Nachlassende Zinsängste US-Anleger greifen kräftig zu
So schnell geht es manchmal an der Börse. In New York ließ heute die Angst vor zu drastischen Zinsschritten der Notenbank nach - und sofort waren die Anleger wieder da. Eine Aktie fiel besonders auf.
Die großen US-Indizes sind zum Wochenschluss mit deutlichen Gewinnen aus dem Handel gegangen. Sie setzten damit ihren Aufschwung aus dem späten Geschäft des Vortages fort.
Der Leitindex Dow Jones schloss bei 31.288 Punkten, ein deutlicher Gewinn von 2,15 Prozent. Am Vortag hatte der führende Aktienindex der Standardwerte sich noch bedrohlich der Marke von 30.000 Punkten genähert. Auch die Tech-Indizes und der marktbreite S&P-500-Index gewannen zwischen 1,8 und 1,9 Prozent.
Damit endete eine Börsenwoche, die von wechselnden Erwartungen an eine Straffung der Geldpolitik durch die US-Notenbank und den Sorgen um das weltweite Wirtschaftswachstum geprägt war. Erleichtert reagierten Investoren auf die Aussagen zweier führender US-Notenbanker, die sich für eine Zinserhöhung von 0,75 Prozentpunkten in zwei Wochen aussprachen. Nach den überraschend hohen US-Inflationsdaten vom Dienstag hatten sie einen Schritt von einem vollen Prozentpunkt befürchtet.
"Die Debatte über eine Zinserhöhung um 100 Basispunkte hält den Markt in Atem", sagte Peter Cardillo, Chefvolkswirt des Vermögensberaters Spartan. Außerdem hellten ermutigende Konjunkturdaten und Firmenbilanzen die Stimmung auf.
Unter den Einzelwerten standen mit den Quartalszahlen von Wells Fargo und der Citigroup erneut zwei der großen Banken des Landes im Fokus. Gestern hatten die Banken JPMorgan und Morgan Stanley mit rückläufigen Gewinnen für Enttäuschung unter den Anlegern gesorgt.
Heute war dafür das Papier der Citigroup der Börsenstar, das am Ende um 13,36 Prozent auf 49,98 Dollar regelrecht haussierte. Die Bank verdiente im zweiten Quartal zwar weniger, die Zahlen fielen aber besser aus als erwartet.
Wegen Rückstellungen für faule Kredite brach der Quartalsgewinn zwar auf 4,5 von 6,19 Milliarden Dollar ein. Experten hatten allerdings einen größeren Rückgang befürchtet. Sowohl die Zins- als auch die Gebühreneinnahmen hätten positiv überrascht, kommentierte Analyst Ken Usdin von der Investmentbank Jefferies. Gleiches gelte für die Kapitalquote. Citi-Vorstandschefin Jane Fraser sprach von "soliden Ergebnissen" in einem schwierigen Marktumfeld.
Im Sog der Citi-Ergebnisse legten auch die Papiere von Wells Fargo deutlich über sechs Prozent zu, obwohl die Ergebnisse ernüchternd ausfielen. Denn eine deutlich erhöhte Risikovorsorge für faule Kredite angesichts gestiegener Rezessionsgefahr hat den Gewinn beim US-Geldhaus ebenfalls einbrechen lassen. Im zweiten Quartal verdiente der Finanzkonzern nach eigenen Angaben vom Freitag unterm Strich 3,1 Milliarden US-Dollar - fast 50 Prozent weniger als im Vorjahreszeitraum. Wells Fargo erhöhte die Rückstellungen für drohende Kreditausfälle kräftig, das zehrte am Ergebnis.
Auch robuste Konjunkturdaten trugen zur guten Marktstimmung bei. Die Einzelhändler in den USA haben im Juni nämlich überraschend kräftig Kasse gemacht. Die Erlöse stiegen um 1,0 Prozent im Vergleich zum Vormonat, wie das Handelsministerium am frühen Nachmittag mitteilte. Ökonomen hatten lediglich mit einem Plus von 0,8 Prozent gerechnet. Im Mai hatte es noch ein Minus von revidiert 0,1 Prozent gegeben.
Nach Ansicht von Ökonom Bastian Hepperle von der Hauck Aufhäuser Lampe Privatbank ergab sich im Juni auf den ersten Blick ein ordentliches Umsatzplus - auch weil für viele Güter erheblich mehr bezahlt werden musste. "Werden bei der Umsatzentwicklung derartige Preisanstiege herausgerechnet, steht unter dem Strich ein Minus zu Buche. Das sind schlechte Vorgaben für den privaten Konsum, der unter der hohen Inflation immer mehr zu leiden hat."
