Zinsängste Tristesse an der Wall Street
Der DAX hat sich zum Wochenstart stabilisiert, bleibt aber unter 14.000 Punkten. Die Anlegerinnen und Anleger bleiben vorsichtig, denn das Ende der laufenden Zinsrally ist auch weiterhin nicht in Sicht.
Zinsängste und kein Ende. In New York knüpften die großen US-Aktienindizes an die jüngsten Verluste an und schlossen allesamt im Minus. Dabei weiteten sich die Verluste im Handelsverlauf aus.
Der Dow Jones-Index, der Leitindex der Standardwerte, kam mit einem Minus von 0,49 Prozent auf 32.757 Zähler etwas besser weg als die besonders zinsempfindliche Tech-Börse Nasdaq. Diese gab 1,49 Prozent nach auf 10.546 Zähler, in ähnlicher Größenordnung sackte auch der Auswahlindex 100 ab. Die Papiere der Schwergewichte Apple, Microsoft und der Google-Mutter Alphabet waren entsprechend im Minus von bis zu 2,00 Prozent. Der marktbreite S&P, der sowohl Standard- als auch Tech-Aktien beinhaltet, ging bei 3817 Punkten um 0,90 Prozent leichter aus dem Handel.
Auch am Rentenmarkt gab es Verluste. Der Terminkontrakt für zehnjährige Anleihen (T-Note-Future) fiel um 0,56 Prozent auf 114,17 Punkte. Die Rendite zehnjähriger Staatspapiere betrug 3,58 Prozent. Zweijährige Papiere rentierten mit 4,25 Prozent ebenfalls deutlich höher als am Freitag.
"Wir haben tatsächlich einen Finanzschock erlebt, der mit dem von 2008 vergleichbar ist, nur aus anderen Gründen", sagte Huw Roberts, Analyst bei Quant Insight in London. Das Thema des laufenden Jahres sei das Tauziehen zwischen der Inflation und der politischen Reaktion der Fed gewesen. "Die Märkte freuten sich über jeden Hinweis auf kleinere Zinsschritte, nur um gleich von einer Straffung der Geldpolitik bedrückt zu werden."
Von Weihnachtsrally oder "Window Dresssing", durchaus üblichen Motiven der Anleger für Kursgewinne zum Jahresschluss, ist derzeit jedenfalls nichts zu erkennen. Es ist aber nicht ausgeschlossen, dass die Kurse noch nach oben getrieben werden, um in den Jahresenddepots der Kunden höhere Aktienwerte auszuweisen. Statistisch ist dies gut nachgewiesen.
Unter den Einzelwerten standen Papiere des Unterhaltungsriesen Walt Disney im Fokus. Die Avatar-Fortsetzung "The Way of Water" verfehlte die erwarteten Besucherzahlen und drückte damit die Disney-Aktie. Die Titel des Unterhaltungskonzerns fielen im Dow Jones deutlich um 4,77 Prozent auf 85,78 Dollar.
Der Film unter der Regie von James Cameron erwirtschafte am ersten Kinowochenende 435 Millionen Dollar im Gegensatz zu den erwarteten 500 Millionen Dollar. Mindestens zwei Milliarden Dollar müssten nach Angaben von Cameron eingebracht werden, um die Kosten der Filmproduktion zu decken.
Die Anteilsscheine von Meta fielen um 4,14 Prozent. Der US-Internetkonzern verstößt nach vorläufiger Ansicht der EU-Wettbewerbshüter durch eine Verzerrung des Wettbewerbs bei Facebook Marketplace gegen europäische Kartellvorschriften. Die EU-Kommission bemängelt, dass Meta konkurrierenden Online-Kleinanzeigendiensten, die auf Facebook oder Instagram Werbung schalten, einseitig unfaire Handelsbedingungen auferlege. Darüber hinaus verknüpfe Meta den Facebook Marketplace mit seinem marktbeherrschenden sozialen Netzwerk Facebook.
