Weitere Verluste Nasdaq unter Druck
Der Ukraine-Krieg drückte auch an der Wall Street erneut auf die Kurse. Anders als in Europa ist jedoch die bevorstehende Zinswende ebenfalls ein großes Thema, was besonders Tech-Aktien belastete.
Die US-Börsen sind mit Verlusten ins Wochenende gegangen. Sie blieben dabei den ganzen Tag im Minus, allerdings nicht so dramatisch wie in Europa. Vor allem robuste Daten vom US-Arbeitsmarkt verhinderten Schlimmeres.
Im Anlegerfokus standen wie schon zuletzt vor allem Sorgen um eine Rezession der Weltwirtschaft wegen des anhaltenden Krieges in der Ukraine. "Es gibt im Allgemeinen eine riesige Unsicherheit, die von einem Kriegsgeschehen geschürt wird, was wahrscheinlich nicht so schnell verschwinden wird", sagte Johan Grahn, Leiter der ETF-Strategie beim Fondsanbieter AllianzIM.
"Als die am nächsten zum Konflikt gelegene Region ist Europa aus Sicht der Marktstimmung am nervösesten", erklärt Chi Chan, Portfolio-Manager beim Vermögensverwalter Federated Hermes. Aber anders als in Europa ist nicht nur der Krieg, sondern auch die sich unmittelbar abzeichnende Zinswende ein großes Thema an der Wall Street.
Die US-Zinswende lastet derzeit vor allem auf den hochbewerteten Technologiewerten, die für Zinssteigerungen wegen ihrer meist teureren Geschäftsmodelle besonders verletzbar sind.
Allerdings hat Notenbankchef Jerome Powell zuletzt deutlich gemacht, dass es im März zunächst nur auf eine moderate Erhöhung um 25 Basispunkte hinauslaufen werde, im Vorfeld waren bisher durchaus höhere Steigerungen erwartet worden. Die Nasdaq verlor trotzdem erneut überdurchschnittlich um 1,66 Prozent auf 13.313 Punkte. Der Auswahlindex Nasdaq 100 gab 1,41 Punkte nach auf 13.837 Zähler.
Der Leitindex Dow Jones und der marktbreite S&P-500-Index hielten sich besser, mussten aber ebenfalls Verluste hinnehmen. Der Dow ging bei 33.614 Zählern um 0,53 Prozent schwächer aus dem Handel, der S&P 500 schloss bei 4328 Stellen um 0,79 Prozent leichter.
Traditionell besonders wichtig für die Federal Reserve und ihre Zinspolitik und deshalb stets ein Höhepunkt für die Börsen, ist die Lage auf dem Arbeitsmarkt. Am Nachmittag gab es von dort gute Nachrichten.
Denn die US-Arbeitslosigkeit ist im Februar gesunken. Die Arbeitslosenquote fiel gegenüber dem Vormonat um 0,2 Prozentpunkte auf 3,8 Prozent, wie das US-Arbeitsministerium in Washington mitteilte. Die Quote nähert sich damit ihrem Niveau von 3,5 Prozent an, das sie vor der Corona-Pandemie innehatte.
Gleichzeitig hat die US-Wirtschaft im Februar außerhalb der Landwirtschaft 678.000 neue Stellen geschaffen, deutlich mehr als erwartet. Analysten hatten im Schnitt mit 423.000 neuen Stellen gerechnet. Die Lohnentwicklung hat sich im Februar dabei auf hohem Niveau etwas abgeschwächt.
"Endlich mal ein Monat, in dem die Beschäftigung kräftig steigt, die Löhne aber stagnieren. Für die Fed liefert der Beschäftigungsanstieg keine neue Erkenntnis. Ein Zinsschritt in zwei Wochen ist nahezu sicher, wegen des Ukraine-Kriegs wird es aber ein kleiner sein. Generell dürfte der Ukraine-Krieg den Zinserhöhungselan der Fed bremsen", kommentierte Alexander Krüger vom Bankhaus Hauck Aufhäuser Lampe.
Der DAX hat zum Wochenschluss seine zuletzt massiven Kursverluste fortgesetzt und weiter Boden verloren. Der deutsche Leitindex stürzte um 4,41 Prozent ab auf 13.094 Punkte. Der Kursrückgang seit dem Hoch im Januar (16.285 Zähler) beläuft sich damit auf mehr als 3200 Punkte. Im Wochenverlauf ergibt sich ein Verlust von über zehn Prozent.
Insbesondere Nachrichten über Kämpfe und einen Brand auf dem Gelände des größten europäischen Atomkraftwerks in Saporischschja hatten die Anleger entsetzt. Das Feuer ist mittlerweile gelöscht, das AKW befindet sich unter russischer Kontrolle.
