Rezessionssorgen Anleger gehen in Deckung
Wenn die Konjunktur bremst, hat das für die Aktienmärkte stets zwei Bedeutungen. Zur Wochenmitte waren neue Rezessionssorgen stärker als die bereits etablierten Zinshoffnungen.
Der Dow Jones hat den zweiten deutlichen Tagesverlust in Folge erlitten. Der amerikanische Leitindex ging zur Wochenmitte 1,81 Prozent tiefer aus dem Handel. Am Dienstag hatte der Dow Jones bereits wegen enttäuschender Quartalszahlen der US-Investmentbank Goldman Sachs rund ein Prozent nachgegeben.
Die Konjunkturdaten des Tages deuteten auf eine leichte konjunkturelle Abkühlung hin, was einerseits Zinshoffnungen und andererseits neue Rezessionssorgen schürte. Die Technologiewerte verloren etwas weniger an Boden. Der Nasdaq 100 büßte 1,27 Prozent ein.
Die US-Industrie hat ihre Produktion im Dezember weit stärker als erwartet zurückgefahren. Die Fertigung wurde um 1,3 Prozent zum Vormonat verringert, wie die US-Notenbank (Fed) mitteilte. Von Reuters befragte Volkswirte hatten lediglich mit einem Minus von 0,3 Prozent gerechnet. Zudem ergab sich für November ein revidiertes Minus von 1,1 Prozent.
Auch die Einzelhandelsumsätze waren im Dezember geringer als erwartet. Die Einnahmen sanken im Dezember um 1,1 Prozent im Vergleich zum Vormonat. Von Reuters befragte Ökonomen hatten lediglich mit einem Rückgang um 0,8 Prozent gerechnet.
Zugleich hat sich die Aufwärtsdynamik der Erzeugerpreise zum Jahresende weiter deutlich abgeschwächt. Sie stiegen im Dezember zum Vorjahresmonat um 6,2 Prozent. Damit ist die Jahresrate den sechsten Monat in Folge gesunken, nachdem sie im vergangenen Juni noch bei 11,2 Prozent gelegen hatte.
Alles in allem stärken diese Daten die Erwartung, dass die Fed ihren straffen Zinskurs weiter lockert. Eine große Mehrheit der Marktteilnehmer rechnet damit, dass sie den Leitzins Anfang Februar nur noch um einen Viertel Prozentpunkt anheben wird. Im Dezember hatten die US-Notenbank den Zinssatz noch um einen halben Prozentpunkt auf 4,25 bis 4,50 Prozent erhöht.
Der am Abend veröffentlichte Konjunkturbericht der US-Notenbank, das sogenannte "Beige Book", untermauerte diese Erwartung. Die Wirtschaft in den USA sei zuletzt kaum gewachsen, heißt es in dem Bericht. Die Lage wird damit noch etwas zurückhaltender als Ende November eingeschätzt. Die befragten Wirtschaftskontakte würden nur ein leichtes Wirtschaftswachstum in den kommenden Monaten erwarten. Auch habe sich der Preisauftrieb zuletzt abgeschwächt.
Die Aussicht auf eine langsamere Gangart der Fed hatte den Aktienmärkten einen Bilderbuchstart ins neue Jahr beschert. Der DAX ganze 9,0 Prozent zulegen und entwickelte sich damit besser als die US-Märkte. Zur Wochenmitte konnte er seinen Tagesgewinn aber nicht halten und ging 0,03 Prozent tiefer aus dem Handel.
Der Rückgang bei den Baugenehmigungen für Wohnungen in Deutschland hat sich fortgesetzt. Im November wurde der Bau von 24.304 Wohnungen bewilligt, gut 16 Prozent weniger als im Vorjahreszeitraum, teilte das Statistische Bundesamt mit. Die Zahl der Baugenehmigungen ist mit Blick auf den Wohnungsmangel in vielen Städten und die Baubranche ein wichtiger Indikator.
Am Devisenmarkt konnte der Euro die Marke von 1,08 Euro nicht halten. Am späten Abend kostet die europäische Gemeinschaftswährung 1,0790 Dollar.
Der Mehrheitsaktionär und Mitbegründer der Krypto-Börse Bitzlato, Anatoly Legkodymow, ist in den USA wegen des Vorwurfs der Geldwäsche verhaftet worden. Der in China lebende Russe soll Hunderte Millionen Dollar verschoben haben. Am Mittwoch wurde die Website von Bitzlato gesperrt. Bitzlato soll nach Angaben der Staatsanwaltschaft seit Mai 2018 Kryptowährungen im Wert von 4,58 Milliarden Dollar verarbeitet haben. Nach Angaben aus dem US-Finanzministerium steht Bitzlato in Zusammenhang mit Geldwäsche und illegalen russischen Finanztransaktionen.
Unterdessen bereitet der New Yorker Kryptowährungsbroker und -verleiher Genesis einen Antrag auf Gläubigerschutz vor, wie die Nachrichtenagentur "Bloomberg" berichtete. Genesis war nach dem Kollaps der Kryptobörse FTX im November ins Taumeln geraten und hatte einen großen Teil der Belegschaft vor die Tür gesetzt.