Die Stimmung in den Industrieunternehmen im US-Bundesstaat New York hat sich im Juli überraschend und deutlich verbessert. Der an der Börse vielbeachtete Empire-State-Index stieg zum Vormonat um 12,3 Punkte auf 11,1 Zähler, wie die regionale Notenbank von New York mitteilte. Analysten hatten im Schnitt mit einem Dämpfer auf minus 2,0 Punkte gerechnet. Mit einem Stand über der Nulllinie signalisiert der Indikator einen Zuwachs der wirtschaftlichen Aktivität in der Industrie.
Gut kam an den Finanzmärkten an, dass die von der Uni Michigan gemessenen Erwartungen an die längerfristige Inflation etwas zurückgingen. Auch das spricht gegen einen drastischen Straffungskurs der US-Notenbank. Industriedaten enttäuschten hingegen.
Die Achterbahnfahrt an der Frankfurter Börse hat sich heute fortgesetzt. Nach deutlichen Verlusten am Vortag ging es im Laufe des Tages nun ebenso kräftig wieder bergauf. Damit findet der deutsche Aktienmarkt inmitten eines extrem herausfordernden geostrategischen und ökonomischen Umfelds weiter keine klare Linie und bleibt volatil.
Der DAX rückte am Ende des Tages kräftig um 2,76 Prozent vor auf 12.864 Punkte. Das waren absolut 345 Punkte und damit fast exakt die Schwankungsbreite des Vortages. Trotzdem bleibt für den Leitindex ein Wochenverlust von knapp 1,2 Prozent. Der Markt erhielt am Nachmittag frischen Rückenwind von der Wall Street, die im frühen Geschäft ebenfalls zulegte und sich bereits am Vorabend im Verlauf erholt hatte.
Es gab heute nur Gewinner, bis auf die Papiere der Deutschen Börse, die leicht nachgaben. Es war ein genau umgekehrtes Bild zu gestern, als es bis auf Zalando nur Verlierer gab.
Auch der MDAX, der Index der mittelgroßen Werte, machte Boden gut und ging bei 25.557 Punkten aus dem Handel, ein Tagesgewinn von 2,21 Prozent. Vor allem Tagessieger Lufthansa machte nach positiv aufgenommenen Ergebnissen im zweiten Quartal Boden gut. Die Aktie stieg fast sieben Prozent.
Der Konzernumsatz habe sich auf rund 8,5 (Vorjahr: 3,2) Milliarden Euro mehr als verdoppelt, teilte der Konzern mit. Das bereinigte Ergebnis (Ebit) lag den vorläufigen Zahlen zufolge im zweiten Quartal zwischen 350 und 400 Millionen Euro, nach einem Verlust von 827 Millionen Euro vor Jahresfrist. "Der Konzern profitierte dabei vor allem von einer anhaltend starken Entwicklung bei Lufthansa Cargo.
Als Erklärungsversuch für den überraschend deutlichen Aufschwung des heutigen Tages dienten primär technische Argumente, zumal heute auch auch an der Terminbörse Eurex die Juli-Optionen auf Indizes und Einzelaktien der Deutschen Börse ausliefen. Im Vorfeld des Abrechnungstermins versuchen große institutionelle Adressen häufig, die Kurse am Kassa-Markt, also etwa im DAX, in die von ihnen gewünschte Richtung zu drücken.
"Auf den Ausverkauf folgt auch diesmal der Erholungsversuch", kommentiert Portfoliomanager Thomas Altmann von QC Partners. Laut Altmann sind es "zum einen die klassischen Schnäppchenjäger, die auf dem aktuellen Kursniveau günstige Einstiegschancen wittern".
Trotz seiner heutigen Kursgewinne bleibt der deutsche Leitindex technisch angeschlagen, fundamental bleiben vor allem Rezessionsängste dem Markt ohnehin erhalten. Erst oberhalb des vor gut drei Wochen begonnenen technischen Abwärtstrends (aktuell bei 13.050 Punkten) würden die DAX-Bullen wieder Oberhand gewinnen. Alles, was sich darunter abspielt, ist nichts als eine Gegenbewegung innerhalb des übergeordneten Abwärtstrends. Für eine Entwarnung besteht daher auch aus technischer Perspektive kein Anlass.
Auch fundamental bleibt die Lage unverändert ernst. Denn in der neuen Woche könnte die schon seit einiger Zeit an den Märkten diskutierte Konjunktur- und Zinsangst die Kurse von Aktien belasten. Während die Energieversorgung unsicher bleibt und sich ein Wirtschaftsabschwung abzeichnet, erhöht sich mit der Rekord-Inflation gleichzeitig der Druck auf die Notenbanken, ihre Zinsen anzuheben.
