Hilfsprogramm für Spaniens Banken Worüber der Bundestag entschieden hat
Der Bundestag hat in einer Sondersitzung das 100-Milliarden-Rettungspaket für Spaniens Banken freigeben. Am Freitag wollen die Finanzminister der Euro-Gruppe das Hilfsprogramm unter Dach und Fach bringen. Im Gegenzug für die Gelder aus dem Rettungsfonds EFSF hat Spanien sich zu Spar- und Kontrollauflagen verpflichtet. Warum muss der Bundestag dazu seine Zustimmung geben? Und warum müssen die Abgeordneten dafür eigens aus dem Urlaub zurückkehren? tagesschau.de beantwortet die wichtigsten Fragen.
Von Thorsten Wiese, tagesschau.de
Was steht konkret zur Abstimmung?
Konkret will der Bundestag die deutsche Zustimmung zu einem Hilfspaket der Euro-Gruppe für Spanien beschließen. In Aussicht gestellt sind bis zu 100 Milliarden Euro. Diese Summe liegt deutlich über dem Betrag, den Spaniens Banken laut unabhängigen Analysten brauchen. Die Politik setzt wohl mit dem höheren Rahmen darauf, ein Signal der Sicherheit an die Finanzmärkte zu senden.
Das Geld soll innerhalb der nächsten anderthalb Jahre ausgezahlt werden. Eine erste Tranche von 30 Milliarden Euro wird schon bis Ende Juli für akute Notfälle bereitgestellt. Bis in die zweite Septemberhälfte werden die spanischen Banken weiter unter die Lupe genommen. So soll klarer werden, welches Institut wieviel Hilfe benötigt.
Beschließen wollen die Abgeordneten auch, dass das Spanien-Kreditprogramm auf den neuen permanenten Rettungsschirm ESM übertragen wird, wenn dieser einsatzbereit ist. Der ESM startet später als geplant, unter anderem weil die Ratifizierung in Deutschland auf Eis liegt. Das Bundesverfassungsgericht will erst im September über mehrere Klagen gegen den ESM entscheiden.
Warum gab es im Vorfeld darüber Verwirrung?
Am Wochenende war zwischen Experten und Politikern eine Diskussion darüber entbrannt, wer für die Kreditrisiken haftet. Die einen - zum Beispiel die Bundesregierung - argumentieren, dass die spanische Regierung haftet. Sie erhält den Kredit vom EFSF und reicht das Geld an die Banken weiter. Damit sei Madrid auch zur Rückzahlung verpflichtet - unabhängig davon, ob Banken pleite gehen und Teile des Geldes möglicherweise verloren gehen. Das ändere sich auch nicht, wenn das Kreditprogramm - wie für die Zukunft geplant - vom EFSF auf den dauerhaften Rettungsschirm ESM übergeht.
Der Direktor des EFSF, Klaus Regling, der auch die Geschäfte des ESM leiten soll, sieht es anders: Er erklärte am Wochenende, dass die Banken das Geld erhalten und die Länder damit auch aus der Haftung entlassen seien. Unter dem ESM sind direkte Bankenhilfen aus dem Rettungsfonds zwar erstmals möglich, aber zwingend an die Einrichtung einer neuen, straffen europäischen Bankenaufsicht geknüpft - die es noch nicht gibt. Auch wann es sie geben wird, steht nicht fest.
Der Wirtschaftsprofessor Stephan Paul von der Ruhr-Universität Bochum sagte im Gespräch mit tagesschau.de, die Frage der Haftung sei gänzlich ungeklärt - der Bundestag ziehe in der Abstimmung "einen Scheck", von dem niemand wisse, ob er eingelöst werden könne.
Warum muss der Bundestag den Hilfskrediten zustimmen?