An den Rohstoffmärkten stützt nach wie vor die Lockerung der strengen Corona-Vorschriften in China die Notierungen. Ein Barrel der Nordseesorte Brent kostete am Abend mit 85,50 Dollar etwas mehr als gestern. Marktbeobachter verwiesen auch auf den Monatsbericht der Internationalen Energieagentur (IEA). Der Interessenverband von Industriestaaten rechnet zwar zu Beginn des Jahres mit einem Überschuss an Rohöl auf dem Weltmarkt. Im weiteren Jahresverlauf dürfte sich das aber ändern. Ab dem Frühjahr erwarten die IEA-Experten vor allem eine stärkere Nachfrage aus China.
Angesichts der schwierigen Marktbedingungen will der Software-Riese Microsoft bis Ende des dritten Geschäftsquartals 2022/23 rund 10.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter entlassen. Das sind etwa fünf Prozent der Arbeitskräfte. Für diese und andere Maßnahmen fielen im zweiten Geschäftsquartal Aufwendungen von 1,2 Milliarden Dollar an, teilte Microsoft vor US-Börsenbeginn mit.
Die Lufthansa-Aktie setzte ihre jüngste Gewinnserie fort. Auftrieb gab ein starker Jahresabschluss der US-Fluggesellschaft United Airlines. Am Nachmittag wurde zudem bekannt, dass die Lufthansa der italienischen Regierung ein Gebot zum Einstieg bei der staatlichen Fluggesellschaft ITA Airways unterbreitet. Zunächst sollen ein Minderheitsanteil erworben und Optionen zum Kauf der verbleibenden Anteile vereinbart werden, teilte die Lufthansa mit. Insidern zufolge will die Lufthansa zunächst einen Anteil von 40 Prozent für 200 bis 300 Millionen Euro kaufen. Die Verhandlungen mit der italienischen Regierung sollen in einigen Wochen abgeschlossen werden. Am Abend teilte das italienische Wirtschafts- und Finanzministerium mit, die Lufthansa sei die einzige Bieterin.
Auch die Airbus-Aktie war gefragt. Die US-Fluglinie Delta Air Lines hat zwölf A220-Flugzeuge zu einer bestehenden Bestellung hinzugefügt. Das bringt das gesamte Auftragsvolumen auf 119 Maschinen.
Auto-Aktien notierten überwiegend schwächer. Die Pkw-Neuzulassungen in der Europäischen Union lagen im vergangenen Jahr so niedrig wie seit fast 30 Jahren nicht mehr trotz eines Schlussspurts in den großen Märkten Deutschland und Italien zum Jahresende. Im Gesamtjahr wurden mit 9,26 Millionen Pkw 4,6 Prozent weniger zugelassen als im ohnehin schwachen Vorjahr - und damit so wenige Autos wie seit 1993 nicht mehr.
Die BASF-Aktie konnte ihre zwischenzeitlichen Verluste aufholen. Der Chemiekonzern ist wegen der Abschreibungen auf das Russlandgeschäft seiner Öl- und Gas-Fördertochter Wintershall Dea im vergangenen Jahr überraschend in die roten Zahlen gerutscht. Unter dem Strich steht nach vorläufigen Zahlen ein Verlust von rund 1,4 Milliarden Euro, wie BASF gestern Abend mitteilte.
Bayer baut das Radiologie-Geschäft mit der Übernahme eines Spezialisten für automatisierte Bilderkennung aus. Der Pharma- und Agrarchemiekonzern kauft den in Großbritannien und den USA ansässigen Spezialisten für Künstliche Intelligenz (KI) Blackford Analysis. Bereits Ende 2020 hatten sich die beiden Unternehmen mit einer Entwicklungskooperation zusammengetan, infolge derer Bayer 2022 eine Bildverarbeitungsplattform auf den Markt brachte. Über den Kaufpreis wurde nichts bekannt.
Schwächster DAX-Titel war Continental. Der Autozulieferer hat im vergangenen Jahr seinen Umsatz laut vorläufigen Zahlen um rund 17 Prozent auf 39,4 Milliarden Euro gesteigert. Die um Sondereffekte bereinigte Ergebnismarge vor Zinsen und Steuern lag mit voraussichtlich 5,0 Prozent jedoch 0,6 Prozentpunkte unter dem Vorjahreswert. Continental hatte schon früh vor milliardenschweren Mehrkosten für Energie, Frachten und Material gewarnt.
Die Moderna-Aktie war heute stark gefragt. Das US-Biotech-Unternehmen will noch in der ersten Jahreshälfte eine Zulassung für einen RSV-Impfstoff für Erwachsene ab 60 Jahren beantragen. Der Impfstoff mit dem Namen "mRNA-1345" habe "vielversprechende Ergebnisse" in der für eine Zulassung nötigen Phase-3-Studie gezeigt, so Moderna gestern Abend. Das Respiratorische Synzytialvirus (RSV) verursacht eine Atemwegserkrankung.
Kapazitätsengpässe und Lieferkettenprobleme haben Renault 2022 das vierte Mal in Folge einen Absatzrückgang eingebrockt. Die Verkäufe sanken um 5,9 Prozent auf 2,05 Millionen Fahrzeuge, wie der französische Autokonzern mitteilte. Der Auftragsbestand liege auf Rekordniveau.
Der überraschende Sprung auf ein positives operatives Ergebnis und ein optimistischer Ausblick ermunterten Anleger zum Einstieg bei Just Eat Takeaway. Die Aktien der "Lieferando"-Mutter stiegen in Amsterdam zeitweise zweistellig. Die Analysten der Investmentbank RBC Capital Markets lobten, dass der größte europäische Essenslieferant zugunsten einer höheren Ertragskraft auf Wachstum verzichte.