Als eine der wenigen Währungshüter hat bisher die Europäische Zentralbank (EZB) noch nicht agiert, aber einen ersten Zinsschritt von 25 Basispunkten für die Juli-Sitzung angekündigt. Am Donnerstag dürfte es soweit sein, allerdings erachten die Märkte den Zinsschritt als nicht ausreichend, um die hohe Inflation wirksam einzudämmen.
"Keine leichte Sitzung für die EZB", erwarten die Experten des Bankhauses Metzler. So bestehe eine hohe Wahrscheinlichkeit dafür, dass Russland nach dem Abschalten der Pipeline Nord Stream 1 für Wartungsarbeiten in der vergangenen Woche die Gaslieferungen nach Europa weitestgehend einstellen wird. Zudem zeichnet sich in Italien eine Regierungskrise ab, die laut Metzler-Chefvolkswirt Edgar Walk zu weiteren erheblichen Turbulenzen an den Anleihemärkte der Eurozone führen könnte.
Der Euro hat sich im Verlauf etwas erholt und wird im US-Handel bei 1,0075 Dollar knapp über der Dollar-Parität gehandelt. Die Europäische Zentralbank setzte den Referenzkurs auf 1,0059 (Donnerstag: 1,0005) Dollar fest. Am Dienstag hatte der Euro erstmals die Parität zum Dollar erreicht, zur Wochenmitte war er dann sogar unter die Marke von 1,00 Dollar gefallen.
Ängste vor einer durch die Gaskrise ausgelösten Rezession in Europa und die immer weiter zugunsten des Dollar aufgehende Zinsschere schwächen den Euro.
Ein zusätzlicher Belastungsfaktor für den Euro ist die Regierungskrise in Italien, die gestern in einer Rücktrittsankündigung von Ministerpräsident Mario Draghi gipfelte. Danach beschleunigte sich auch der Ausverkauf bei italienischen Staatsanleihen noch einmal. Zum Wochenschluss sind die Renditen für italienische Staatspapiere zunächst weiter gestiegen, während die Renditen der meisten anderen Euroländer nachgaben.
Es sei wenig verwunderlich, dass sich im Rahmen der politischen Unsicherheit der Zinsunterschied zwischen deutschen und italienischen Anleihen weiter ausweitet, heißt es in einer Einschätzung von Analysten der Dekabank. Auch am Aktienmarkt wird die Situation in Italien genau verfolgt, gilt doch der hoch geschätzte ehemalige EZB-Chef Draghi als Garant für einen stabilen Kurs des Landes. Er ist auch noch im Amt trotz seiner Rücktrittsankündigung, allerdings spricht vieles in Italien mal wieder für Neuwahlen.
Die anhaltende Dollar-Stärke lastet derweil weiterhin auf dem Goldpreis, macht sie doch das Edelmetall für Investoren außerhalb der USA unattraktiver. Zum Wochenschluss notierte Gold 0,4 Prozent tiefer bei 1705 Dollar je Feinunze (31,1 Gramm).
Die Ölpreise haben sich nach starken Verlusten im Verlauf der Handelswoche wieder erholt. Ein Barrel (159 Liter) der Nordseesorte Brent kostet am Abend 2,5 Prozent mehr und notiert wieder über 100 Dollar je Fass. Die US-Leichtölsorte WTI legte in gleichem Ausmaß zu.
Am Vortag hatten die Ölpreise noch zeitweise erheblich unter Druck gestanden. Der Preis für Rohöl aus der Nordsee war bis auf 94,50 Dollar und damit den tiefsten Stand seit Februar gefallen. Hintergrund der Ölschwäche sind die massiven Rezessionsängste, aber auch die unklare Corona-Lage in China, einem der größten Ölverbraucher weltweit.
Der Volkswagen-Konzern scheint sich allmählich aus der Absatzkrise durch fehlende Mikrochips und Corona-Probleme in China herauszuarbeiten. Die Wolfsburger meldeten für den Juni ein Minus von 6,3 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat auf 802.000 weltweit ausgelieferte Fahrzeuge. Im Mai waren es gut 150.000 Stück weniger gewesen - bei einem Rückgang von 23,5 Prozent zum Mai 2021. Sowohl VW-Vorzüge als auch die VW-Holding Porsche SE warten gesucht und standen an der DAX-Spitze
BMW prüft die Serienproduktion von Wasserstoffautos. Das sagte der Vorstandsvorsitzende Oliver Zipse dem "Handelsblatt". Ab 2025 soll zudem eine "neue Klasse" von Elektroautos mit besseren und billigeren Batterien auf den Markt kommen. "Zum Start planen wir eine kompakte Limousine im 3er-Segment und ein entsprechendes sportliches SUV."
