Zustimmung zu Gebühren Viele Kunden ignorieren Bank-Aufforderung
Einer Umfrage von tagesschau.de zufolge haben viele Bankkunden den neuen Gebühren noch nicht zugestimmt - trotz Fristen und teilweise auch Kündigungsdrohungen. Wie reagieren die Geldhäuser? Was kommt auf die betroffenen Kunden zu?
Auch acht Monate danach sorgt das Urteil des Bundesgerichtshofes (BGH), demzufolge Bankkunden einer Änderung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) ausdrücklich zustimmen müssen, für Streit. Eine Umfrage von tagesschau.de unter den führenden deutschen Banken und Sparkassen hat ergeben, dass eine beträchtliche Zahl von Kunden den geänderten Vertragsbedingungen bisher nicht zugestimmt hat.
So heißt es von der Hamburger Sparkasse (Haspa), der nach Bilanzsumme größten deutschen Sparkasse, dass bis Ende 2021 "mehr als die Hälfte der Kund:innen" den veränderten Vertragsbedingungen zugestimmt haben. Das bedeutet im Umkehrschluss, dass mehrere Hunderttausend der insgesamt 1,5 Millionen Kunden des Instituts noch keine Rückmeldung versandt haben. Eine beträchtliche Zahl - dennoch gibt sich die Haspa gelassen.
Deutsche Bank droht mit Kündigung
"Jeder Kunde/jede Kundin hat Zeit, sich die neuen Vertragsbeziehungen in Ruhe anzusehen. Da wir wissen, dass das ein komplexes Thema ist, helfen unsere Mitarbeiter:innen in unseren Filialen dazu gern persönlich vor Ort oder telefonisch weiter", schreibt die Haspa in einem hilflos klingenden Aufruf. Die Frage einer möglichen Kündigung stelle sich daher aktuell nicht. Die Sparkasse gibt sich also konziliant und will weiter um die Gunst der Kunden werben.
Deutlich entschiedener äußert sich die Deutsche Bank. Ein Sprecher sagte auf Anfrage von tagesschau.de, dass bereits mehr als 85 Prozent der Kunden von Deutscher Bank, Postbank und norisbank den veränderten Preisen und Bedingungen zugestimmt hätten. "Zugleich haben wir die Kund*innen, die aus unterschiedlichen Gründen noch nicht zugestimmt haben, nochmals schriftlich daran erinnert, wie wichtig es für die Kundenverbindung ist, den bekannten Preisen und Bedingungen ausdrücklich zuzustimmen", so der Sprecher - und fügt gleich eine Drohung hinzu: Wer sich dennoch weigere, riskiere eine "Prüfung der Kundenbeziehung". Im Klartext wird damit eine Kündigung nicht ausgeschlossen.
So weit will die Commerzbank, die zweitgrößte deutsche Privatbank, nicht gehen. Sie will zunächst weiter um die Zustimmung der Kunden werben. "Es geht darum, die vertragliche Basis mit unseren Kunden rechtssicher zu gestalten. Wir benötigen deshalb die Zustimmung zu den aktuellen Bedingungen und Preisen", sagte ein Sprecher zu tagesschau.de. Wie hoch der Anteil der Kunden ist, die den vertraglichen Änderungen bisher nicht zugestimmt haben, will die Commerzbank nicht sagen. Nur soviel: "Wir sind sehr zufrieden mit der Zahl der bisherigen Rückmeldungen. Die Kunden verstehen, dass es sich um eine rechtliche Erfordernis handelt", so der Sprecher.
Nur keine Kunden verlieren
Erstmal weiter um Zustimmung werben will auch die ING. Sie ist mit gut neun Millionen Kunden die drittgrößte Privatkundenbank in Deutschland. Hier läuft die Frist zur Zustimmung zu den veränderten Vertragsbedingungen noch bis Ende Februar. Kein Grund also, pessimistisch zu sein. Zahlen über die Höhe der bisher eingegangenen Zustimmungen will die Bank keine nennen. "Unser Ziel ist es aber, dass möglichst alle Kundinnen und Kunden den AGBs zustimmen", so ein Sprecher. "Dafür konzentrieren wir uns weiterhin auf den aktuellen Zustimmungsprozess und gestalten ihn so einfach und digital wie möglich".