Die Furcht vor einer nuklearen Katastrophe infolge der russischen Invasion in der Ukraine wachse, stellten Analysten fest. Erinnerungen an die verheerende Kernschmelze im ebenfalls ukrainischen Atomkraftwerk Tschernobyl im Jahr 1986 wurden wach. "Der Vorfall zeigt, was alles in einem Krieg passieren kann, wie groß die Gefahr für ganz Europa und die Welt ist", sagte Jochen Stanzl vom Online-Broker CMC Markets.
Auf Einzeltitelebene gingen die Verluste im DAX quer durch alle Branchen, lediglich Papiere des Versorgers RWE stiegen gegen den Trend deutlich an. Der Grund: Einer der Langfristverträge zum Bezug von Erdgas aus Russland ruht nach Angaben des Energiekonzerns, was die Nerven der Anleger beruhigte.
Bei einem Ausfall russischer Lieferungen könnten Abnehmer in Deutschland wie RWE und Uniper nämlich theoretisch gezwungen sein, Gas andernorts zu höheren Preisen einzukaufen, um Verpflichtungen gegenüber ihren eigenen Kunden zu erfüllen. Uniper-Aktien, die nicht im DAX enthalten sind, fielen erneut deutlich.
Ansonsten sah es auf dem Kurszettel ziemlich verheerend aus. Die rote Laterne hielten Deutsche Bank, die über neun Prozent einbüßten und im Wochenvergleich damit auf ein Minus von über 22 Prozent kommen. Sehr schwach tendierten auch Puma, Airbus und erneut die Autoaktien.
Die hohen Verluste bei den Einzeltiteln zeigen, dass die Anleger, durch die Krise ausgelöst, von erheblichen Gewinneinbußen der Unternehmen in der Zukunft ausgehen. Da Aktienkurse zukünftige Gewinne abbilden, sind die derzeitigen Verluste daher folgerichtig.
Der unmittelbare Ausblick für die Märkte bleibt aber bis auf weiteres mit dem Fortgang der Kampfhandlungen verbunden, eine Lösung scheint jedoch trotz Verhandlungen nicht in Sicht.
Die Auswirkungen der umfassenden Sanktionen gegen Russland sind für die deutsche Wirtschaft darüber hinaus jedoch noch nicht in Gänze abzusehen. Denn immer mehr Experten, Branchen und Firmen warnen vor Einbußen der Wirtschaftsleistung, so zuletzt die Autoindustrie, aber auch wie immer in solchen Krisen die Flugbranche.
"Solange die weitere Entwicklung so unsicher ist, bleiben auch die ökonomischen Auswirkungen unklar", begründete Robert Greil, Chefstratege der Privatbank Merck Finck, die Zurückhaltung der Investoren.
Der schwächere wirtschaftliche Ausblick ist zudem gepaart mit einer rasant steigenden Inflation, ausgelöst vor allem durch die explodierenden Energiepreise. Eine brisante Mischung, Ökonomen sprechen bei einer solchen Lage von einer Stagflation. Die Notenbanken sind in der Zwickmühle - eigentlich müssten sie die Zinsen erhöhen, um die Inflation zu bekämpfen, andererseits dürfen sie die Konjunktur aber auch nicht abwürgen.
Die neuen Entwicklungen im russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine sorgen für einen erneuten Anstieg der Ölpreise. Am Abend zog der Preis für ein Barrel der Nordseesorte Brent um rund zwei Prozent auf 114,41 Dollar an. Damit bleibt der Brent-Preis allerdings unter seinem gestern markierten Zehnjahreshoch.
Als Folge des Ukraine-Kriegs hat der Erdgaspreis in Europa derweil ein neuen historischen Höchststand erreicht und erstmals die Marke von 200 Euro pro Megawattstunde geknackt. Am wichtigen niederländischen Handelspunkt TTF wurde die Megawattstunde Erdgas am Freitag für 213 Euro gehandelt. Zuletzt fiel er nur leicht zurück und wurde mit 192 Euro gehandelt. Dies ist aber immer noch ein Anstieg von 33,8 Prozent zum Vortag. Bislang kommen rund 40 Prozent von Europas Erdgas-Importen aus Russland.
Die Atomgespräche mit dem Iran sind nach Einschätzung von Diplomaten in ihrer Endphase. "Wir sind nah dran", schrieb die britische Verhandlerin Stephanie Al-Qaq am Freitag auf Twitter. Morgen reist der Chef der Internationalen Atomenergiebehörde in den Iran, das schürt Hoffnungen auf eine Einigung bei den Atomgesprächen.
"Sollten daraufhin die Ölsanktionen aufgehoben werden, könnte der Iran schon kurzfristig 1,5 bis 2,0 Millionen Barrel Rohöl pro Tag zusätzlich an den Markt bringen", unterstreicht Commerzbank-Rohstoffexperte Carsten Fritsch.
An den Devisenmärkten steht der russische Rubel weiter unter Druck. Heute wurden 110 Rubel für einen Dollar bezahlt, vor dem Beginn des Krieges wurden nur 74 Rubel gebraucht, um einen Dollar zu kaufen. Die US-Ratingagentur Standard & Poor's (S&P) hat Russlands Kreditwürdigkeit derweil aufgrund neuer westlicher Sanktionen wegen des Krieges gegen die Ukraine weiter abgestuft von "BB+" auf "CCC-. Das Rating liegt damit nur noch knapp über der Kategorie für Zahlungsunfähigkeit.