Wer nach den jüngsten Verlusten auf eine Gegenbewegung am Aktienmarkt spekuliert hatte, wurde zumindest heute enttäuscht. Der DAX stabilisierte sich mit einem Tagesgewinn von 0,36 Prozent auf 13.942 Punkte zwar etwas, zu mehr reichte es aber nicht. Schnäppchenjäger waren nicht in Sicht, nachdem der deutsche Leitindex in der Vorwoche kräftig Federn lassen musste. Am Vormittag scheiterte der Index zudem an der runden Marke von 14.000 Punkten.
Der MDAX, der Index der mittelgroßen Werte, legte ebenfalls leicht um 0,24 Prozent zu auf 25.023 Zähler. Die Stimmung bleibt damit weiterhin von Unsicherheit geprägt, so dass eine Weihnachtsrally derzeit unwahrscheinlich scheint. Denn Anlegerinnen und Anleger, die zukünftig auf einen entspannteren geldpolitischen Kurs gesetzt hatten, wurden zuletzt von der US-Notenbank Fed und der Europäischen Zentralbank (EZB) auf dem falschen Fuß erwischt.
"Angesichts der Verluste könnte es zu einer kleinen Schnäppchenjagd kommen, aber es herrscht immer noch Unruhe darüber, was das Jahr 2023 bringen wird", sagte Susannah Streeter, Analystin bei der Investmentfirma Hargreaves Lansdown. Mit einer Weihnachtsrally rechnet sie deshalb nicht. "Wir haben die nicht enden wollende Covid-Geschichte, die immer noch Probleme in China verursacht, und die anhaltenden Bedenken, inwieweit die Zentralbanken die Zinsen anheben müssen."
"Auch zum Start in die neue Handelswoche regiert an der Börse die Angst, dass die restriktive Geldpolitik der Notenbanken zur Bekämpfung der Inflation die Wirtschaft in die Rezession stürzt", sagte Konstantin Oldenburger, Marktanalyst beim Handelshaus CMC Markets.
Verstärkt dürften nun die möglichen "Endpunkte" der Zinsrally ins Blickfeld der Anleger rücken. Wie weit geht sie noch und ist wirklich schon alles drin in den Kursen? "Jetzt muss sich zeigen, ob Schnäppchenjäger in dieser Woche bereits wieder einsteigen und das Kursgeschehen oberhalb der 200-Tage-Linie stabilisieren können", sagte Jochen Stanzl, Chef-Marktanalyst des Online-Brokers CMC Markets.
Zweifel bleiben allerdings erlaubt, zumal die Notenbanken "weiter nach Datenlage" entscheiden wollen. Zudem haben sich sowohl die EZB als auch die Federal Reserve zuletzt ungewohnt kämpferisch gegeben was den Kampf gegen die Inflation angeht. Insbesondere Raum für Zinssenkungsfantasien im kommenden Jahr ist somit nicht vorhanden, was das Aufwärtspotenzial der Märkte bremst.
Kurzfristig können sich die Anlegerinnen und Anleger an charttechnischen Marken orientieren. Vor allem die DAX-Marke von 13.500 Punkten, wo auch die 200-Tage-Durchschnittslinie verläuft, sollte im Auge behalten werden. Der DAX bleibt nach seinem Kursrutsch von über 800 Punkten in der Vorwoche jedenfalls technisch angeschlagen.
Ein negativer Analystenkommentar der Citigroup vom Freitag wirkte bei der Post-Aktie heute noch nach. Das Papier stand mit einem Minus von über drei Prozent am DAX-Ende. Im Streit über die Gültigkeit sogenannter mobiler Briefmarken hat das Unternehmen zudem eine Niederlage einstecken müssen. Eine Klausel in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen, derzufolge diese Art der Frankierung nur 14 Tage nach dem Kauf gültig ist, ist nach einem Urteil des Kölner Landgerichts unwirksam, wie der Bundesverband der Verbraucherzentralen (VZBV) heute mitteilte.
Größter Gewinner im DAX war die Aktie der Porsche AG mit einem Aufschlag von 3,2 Prozent. Die Papiere des Stuttgarter Sportwagenherstellers (nicht zu verwechseln mit der VW-Holding Porsche SE, die ebenfalls im DAX enthalten ist) wurden heute erstmals im DAX gehandelt. Die Aktie der Volkswagen-Tochter ersetzt dort die Papiere des Sportartikel-Herstellers Puma, der in den Nebenwerteindex MDAX absteigt. Die Porsche-Aktie hat seit ihrem Börsengang knapp 17 Prozent zulegen können. Gemeinsam mit der Volkswagen-Mutter Porsche Holding SE gibt es also künftig zwei Porsche-Titel im deutschen Leitindex.