Dass die Institute offensichtlich bemüht sind, keine Kunden zu verlieren, kann nicht überraschen, ist doch der Konkurrenzkampf auf dem deutschen Bankenmarkt so hoch wie in keinem anderen Land Europas. Zudem gibt es immer noch Geldhäuser, die kostenlose Bankkonten anbieten, zu denen verärgerte Kunden wechseln könnten. Zurücknehmen wollen die Banken ihre Preiserhöhungen aber auch nicht, denn die seit Jahren andauernde Nullzinspolitik der Europäischen Zentralbank macht es ihnen gerade im margenarmen Privatkundengeschäft schwer, Geld zu verdienen. Somit bleibt den Instituten zunächst gar nichts anderes übrig, als die Kunden weiter zu umgarnen.
Kreative Formulierungen
Dazu haben die Rechtsabteilungen mancher Institute eine überraschende Kreativität entwickelt. So berichtet die Berliner Anwaltskanzlei Gansel Rechtsanwälte über ein Schreiben der Commerzbank an ihre Kunden, in dem sie behauptet, dass die Zustimmung zu den neuen AGBs nichts an den mitgeteilten Preisen und Konditionen ändere. Das sei streng genommen zwar richtig, denn mitgeteilt würden die Preise, und niemand könne das im Nachhinein ändern, sagte ein Sprecher der "FAZ". Entscheidend sei aber, was die Commerzbank verschweigt: "Die mitgeteilten Preise sind noch nicht vereinbart, weil der Kunde ihnen nicht zugestimmt hat." Erst die Zustimmung werde dazu führen, dass die bisher nur mitgeteilten Preise tatsächlich gelten, und genau darum gehe es der Bank. Die Anwaltskanzlei bezeichnet deshalb das Schreiben der Commerzbank als "einen besonders dreisten Versuch", die Zustimmung des Kunden zu erhalten, indem suggeriert werde, dass sich ohnehin nichts ändere.
Nach Auffassung der Hypovereinsbank kann neben einer schriftlichen Zustimmung zu veränderten Vertragsbedingungen auch "konkludentes Handeln" des Kunden als Zustimmung gewertet werden. Dies liege dann vor, wenn ein Konto auch nach der Information über die Anpassungen weiter aktiv genutzt werde.
Experten erwarten neue Klagen
Experten zufolge deutet sich in dieser Frage neuer Streit an, weil es den Geldhäusern nicht gelingen werde, alle Kunden zu einer Zustimmung zu bewegen. Weigere sich ein Kunde, die Änderungen anzunehmen oder reagiere darauf nicht, müssen die Kreditinstitute laut BGH-Urteil tätig werden. Damit könnte es zu neuen juristischen Auseinandersetzungen kommen. "Lehnen Bankkunden die Zustimmung ab, müssen sie die neuen Gebühren zwar nicht bezahlen", erklärt die Kanzlei Gansel. Allerdings sei die Bank dann möglicherweise berechtigt, den Girovertrag zu kündigen. Ob dieses Kündigungsrecht aber tatsächlich bestehe, sei juristisch noch nicht geklärt, so die Experten.
Deutlich zurückhaltender äußern sich die Banken zu der Frage der Rückerstattung von unzulässig erhobenen Bankgebühren aufgrund des BGH-Urteils. "Bitte haben Sie Verständnis, dass wir zu den bisherigen Rückerstattungskosten keine Angaben machen, wir haben aber in Höhe von 99 Millionen Euro entsprechende Rückstellungen gebildet", schreibt die Commerzbank in einer Stellungnahme. Die Deutsche Bank sieht in Folge des BGH-Gebührenurteils Belastungen von insgesamt rund 300 Millionen Euro auf sich zukommen.
Die ING spricht von "beherrschbaren wirtschaftlichen Auswirkungen", nennt aber keine Zahlen. Die Haspa versichert: "Nachweislich berechtigten Forderungen" zu Gebühren-Rückerstattungen komme man selbstverständlich nach. Erste Erstattungen seien bereits erfolgt. Allerdings seien in den letzten drei Jahren nur bei zwei Produkten die Preise angepasst worden. Insgesamt seien bei der Haspa bisher nur recht wenige Rückforderungen eingegangen.