Aktien von Uniper haben sich deutlich von ihrem jüngsten Rekordtief (8,78 Euro) abgesetzt. Der Kurs des schwer unter der Krise mit Russland leidenden Energiekonzerns klettert in der Spitze um bis zu zwölf Prozent auf knapp 10 Euro. Analyst Alberto Gandolfi von Goldman Sachs hatte am Vorabend seine Verkaufsempfehlung gestrichen. Er rechnet in Kürze mit Staatshilfen für die Düsseldorfer.
Aktien der Software AG gaben im MDAX gegen den Trend leicht nach, konnten aber im Verlauf ihre Verluste deutlich eingrenzen. Die Titel litten zunächst stark unter der Prognosesenkung für den Auftragseingang in der Digitalisierungssparte. Hier rechnet der Konzern nun mit einem währungsbereinigten Anstieg von zwölf bis 18 Prozent im Vergleich zum Vorjahr statt bislang 15 bis 25 Prozent.
Die Drägerwerk-Aktie stand nach aktuellen Geschäftszahlen unter Druck. Ein Börsianer sprach vom "nächsten fürchterlichen Quartal". Umsatz und Ergebnis hatten sowohl im ersten Halbjahr als auch im zweiten Quartal deutlich unter den Vorjahreswerten gelegen. "Man fragt sich, wie es Drägerwerk schaffen will, am Jahresende profitabel zu sein", sagte der Börsianer. Drägerwerk selbst hatte seine Jahresziel bestätigt - inklusive eines leicht positiven Ebit.
Anders als Konkurrentin Lufthansa plant Easyjet im Sommer keine weiteren Flugstreichungen in Deutschland mehr. "Der Flugplan für die Sommerferien steht", sagte Deutschland-Chef Stephan Erler dem "Tagesspiegel". "Es wird keine planmäßigen Flugstreichungen mehr für Juli und August geben". Einzelne Ausfälle seien zwar immer möglich, betonte Erler, aber für Juli und August sei Easyjet gut aufgestellt.
Der niederländische Navi-Hersteller TomTom hat wegen der gestörten Lieferketten und der Inflation im zweiten Quartal schlechter abgeschnitten als erwartet. Bei stagnierenden Erlösen von rund 133 Millionen Euro fiel ein Betriebsverlust von 55,5 (Vorjahr: minus 21,1) Millionen Euro an, wie der Konzern mitteilte. Analysten hatten nur ein Minus von 20 Millionen Euro prognostiziert.
Die Aussicht auf frische Barmittel treibt die Aktien von Aston Martin. Die Papiere des Luxusauto-Herstellers ziehen prozentual zweistellig an. Aston Martin will mittels einer Kapitalerhöhung mit Bezugsrechten 653 Millionen Pfund (umgerechnet rund 771 Millionen Euro) einnehmen. Der saudische Staatsfonds soll im Zuge dessen zum zweitgrößten Eigner werden. Der saudische Fonds und die Großaktionäre Yew Tree Consortium und Mercedes-Benz AG würden gemeinsam 335 Millionen Pfund investieren.
Anziehende Verkäufe in Europa haben dem Schweizer Luxusgüterkonzern Richemont im Frühlingsquartal Schub verliehen. Der Umsatz kletterte von April bis Juni währungsbereinigt um zwölf Prozent auf 5,3 Milliarden Euro. Mit einem Plus von 42 Prozent war Europa Wachstumslokomotive. Richemont begründete die Geschäftsentwicklung neben der einheimischen Nachfrage auch mit der Ausgabefreude von Touristen aus den USA und dem Nahen Osten.
Der aktivistische Investor Elliott hat sich einer Zeitung zufolge einen Anteil von mehr als neun Prozent an der Foto-Onlineplattform gesichert. Zudem liefen Gespräche zwischen den beiden Parteien, berichtete das "Wall Street Journal". Die Pinterest-Aktie stieg im nachbörslichen Handel um 24 Prozent. Eine Stellungnahme des Online-Konzerns lag zunächst nicht vor.
Amazon macht im EU-Wettbewerbsverfahren Zugeständnisse zugunsten anderer Händler auf seiner Plattform. Unter anderem verpflichtet sich der Konzern, keine nicht-öffentlichen Daten der Händler zur Gestaltung eigener Angebote zu verwenden. Dass Amazon auf Basis solcher Informationen zum Beispiel Produkte unter Eigenmarken herausbringe und die Händler damit unter Druck setze, war einer der Vorwürfe, die die EU-Wettbewerbsuntersuchung ausgelöst hatten.