 1,0901) Dollar fest.
Am Vortag hatte die jüngste Erholung den Euro mit 1,0973 Dollar auf den höchsten Stand seit zwei Monaten geführt. Nun enttäuschten aber Wirtschaftsdaten aus den USA, die an den Märkten wieder Rezessionssorgen weckten. Im Gegenzug legte der Dollar in seiner Funktion als Weltreservewährung in schwierigen Zeiten zu vielen anderen wichtigen Währungen zu.
Auch die Ölpreise tendierten zuletzt fester. Die geplante Förderkürzung des Ölkartells OPEC+ wirkt weiter auf den Markt. Laut Expertinnen und Experten werden die Ölpreise derzeit auch durch einen gestern gemeldeten Rückgang der Ölreserven in den USA gestützt. Nach den schwächeren US-Makro-Daten gingen die Gewinne aber verloren. Ein Barrel der Nordseesorte Brent kostete zuletzt 0,1 Prozent mehr.
Papiere des TecDAX-Unternehmens Morphosys stiegen deutlich um über 13 Prozent. Das Biotechunternehmen kommt mit der Entwicklung seines Hoffnungsträger-Medikaments Pelabresib offenbar schneller voran als gedacht. Die wichtigsten Ergebnisse der entscheidenden Phase-3-Studie zu seinem Medikament gegen die seltene bösartige Knochenmark-Erkrankung Myelofibrose dürften bereits Ende des Jahres vorliegen, so der Konzern am Abend.
Die Investmentbank Stifel hat den Düngemittelkonzern K+S von "Buy" auf "Hold" abgestuft und das Kursziel von 26 auf 22 Euro gesenkt, die MDAX-Aktie verlor 4,7 Prozent. Die Preisvereinbarung in der Branche mit Indien für Kali-Dünger bringe zwar endlich Klarheit, bestätige aber auch ein niedrigeres Preisniveau, so Analyst Andreas Heine in einer aktuellen Studie. Der Kontrakt laufe nur bis September, dann drohe ein weiterer Rückgang.
Thyssenkrupp könnte Insidern zufolge den Juni für einen Börsengang der Wasserstoff-Tochter Nucera anpeilen, wenn die Märkte sich stabil entwickeln. Die Voraussetzungen für einen Sprung auf das Börsenparkett für Nucera besserten sich insgesamt, sagten drei mit den Plänen vertrauter Personen der Nachrichtenagentur Reuters am Mittwoch. Nucera könne bei einem Börsengang eine Bewertung in der Spanne von zwei bis fünf Milliarden Euro erreichen. Der Essener MDAX-Konzern lehnte eine Stellungnahme ab.
Thyssenkrupp ist mit 66 Prozent der Anteile an Nucera beteiligt, die übrigen Anteile liegen beim italienischen Elektroden-Hersteller De Nora. Dieser hatte im Juni 2022 den Sprung auf das Parkett gewagt. Die Aktien haben seitdem rund ein Drittel an Wert gewonnen. Dies könnte auch ein Zeichen für Nucera sein, sagten zwei Insider.
Die Lufthansa hat einen Käufer für den Rest ihrer Catering-Sparte LSG gefunden. Der Finanzinvestor Aurelius übernehme das außereuropäische Geschäft von LSG, teilten beide Unternehmen heute mit. Dazu zählen den Angaben zufolge 131 Catering-Betriebe und der Bordverkauf mit zusammen rund 19.000 Beschäftigten. Das europäische Geschäft war bereits an gategroup verkauft worden.
Die Schweizer Regierung hat nach der Not-Veräußerung der Credit Suisse (CS) an die Rivalin UBS Vorgaben für die Bonuszahlungen bei den beiden Banken gemacht. Alle ausstehenden variablen Vergütungen der Mitglieder der Credit-Suisse-Geschäftsleitung werden gestrichen, wie die Regierung heute mitteilte. Die Boni hoher Manager werden um bis zu 50 Prozent gekürzt. Die Maßnahmen betreffen der Regierung zufolge gut 1000 Mitarbeitende des Instituts und bedeuten nach aktuellem Kenntnisstand eine Kürzung der bis Ende 2022 angefallenen variablen Vergütungen von 50 bis 60 Millionen Franken.
Der Chef des größten US-Geldhauses JPMorgan Chase, Jamie Dimon, hat vor weiterem Stress im Bankensektor gewarnt. "Die derzeitige Krise ist noch nicht vorbei, und selbst wenn sie hinter uns liegt, wird sie noch jahrelang Auswirkungen haben", schrieb der Bankchef in seinem am Dienstag veröffentlichten jährlichen Brief an die Aktionäre.
Trotzdem appellierte Dimon an die US-Politik, nicht mit Regelverschärfungen für Banken zu "überreagieren". Zugleich räumte der einflussreiche Manager ein, dass das derzeitige Regelwerk nicht imstande gewesen sei, das Scheitern der jüngst kollabierten US-Geldhäuser Silicon Valley Bank und Signature Bank zu verhindern.