Die Flucht der Anleger in sichere Häfen hält unvermindert an. Das stärkt dem US-Dollar den Rücken. Im Gegenzug fiel der Euro bis auf 1,0900 Dollar und damit auf den tiefsten Stand seit Mai 2020. Im US-Handel wurden derzeit 1,0932 Dollar bezahlt. Die Europäische Zentralbank setzte den Referenzkurs auf 1,0929 (Donnerstag: 1,1076) Dollar fest.
Gold konnte weiter von der gestiegenen Risikoaversion der Anleger profitieren. Eine Feinunze des gelben Edelmetalls kostete heute 1963 Dollar, das entspricht einem Plus von rund 1,4 Prozent.
Allianz-Vorstandschef Oliver Bäte hat im vergangenen Jahr trotz der 2,8 Milliarden Euro schweren Abschreibung im Hedgefonds-Streit in den USA mehr verdient. Seine Vergütung stieg um neun Prozent auf brutto 6,96 Millionen Euro, wie aus dem Geschäftsbericht des Münchner Versicherers hervorgeht.
Der vom ehemaligen Daimler-Konzern abgespaltene Lkw-Hersteller Daimler Truck und der Versicherer Hannover Rück steigen in die erste Börsenliga auf. Zur Aufnahme in den DAX kommt es am 21. März. Weichen müssen der Konsumgüterkonzern Beiersdorf und der Energiekonzern Siemens Energy. Sie steigen ab in den MDAX.
Daneben notieren bald drei weitere Unternehmen im Index mittelgroßer Werte, die sich bisher eine Liga tiefer im SDAX befanden. Dabei handelt es sich um den Medienkonzern RTL, den Autovermieter Sixt und den Wafer-Hersteller Siltronic. Ihren Platz räumen müssen dafür der Spezialsoftware-Anbieter Compugroup, die zum Autozulieferer Faurecia gehörende Hella und der Autohändler Auto1.
Rund acht Monate nach dem ursprünglich geplanten Produktionsstart der Elektroautofabrik von Tesla in Grünheide bei Berlin erteilte das Land Brandenburg die Genehmigung nach dem Immissionsschutzgesetz. Der Bescheid des Landesumweltamtes enthalte zahlreiche Auflagen, betonte Ministerpräsident Dietmar Woidke. Erst nach Erfüllung dieser Auflagen könne die Produktion beginnen.
Das Verwaltungsgericht Frankfurt/Oder hat derweil die Bewilligung zusätzlicher Wasserförderung im Zusammenhang mit der Fabrik in Grünheide am Freitagabend gekippt und damit kurz nach der Erteilung der endgültigen Baugenehmigung für Teslas erstes Europa-Werk. Die Richter begründeten ihre Entscheidung mit einem Verfahrensfehler, der behoben werden könne, ohne die Gesamtplanung infrage zu stellen.
Volkswagen wird seine Fabrik für das neue E-Auto "Trinity" in unmittelbarer Nachbarschaft zu seinem Stammwerk errichten. Der Aufsichtsrat legte sich am Freitag auf den Wolfsburger Ortsteil Warmenau als Standort fest und gab Mittel von rund zwei Milliarden Euro frei. Baubeginn soll im Frühjahr 2023 sein. Volkswagen will mit der Trinity-Fabrik die Aufholjagd zum enteilten Konkurrenten beschleunigen.
In Wolfsburg soll ab 2026 ein komplett neuentwickeltes E-Auto vom Band laufen, mit dem VW automatisches Fahren für breite Käuferschichten erschließen will. In dem vom Halbleitermangel und wegen des Ukraine-Krieg zusätzlich von Materialengpässen gebeutelten Stammwerk soll die Produktion von Autos mit Verbrennermotor vorerst weiterlaufen. Dort will Volkswagen ab 2023 auch den vollelektrischen ID.3 montieren, um die Zeit bis zum Trinity-Start zu überbrücken.
Google setzt sein Anzeigengeschäft in Russland nach dem Angriff auf die Ukraine bis auf Weiteres aus. Betroffen sei Werbung sowohl im Umfeld der Internet-Suche als auch bei der Videoplattform Youtube, teilte der Konzern mit. Zuvor hatte Google nur bestimmte Anzeigen rund um den Krieg blockiert.
Die niederländische Großbank ING bekommt die Sanktionen gegen bestimmte russische Unternehmen und Personen zu spüren. Ausstehende Kredite im Wert von rund 700 Millionen Euro seien davon betroffen, teilte ING mit. Wo genau das Geld liegt, wurde nicht näher genannt. Insgesamt habe die Bank Kredite über 5,3 Milliarden Euro in Russland ausstehen.