Fundamental gute Nachrichten kamen zum Jahresende von der deutschen Wirtschaft. Die vom ifo-Institut gemessene Stimmung in den Chefetagen deutscher Firmen hat sich im Dezember den dritten Monat in Folge aufgehellt. Die dritte Aufwärtsbewegung des Indikators in Folge wird von Experten als Trendwende zum Besseren gewertet. "Die deutsche Wirtschaft schöpft zum Weihnachtsfest Hoffnung", sagte ifo-Präsident Clemens Fuest.
"Die zwischenzeitlich offensichtlichen Befürchtungen vor einem Einbruch der Wirtschaft scheinen mehr und mehr zu verfliegen, auch wenn eine Rezession wohl nicht zu verhindern ist", betonte Commerzbank-Ökonom Ralph Solveen.
Im US-Devisenhandel behauptet sich die europäische Gemeinschaftswährung weiter knapp über der Marke von 1,06 Dollar hält und legt damit gegen den Dollar leicht zu. Die Europäische Zentralbank setzte den Referenzkurs auf 1,0598 (Freitag: 1,0619) Dollar fest. Insgesamt sind die Schwankungen am Devisenmarkt bisher überschaubar. Die Feinunze Gold kostet 1791 Dollar und notiert damit nahezu unverändert.
Vertreter der Europäischen Zentralbank bestätigten unterdessen ihre Absicht, das Zinserhöhungstempo hochzuhalten. EZB-Vizepräsident Luis de Guindos sagte in Madrid: "Wir müssen zusätzliche Maßnahmen ergreifen, um die Zinssätze in einem ähnlichen Tempo wie bei der letzten Erhöhung um 50 Prozentpunkte zu erhöhen."
Ähnliche Bemerkungen kamen von den nationalen Notenbankchefs Litauens und der Slowakei, Gediminas Simkus und Peter Kazimir, aber auch von Bundesbankpräsident Nagel. Dieser rechnet im Kampf der Europäischen Zentralbank (EZB) gegen die ausufernde Inflation mit keinen schnellen Erfolgen. "Und die Zinserhöhungen werden weitergehen", sagte er. "Wir sind schon eine Wegstrecke gegangen, aber da muss noch einiges folgen."
Die Stimmung auf dem US-Häusermarkt hat sich im Dezember überraschenderweise erneut verschlechtert. Der NAHB-Hausmarktindex fiel um zwei Punkte auf 31 Punkte, wie die National Association of Home Builders heute in Washington mitteilte. Dies ist der niedrigste Stand seit April 2020 - also zu Beginn der Pandemie.
Es ist der mittlerweile zwölfte Rückgang in Folge. Der Indikator gab damit jeden Monat im ablaufenden Jahr nach. Analysten hatten hingegen mit einem Anstieg auf 34 Punkte gerechnet. Der NAHB begründete die neuerliche Eintrübung mit den hohen Hypothekenzinsen. Zudem würden die Baukosten stärker steigen als die Inflation. Außerdem schwächle die Nachfrage.
Die Aussicht auf eine Belebung der Nachfrage durch die Lockerung der Corona-Restriktionen in China trieb unterdessen den Preis für Rohöl der US-Sorte WTI um rund 1,8 Prozent pro Barrel (159 Liter) an. Auch die Notierungen der Nordseesorte Brent legten heute zu. Positive Impulse lieferte zudem die Ankündigung des US-Energieministeriums vom Freitag, mit dem Rückkauf von Rohöl für die Strategische Erdölreserve zur Lieferung im Februar nächsten Jahres zu beginnen.
Die Puma-Aktie steigt für die neue Porsche-Aktie in den MDAX ab und schickt damit den Batteriehersteller Varta in den SDAX. Außerdem tauschen das bisherige MDAX-Unternehmen Deutsche Wohnen und der zuvor im SDAX zu findende Bioethanolhersteller Verbio ihre Plätze. Darüber hinaus gibt es noch ein paar weitere Änderungen im Index für die kleineren Werte unterhalb des MDAX.