Jedes Mal, wenn der Rettungsschirm EFSF zum Einsatz kommen soll, muss das Parlament zustimmen. Dieses Mitbestimmungsrecht in der Euro-Krise hatte sich das Parlament selbst per Gesetz gegeben. Das Bundesverfassungsgericht hatte diese Position jüngst noch gestärkt. Deshalb kehren die Abgeordneten aus der Sommerpause für eine Sondersitzung nach Berlin zurück. Denn die Zeit drängt. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) nimmt am Freitag an einer Sitzung mit seinen Amtskollegen der Euro-Gruppe teil und stimmt dort mit über das Hilfspaket ab. Deutschland ist mit rund 29 Prozent Anteil der größte Garantiegeber des EFSF - und für ein Ja braucht Schäuble die Rückendeckung des Parlaments.
Wer will zustimmen?
Es wird eine klare Mehrheit für das Rettungsprogramm erwartet. Für einen Beschluss reicht eine einfache Mehrheit. Es wird aber mit Spannung erwartet, ob es Bundeskanzlerin Angela Merkel gelingt, dieses Mal alle Abgeordneten der Regierungskoalition hinter ihrem Kurs zu versammeln. Bei wichtigen Entscheidungen in der Euro-Krise hat Merkel die sogenannte Kanzlermehrheit von 50 Prozent plus einer Stimme schon mehrere Male verfehlt. Abgeordente von Union und FDP hatten ihren Kurs nicht mitgetragen. Die Koalition stellt 330 Abgeordnete, der Bundestag hat 620. Auch im Vorfeld der Abstimmung zum Kreditprogramm für die spanischen Banken äußerten einzelne Abgeordnete der Koalition ihre Ablehnung.
Warum brauchen Spaniens Banken Geld aus dem Rettungsfonds?
Spanien muss seine angeschlagenen Institute sanieren. Mehrere Banken im Land sind in einer Notlage, weil sie Kredite für Immobilienfinanzierungen vergeben haben, die nach dem Platzen der Immoblienblase vor vier Jahren nicht mehr zurückgezahlt werden.
Die spanische Regierung stützt die Banken bereits - die laufenden Hilfen reichen aber nicht aus, um den Bankensektor zu retten. Und das Land ist aufgrund der schlechten Wirtschaftslage und eigener Haushaltsprobleme mit der Stützung der Banken überfordert. Das Geld soll an den spanischen Bankenrettungsfonds F.R.O.B. fließen. Dieser reicht das Geld an die kriselnden Institute weiter. Es ist an die Verwendung zur Stabilisierung der Banken gebunden.
Mit dem Schritt wollen die EU-Partner einen Teufelskreis durchbrechen: Spanien muss aufgrund seiner Haushaltsprobleme für seine Staatsanleihen an den Kapitalmärkten derzeit sehr hohe Zinsen zahlen. Die Kreditaufnahme bei Investoren ist teuer - es bleibt weniger für Investitionen und das Ankurbeln der Wirtschaft übrig. Die Finanzspritze sollen die Finanzmärkte beruhigen und damit den Druck von dem Land nehmen.
Zu welchen Auflagen verpflichtet sich Spanien im Gegenzug?
Spanien verpflichtet sich zum einen, umfassende Restrukturierungspläne für die angeschlagenen Banken zu erstellen. Ausdrücklich heißt es in der Vorlage von Finanzminister Schäuble, dass nur die Banken, die als lebensfähig gelten, auch Gelder erhalten: "Die anderen werden abgewickelt."
Außerdem gibt es einen genauen Zeitplan dafür, wann die Regierung einen Stresstest für die kriselnden Institute vorgenommen haben muss. Zu den Bedingungen gehören zudem Gehaltsbegrenzungen für die Vorstände und Direktoren der betroffenen Banken.
Ferner enthält der Vertrag zwischen den Geldgebern und der Regierung in Madrid Kontrollpflichten. So muss die spanische Zentralbank jede Verwendung der Mittel begründen. Die EU-Kommission, die Europäische Zentralbank und ein Gremium der Euro-Gruppe müssen die Entscheidung billigen.