Die VW-Aktie lag nur optisch stark im Minus und am DAX-Ende. Denn das Kursminus von über zehn Prozent heute war auf einen hohen Dividendenabschlag zurückzuführen. Bereinigt um die hohe Sonderdividende von 19,06 Euro, die im Zuge des Börsengangs der Porsche AG an die Aktionäre ausgeschüttet wurde, stand sogar ein deutliches ein Kursplus zu Buche. Der VW-Konzern hat derweil seine Auslieferungen im November um 9,1 Prozent gesteigert.
Rheinmetall rutschten am MDAX-Ende angesichts einer weiteren Panne beim Schützenpanzer "Puma" um 7,9 Prozent deutlich ab. Das von zahlreichen technischen Mängeln geplagte Gefechtsfahrzeug war zuletzt bei Übungen der Bundeswehr für die Beteiligung an der NATO-Eingreiftruppe VJTF (Very High Readiness Joint Task Force) im nächsten Jahr komplett ausgefallen.
Übernahmefantasien schoben die Aktien von ProSiebenSat.1 um rund 3,5 Prozent an. Am Markt thematisiert wurde eine Meldung an die österreichische Wettbewerbsbehörde, wonach der Großaktionär MediaForEurope - die Holding des italienischen Medienmoguls Silvio Berlusconi - die "faktische alleinige Kontrolle" an dem Medienkonzern erwerben möchte.
Die Aktionäre von Uniper haben heute in einer außerordentlichen Hauptversammlung online der Rettung des angeschlagenen Energieunternehmens zugestimmt. Das milliardenschwere Rettungspaket, das eine Verstaatlichung des Versorgers vorsieht, soll einen Zusammenbruch von Deutschlands größtem Gasimporteur verhindern.
United Internet peilt bei dem geplanten Börsengang seiner Cloud- und Webhostingtochter Ionos laut Insidern jetzt eine Bewertung von bis zu fünf Milliarden Euro an. Die Eigentümer United Internet und Warburg Pincus hätten sich in den vergangenen Wochen mit mehreren Fondsmanagern getroffen und wollten den geplanten Anteilsverkauf bis Februar vorantreiben, berichtete die Nachrichtenagentur "Bloomberg" heute unter Berufung auf mit der Sache vertraute Personen. Die Bewertung laufe auf 4,5 bis 5 Milliarden Euro hinaus. Damit würde Ionos höher bewertet, als auf Basis von Insiderinformationen im November erwartet worden war.
Beim Kurznachrichtendienst Twitter steht der Mehrheitsanteilseigner Elon Musk vor dem Rücktritt als Unternehmenschef. In einer vom 51-Jährigen selbst eingeleiteten Twitter-Umfrage sprach sich die Mehrheit für diesen Schritt aus. Musk hatte zuvor versichert, sich an das Abstimmungsergebnis zu halten. Die Aktie legt in New York zu.
Der Auto-Experte Ferdinand Dudenhöffer sieht angesichts von Querelen um die Plattform Twitter nach der Übernahme durch Elon Musk auch eine Gefahr für den Erfolg von Tesla. Musk müsse aufpassen, "dass er sich jetzt nicht zu stark mit seinen Twitter-Eskapaden in eine Richtung begibt, die ihm die viele Sympathie, die er bisher gehabt hat, raubt", sagte Dudenhöffer der "Märkischen Oderzeitung" (Online/Sonntag). "Mit seinem autokratischen Auftreten wird Musk mehr und mehr ein Risiko für Tesla und Grünheide."
Die Papiere von Moderna kletterten unter den US-Einzelwerten in New York vorbörslich um bis zu 4,4 Prozent nach oben, konnten das hohe Niveau aber nicht halten. Sie fielen im Verlauf immer mehr zurück und schlossen in einem schwächeren Umfeld letztlich 1,76 Prozent leichter. Fantasie war zuvor aufgekommen, weil der Ausschuss für Humanarzneimittel (CHMP) der Europäischen Arzneimittel-Agentur (EMA) den Covid-19-Booster-Impfstoff des Unternehmens für die Verwendung bei Kindern im Alter von sechs bis elf Jahren empfahl.